Die Hunde teilen sich, so sagt man, auf in diejenigen, die bellen, und diejenigen, die beißen. Denjenigen, die bellen, macht das am meisten Spaß, wenn sie von ihrem Herrchen oder Frauchen an der Leine gehalten werden, so dass ein stimmgewaltiger Zwergdackel ein Konzert geben kann wie Kerberos höchstselbst, ohne aber seinen Drohungen Taten folgen lassen zu müssen.
Horst Seehofer als Urgestein der CSU beherrscht die Kunst des folgenlosen Bellens bis zur Perfektion. Politiker haben oftmals ein sehr gutes Gedächtnis, und Seehofer kennt noch den Ton eines Franz Josef Strauss im Festzelt oder gar nach ein paar Bier im Wienerwald, den Ton der Union vor ihrer großen Transformation. Vermutlich könnte er die Höhepunkte der besten Reden von FJS auswendig rezitieren. Wenn die Leine fest genug anliegt, dann bellt er nochmal, wie er es einst gelernt hat.
„Strafen sind immer noch das beste präventive Mittel“
Beim Ortstermin nach den Ausschreitungen dieses Wochenendes in Stuttgart haben sie sogar extra für den Innenminister ein demoliertes Polizeiauto zur Besichtigung an den Ort der Pressekonferenz gebracht. Seehofer nutzte die Gelegenheit zur Verkündung, dass jetzt Recht und Ordnung wiederhergestellt würden: Er „ordne[t] diesen Vorgang ein in das Gesamtgeschehen der Bundesrepublik Deutschland“. Die Täter sollen „einer raschen und harten Verurteilung durch die Justiz zugeführt werden, denn Strafen sind immer noch das beste präventive Mittel.“
Diese Ansicht von Strafe als bester Form der Gewaltprävention dürfte sowohl kriminologisch fragwürdig sein als auch in einem gewissen Konflikt mit unserem Strafrecht, insbesondere unserem Jugendstrafrecht, stehen. Seehofer weiß dabei allerdings auch ganz genau, dass dem Gebell keine Taten zu folgen haben, denn die fallen, wie er ja selber sagt, in die Zuständigkeit der unabhängigen Justiz.
„Eine Herrschaft des Unrechts“
Mit dem Spiel zwischen kerniger law-and-order Rede und tatsächlicher Untätigkeit knüpft Seehofer an seine denkwürdigen Ausführungen zur Einwanderungspolitik vor vier Jahren an. Damals sagte er der Passauer Neuen Presse: „Wir haben im Moment keinen Zustand von Recht und Ordnung. Es ist eine Herrschaft des Unrechts.“
Unabhängig davon ob man die Einschätzung „Herrschaft des Unrechts“ für die Regierung Merkel und ihre Einwanderungspolitik für sachlich richtig und sprachlich angemessen hält, dürfte es ein Unikum in der Geschichte der westliche Demokratien sein, dass ein amtierender Minister seine eigene Regierung mit dieser Formulierung beschreibt. Wenn Seehofer jedenfalls subjektiv geglaubt hat, was er sagte, dann wäre es seine Pflicht gewesen, alles in seiner Macht stehende dagegen zu tun, zur Not auch die Regierungskoalition und die Fraktionsgemeinschaft zu sprengen, vor Gericht zu ziehen, oder wenigstens zu demissionieren. Diese Pflicht wäre unabhängig davon, ob seine Einschätzung objektiv richtig war. Nichts davon tat er.
Genauso überraschend ist, dass er für diese Äußerung nicht umgehend von der Bundeskanzlerin vor die Tür gesetzt wurde, sondern sie diese Einschätzung letztlich so hinnahm, und sich in ihrer Integrität davon offenbar nicht unerträglich angegriffen fühlte. Entweder sie nimmt ihn als nervigen Kläffer nicht ernst, oder sie stört sich nicht an der Einordnung als Kanzlerin des Unrechts. Beides würde nicht für das Kabinett sprechen.
Der laut kläffende Hund zog zwar ein wenig am Halsband, tat aber weiter nichts, und war zufrieden als es zu den nächsten Koalitionsverhandlungen den wenig nahrhaften Hundekuchen einer Einwanderungs-„Obergrenze“ gab, die faktisch eher eine Untergrenze war.
Mit einem spitzbübischen Lächeln
Während der kläffende Vierbeiner bei dieser Tätigkeit gerne seine Zähne in möglichst bedrohlich wirkender Weise zeigt, tut der Zweibeiner es mit einem spitzbübischen Lächeln und freut sich vermutlich diebisch, die Übermutter der C‑Parteien ein wenig gepiesackt zu haben. Wenn er bei Fuß gerufen wird spurt er aber, und es passiert rein nichts. Es ist noch nicht einmal bei der „Herrschaft des Unrechts“ etwas passiert, und mit der dem Innenminister gar nicht möglichen Prävention durch harte Bestrafung bereits begangener Taten wird genauso wenig passieren, also gar nichts.
Guter Horst!