Dam­na­tio Memo­riae in Princeton

Prince­ton tilgt den Namen Wood­row Wil­sons, des bedeu­ten­den Prä­si­den­ten der Uni­ver­si­tät wie der Nati­on. Wie jede sol­che dam­na­tio memo­riae rich­tet sich das Signal nicht an den Toten son­dern an die Leben­den: Klap­pe halten!

Die dam­na­tio memo­riae, das Aus­lö­schen der Erin­ne­rung einer in Ungna­de gefal­le­nen Per­son, erfreu­te sich bekann­ter­ma­ßen in der Sowjet­uni­on einer gewis­sen Beliebt­heit. Nun hat Prince­ton sich ent­schlos­sen, aus dem Namen sei­ner Hoch­schu­le für Poli­tik den Namen zu strei­chen, dem zu Ehren sie seit 1948 benannt war, Wood­row Wil­son. Wie immer bei sol­chen dam­na­tio­nes geht es weni­ger um das Andenken an die aus­ge­lösch­te Per­son, son­dern um die geis­ti­ge Dis­zi­plin unter den Leben­den. „Dam­na­tio Memo­riae in Prince­ton“ weiterlesen

Fake­Tech: Eine Zukunftsindustrie

‚FinTech‘-Unternehmen wie das jetzt in Tur­bu­len­zen gera­te­ne Wire­card haben einen Anreiz, sich als Tech­no­lo­gie­un­ter­neh­men dar­zu­stel­len. Vie­le sol­cher ‚Tech‘-Unternehmen haben aber kei­ne Tech­nik als Wett­be­werbs­vor­teil, son­dern ste­hen in einem Wett­be­werb um Netz­werk­ef­fek­te. Bei einem sol­chen Wett­be­werb kann der Gewin­ner enor­me Pro­fi­te ein­fah­ren, aber die meis­ten Teil­neh­mer sind Ver­lie­rer. Wenn das Wachs­tum aus­bleibt kommt die Ver­su­chung zum Betrug. Wire­card und WeWork als Fall­bei­spie­le und War­nun­gen. Ich schla­ge für sol­che Unter­neh­men den Begriff ‚Fake­Tech‘ vor.

Das soge­nann­te ‚FinTech‘-Unternehmen Wire­card, eigent­lich ein Zah­lungs­ab­wick­ler, ist in erheb­li­che Tur­bu­len­zen gera­ten, nach­dem offen­bar rund zwei Mil­li­ar­den Euro, die angeb­lich auf aus­län­di­schen Treu­hand­kon­ten geparkt sei­en, nicht exis­tie­ren. Einer der Geld­ge­ber, die damit wohl ziem­lich viel Geld ver­lo­ren haben, ist Soft­Bank, eine japa­ni­sche Betei­li­gungs­ge­sell­schaft. Die hat mit Ali­baba, wo aus einer Inves­ti­ti­on von zwan­zig Mil­lio­nen bis zum Bör­sen­gang sech­zig Mil­li­ar­den wur­den, einen spek­ta­ku­lä­ren Erfolg, von dem sie lan­ge zeh­ren kann, aber auch eine Rei­he von spek­ta­ku­lär geschei­ter­ten Inves­ti­tio­nen, zu denen jetzt wohl auch Wire­card gehört. Ein Teil der Erklä­rung des Pro­blems scheint mir in Begrif­fen wie ‚Fin­Tech‘ oder auch nur ‚Tech‘ zu lie­gen, wel­che die Geschäfts­mo­del­le der geschei­ter­ten Inves­ti­tio­nen fun­da­men­tal falsch dar­stel­len und uner­füll­ba­re Erwar­tun­gen wecken. Aus uner­füll­ba­ren Erwar­tun­gen könn­te dann mit einer gestei­ger­ten Wahr­schein­lich­keit auch Betrug wer­den, damit die schö­ne Par­ty (noch) nicht aufhört.

Um zu ver­ste­hen, war­um ‚Fin­Tech‘ und all­ge­mei­ner ‚Tech‘-Unternehmen oft­mals nicht das sind, was sie zu sein behaup­ten, müs­sen wir etwas aus­ho­len und damit anfan­gen, Tech­nik zu defi­nie­ren. Es wird sich dann schnell zei­gen, dass Start­ups eigent­lich nichts mit Tech­nik son­dern eher mit Netz­werk­ef­fek­ten zu tun haben, aber die Behaup­tung exklu­si­ver tech­ni­scher Fähig­kei­ten brau­chen, um Inves­to­ren erklä­ren zu kön­nen, war­um sie in einem Ver­drän­gungs­wett­be­werb um die Markt­füh­rer­schaft bestehen wer­den. Die­ses Argu­ment kann man sogar bei so offen­sicht­lich untech­ni­schen Bran­chen wie der Büro­ver­mie­tung für eine Wei­le erfolg­reich machen, aber am Ende wird es kol­la­bie­ren. „Fake­Tech: Eine Zukunfts­in­dus­trie“ weiterlesen

Mit Höchst­ge­schwin­dig­keit in die Absurdität

Der Aus­nah­me­fah­rer Lewis Hamil­ton fühlt sich im Renn­sport ras­sis­tisch benach­tei­ligt. Ist ein neu­es Pro­gramm nur für Schwar­ze wirk­lich eine gute Idee? Wie sieht es eigent­lich mit der Unter­re­prä­sen­ta­ti­on von Frau­en in der For­mel 1 aus? Man­che Leu­te wol­len sich ein­fach ange­grif­fen fühlen.

Lewis Hamil­ton, einer der erfolg­reichs­ten For­mel 1‑Fahrer aller Zei­ten, ist auf den #BLM-Zug auf­ge­sprun­gen. Sein Pro­fil auf Twit­ter zeigt die dro­hend aus­ge­streck­te Faust als sein Pho­to und er bemerk­te, dass die Auf­re­gung über den Fall Geor­ge Floyd „zu einem glo­ba­len Erwa­chen über den sys­te­mi­schen Ras­sis­mus geführt hat, den jede Per­son von Far­be [‚per­son of colour‘] auf der Welt bezeugt und erfährt, und mit dem ich nur zu ver­traut bin.“ Aber Hamil­ton fühlt sich nicht nur schlecht behan­delt, son­dern „es bricht mein Herz“, so sagt er, dass sich man­che sei­ner Team­kol­le­gen nicht an den Pro­tes­ten betei­lig­ten, denn „die Unge­rech­tig­keit siegt wenn man neu­tral bleibt.“ Er bezieht das nicht auf exis­tie­ren­de oder auch nicht exis­tie­ren­de Pro­ble­me Schwar­zer im All­ge­mei­nen, son­dern auf sich sel­ber: „Mit Höchst­ge­schwin­dig­keit in die Absur­di­tät“ weiterlesen

See­ho­fer bellt, beißt aber nicht

Bun­des­in­nen­mi­nis­ter See­ho­fer bellt, beißt aber nicht. Sei­ner Rede in Stutt­gart von Stra­fen als bes­ter Prä­ven­ti­on wer­den genau­so wenig Kon­se­quen­zen fol­gen wie sei­ner Rede von der „Herr­schaft des Unrechts.“

Die Hun­de tei­len sich, so sagt man, auf in die­je­ni­gen, die bel­len, und die­je­ni­gen, die bei­ßen. Den­je­ni­gen, die bel­len, macht das am meis­ten Spaß, wenn sie von ihrem Herr­chen oder Frau­chen an der Lei­ne gehal­ten wer­den, so dass ein stimm­ge­wal­ti­ger Zwerg­da­ckel ein Kon­zert geben kann wie Ker­be­ros höchst­selbst, ohne aber sei­nen Dro­hun­gen Taten fol­gen las­sen zu müssen.

Horst See­ho­fer als Urge­stein der CSU beherrscht die Kunst des fol­gen­lo­sen Bel­lens bis zur Per­fek­ti­on. Poli­ti­ker haben oft­mals ein sehr gutes Gedächt­nis, und See­ho­fer kennt noch den Ton eines Franz Josef Strauss im Fest­zelt oder gar nach ein paar Bier im Wie­ner­wald, den Ton der Uni­on vor ihrer gro­ßen Trans­for­ma­ti­on. Ver­mut­lich könn­te er die Höhe­punk­te der bes­ten Reden von FJS aus­wen­dig rezi­tie­ren. Wenn die Lei­ne fest genug anliegt, dann bellt er noch­mal, wie er es einst gelernt hat. „See­ho­fer bellt, beißt aber nicht“ weiterlesen

Fel­o­ny Mur­der: Ein­sper­ren, für immer?

In Atlan­ta wur­de ein Poli­zist wegen fel­o­ny mur­der offen­sicht­lich schi­ka­nös ange­klagt. In Deutsch­land hat wäh­rend­des­sen der BGH im Fall der ‚Ku’­damm-Raser‘ eine Art fel­o­ny mur­der Regel durch die Hin­ter­tür ein­ge­führt. Die Ame­ri­ka­ner wer­den aller­dings mit die­ser Regel zuneh­mend eher unglück­lich und schrän­ken sie ein.

Letz­te Woche gab es in Ame­ri­ka und in Deutsch­land zwei par­al­le­le Ent­schei­dun­gen, die dar­auf abzie­len, den Tat­be­stand des Mor­des auf Fäl­le zu erwei­tern, die von der bis­he­ri­gen Recht­spre­chung nicht als sol­che erfasst wur­den. In Atlan­ta wur­de der Poli­zei­be­am­te Gar­rett Rol­fe, der bei einer ver­un­glück­ten Fest­nah­me Rayshard Brooks erschos­sen hat, unter der Regel des ‚fel­o­ny mur­der‘ wegen der höchs­ten Stu­fe des Mor­des, die mit lebens­läng­lich oder gar der Todes­stra­fe bedroht ist, ange­klagt. In Deutsch­land hat der Bun­des­ge­richts­hof das Mord­ur­teil gegen einen der ‚Ku’­damm-Raser‘ auf­recht­erhal­ten und gegen den ande­ren auf­ge­ho­ben. Sowohl die Ankla­ge aus Atlan­ta als auch die BGH-Ent­schei­dung schei­nen mir falsch. „Fel­o­ny Mur­der: Ein­sper­ren, für immer?“ weiterlesen

„Hören Sie nicht auf Ihre Ver­tei­di­ger, hören Sie auf mich“

Laut Spie­gel soll im Pro­zess um den Lüb­cke-Mord der Vor­sit­zen­de Rich­ter Tho­mas Sage­biel den Ange­klag­ten zu einem Geständ­nis auf­ge­for­dert haben: „Hören Sie nicht auf Ihre Ver­tei­di­ger, hören Sie auf mich. […] Nut­zen Sie Ihre bes­te Chan­ce, viel­leicht ist es auch Ihre ein­zi­ge.“ Das scheint mir eine selt­sa­me Ver­hand­lungs­füh­rung zu sein.

Ist es wirk­lich Auf­ga­be eines Rich­ters, auch bei offen­bar erdrü­cken­der Beweis­la­ge, das Ver­trau­en des Ange­klag­ten in sei­ne Ver­tei­di­gung und damit in einen recht­staat­li­chen Pro­zess zu unter­gra­ben, und ihn statt­des­sen zu einem Geständ­nis auf­zu­for­dern? Kann der Ange­klag­te nach einer sol­chen Auf­for­de­rung wirk­lich noch auf die die Unvor­ein­ge­nom­men­heit des Rich­ters vertrauen?

Zigeu­ner­schnit­zel und Lebensraum

Nach dem ‚Moh­ren­kopf‘ soll jetzt das ‚Zigeu­ner­schnit­zel‘ abge­schafft wer­den. Ein pro­fes­sio­nel­ler Ras­sis­mus­exper­te will statt­des­sen „Lebens­raum“. Für zwei amü­san­te Ope­ret­ten Emme­rich Kál­máns wird es rich­tig kritisch.

Mit den immer wil­de­ren For­de­run­gen nach poli­ti­scher Säu­be­rung der Spra­che kann man sich schnell selbst ins Bocks­horn jagen. Der Blick hat einen Arti­kel über For­de­run­gen, Begrif­fe wie ‚Zigeu­ner­schnit­zel‘ durch neue zu erset­zen, denn die sei­en, so eine Lese­rin, „für uns Fah­ren­de auch ras­sis­tisch.“ Nun ja.

Ein pro­fes­sio­nel­ler Ras­sis­mus­exper­te einer gewis­sen Stif­tung Zukunft für Schwei­zer Fah­ren­de schießt dann aller­dings den Vogel ab: „Zigeu­ner­schnit­zel und Lebens­raum“ weiterlesen

Der Kin­der­schän­der, der Mit­tel­stu­fen­schwarm und die Dorfsau

Die CDU will in sel­te­nem Ein­ver­neh­men mit der AfD Kin­des­miss­brauch in allen Fäl­len als Ver­bre­chen bestra­fen. Unter die von §176 StGB erfass­ten Tat­be­stän­de fal­len aber die unter­schied­lichs­ten Sach­ver­hal­te, selbst ein­ver­nehm­li­ches Knut­schen zwi­schen prak­tisch gleich­alt­ri­gen Klas­sen­ka­me­ra­den. Auf die schwe­ren Fäl­le dürf­te eine Ver­schär­fung der Min­dest­stra­fe für die leich­tes­ten Fäl­le kei­ne nen­nens­wer­te Abschre­ckungs­wir­kung haben. Die CDU hat ihren inne­ren Rechts­po­pu­lis­ten mit einem eher bil­li­gen The­ma wiederentdeckt.

Die CDU hat eine alte Sau im Stall gefun­den, die sie spek­ta­ku­lär durchs Dorf trei­ben kann, wäh­rend ihr die Situa­ti­on sonst eher ent­glei­tet und sie von der Aus­lands­pres­se als „ohne Kom­pass“ und „inhalt­lich rui­niert“ bilan­ziert wird. Sogar eine Sau in der Bedeu­tung gleich zwei ver­schie­de­ner Meta­phern hat sie gefun­den, näm­lich den Kin­der­schän­der. Anläss­lich des bru­ta­len Miss­brauchs­falls von Müns­ter for­dert die CDU „dras­ti­sche Stra­fen“: „Kin­des­miss­brauch müs­se in jedem Fall als Ver­bre­chen und nicht mehr nur als Ver­ge­hen geahn­det wer­den.“ Dar­in fin­det sie sich in sel­te­ner Einig­keit mit der AfD, und auch die Bild stimmt zu („Kein Ver­bre­chen! Minis­te­rin Lam­brecht: Kin­des­miss­brauch ist Ver­ge­hen“), das Twit­ter-Uni­ver­sum ebenso.

Nun lohnt sich aller­dings bei der Beur­tei­lung straf­recht­li­cher Nor­men gele­gent­lich ein Blick ins Gesetz. „Der Kin­der­schän­der, der Mit­tel­stu­fen­schwarm und die Dorf­sau“ weiterlesen

Die Medi­zi­ner behan­deln wie­der den Volkskörper

Rund drei­zehn­hun­dert Men­schen aus dem Umfeld der Medi­zin unter­zeich­ne­ten einen Brief, der die Floyd-Pro­tes­te als gesund­heits­för­dernd, Demons­tra­tio­nen gegen die Coro­na-Maß­nah­men hin­ge­gen als krank­ma­chend beur­teilt. Medi­zin hat mit Macht zu tun. Aus ihrem Miss­brauch ergibt sich ein Ver­trau­ens­ver­lust der Bür­ger. Immer­hin: Man wird sehen, zu wie vie­len Neu­in­fek­tio­nen die Mas­sen­auf­läu­fe und Aus­schrei­tun­gen führen.

Dass wir einen rapi­den Ver­trau­ens­ver­lust der Pres­se, der frü­he­ren ‚vier­ten Gewalt,‘ erle­ben, ist nicht neu. Nicht nur auf die­sem Blog lehrt einen der Ver­gleich des sich immer wei­ter ver­en­gen­den Mei­nungs­kor­ri­dors der Pres­se mit den Fak­ten und mit den Mei­nun­gen von vor nur weni­gen Wochen das Grau­sen. Auch die Wis­sen­schaft erlebt eine sol­che Ver­en­gung. Beson­ders deut­lich wur­de das schon seit eini­ger Zeit an den Kli­ma­wis­sen­schaf­ten, wo Erkennt­nis­in­ter­es­se und Akti­vis­mus nicht immer sau­ber getrennt wur­den. Wenn das jetzt auch noch die Medi­zin betrifft, dann kom­men wir in eine noch gefähr­li­che­re Zone.

In den Ver­ei­nig­ten Staa­ten wur­de ein von rund drei­zehn­hun­dert Men­schen, die nach eige­ner Dar­stel­lung Medi­zi­ner und Ange­hö­ri­ge des Gesund­heits­we­sen sei­en, unter­zeich­ne­ter offe­ner Brief ver­öf­fent­licht, indem sie die Pro­tes­te, die sich am Tod von Geor­ge Floyd ent­zün­det hat­ten, für medi­zi­nisch dring­li­cher erklä­ren, als ein durch sol­che Mas­sen­auf­läu­fe mög­li­cher­wei­se ver­ur­sach­tes Über­tra­gungs­ri­si­ko von Covid-19. „Die Medi­zi­ner behan­deln wie­der den Volks­kör­per“ weiterlesen

Das Recht auf Plün­de­rung ist unantastbar

Noch so eine Sache, die man sich nicht aus­den­ken kann. Eine Dame äußert sich aus­ge­spro­chen grup­pen­be­zo­gen men­schen­feind­lich, weil Ara­ber ihr das Recht ver­wei­gern, ihre Läden aus­zu­plün­dern. Sie beschwert sich, dass die zu plün­dern­de Ware bil­li­ger Chi­na­kram und ohne­hin ver­si­chert sei, dass Ara­ber kei­ne Bür­ger sei­en, usw. Gleich­zei­tig illus­triert die Sze­ne, wie man wirk­lich den Frie­den erhält. Aber hören Sie selbst zu:

[Nach­trag, 10. Juni 2020: Dafür ist es nun zu spät. Das Video wur­de gesperrt. Eigent­lich scha­de, denn es war interessant.]