See­ho­fer bellt, beißt aber nicht

Bun­des­in­nen­mi­nis­ter See­ho­fer bellt, beißt aber nicht. Sei­ner Rede in Stutt­gart von Stra­fen als bes­ter Prä­ven­ti­on wer­den genau­so wenig Kon­se­quen­zen fol­gen wie sei­ner Rede von der „Herr­schaft des Unrechts.“

Die Hun­de tei­len sich, so sagt man, auf in die­je­ni­gen, die bel­len, und die­je­ni­gen, die bei­ßen. Den­je­ni­gen, die bel­len, macht das am meis­ten Spaß, wenn sie von ihrem Herr­chen oder Frau­chen an der Lei­ne gehal­ten wer­den, so dass ein stimm­ge­wal­ti­ger Zwerg­da­ckel ein Kon­zert geben kann wie Ker­be­ros höchst­selbst, ohne aber sei­nen Dro­hun­gen Taten fol­gen las­sen zu müssen.

Horst See­ho­fer als Urge­stein der CSU beherrscht die Kunst des fol­gen­lo­sen Bel­lens bis zur Per­fek­ti­on. Poli­ti­ker haben oft­mals ein sehr gutes Gedächt­nis, und See­ho­fer kennt noch den Ton eines Franz Josef Strauss im Fest­zelt oder gar nach ein paar Bier im Wie­ner­wald, den Ton der Uni­on vor ihrer gro­ßen Trans­for­ma­ti­on. Ver­mut­lich könn­te er die Höhe­punk­te der bes­ten Reden von FJS aus­wen­dig rezi­tie­ren. Wenn die Lei­ne fest genug anliegt, dann bellt er noch­mal, wie er es einst gelernt hat. „See­ho­fer bellt, beißt aber nicht“ weiterlesen

Fel­o­ny Mur­der: Ein­sper­ren, für immer?

In Atlan­ta wur­de ein Poli­zist wegen fel­o­ny mur­der offen­sicht­lich schi­ka­nös ange­klagt. In Deutsch­land hat wäh­rend­des­sen der BGH im Fall der ‚Ku’­damm-Raser‘ eine Art fel­o­ny mur­der Regel durch die Hin­ter­tür ein­ge­führt. Die Ame­ri­ka­ner wer­den aller­dings mit die­ser Regel zuneh­mend eher unglück­lich und schrän­ken sie ein.

Letz­te Woche gab es in Ame­ri­ka und in Deutsch­land zwei par­al­le­le Ent­schei­dun­gen, die dar­auf abzie­len, den Tat­be­stand des Mor­des auf Fäl­le zu erwei­tern, die von der bis­he­ri­gen Recht­spre­chung nicht als sol­che erfasst wur­den. In Atlan­ta wur­de der Poli­zei­be­am­te Gar­rett Rol­fe, der bei einer ver­un­glück­ten Fest­nah­me Rayshard Brooks erschos­sen hat, unter der Regel des ‚fel­o­ny mur­der‘ wegen der höchs­ten Stu­fe des Mor­des, die mit lebens­läng­lich oder gar der Todes­stra­fe bedroht ist, ange­klagt. In Deutsch­land hat der Bun­des­ge­richts­hof das Mord­ur­teil gegen einen der ‚Ku’­damm-Raser‘ auf­recht­erhal­ten und gegen den ande­ren auf­ge­ho­ben. Sowohl die Ankla­ge aus Atlan­ta als auch die BGH-Ent­schei­dung schei­nen mir falsch. „Fel­o­ny Mur­der: Ein­sper­ren, für immer?“ weiterlesen

„Hören Sie nicht auf Ihre Ver­tei­di­ger, hören Sie auf mich“

Laut Spie­gel soll im Pro­zess um den Lüb­cke-Mord der Vor­sit­zen­de Rich­ter Tho­mas Sage­biel den Ange­klag­ten zu einem Geständ­nis auf­ge­for­dert haben: „Hören Sie nicht auf Ihre Ver­tei­di­ger, hören Sie auf mich. […] Nut­zen Sie Ihre bes­te Chan­ce, viel­leicht ist es auch Ihre ein­zi­ge.“ Das scheint mir eine selt­sa­me Ver­hand­lungs­füh­rung zu sein.

Ist es wirk­lich Auf­ga­be eines Rich­ters, auch bei offen­bar erdrü­cken­der Beweis­la­ge, das Ver­trau­en des Ange­klag­ten in sei­ne Ver­tei­di­gung und damit in einen recht­staat­li­chen Pro­zess zu unter­gra­ben, und ihn statt­des­sen zu einem Geständ­nis auf­zu­for­dern? Kann der Ange­klag­te nach einer sol­chen Auf­for­de­rung wirk­lich noch auf die die Unvor­ein­ge­nom­men­heit des Rich­ters vertrauen?

Der Kin­der­schän­der, der Mit­tel­stu­fen­schwarm und die Dorfsau

Die CDU will in sel­te­nem Ein­ver­neh­men mit der AfD Kin­des­miss­brauch in allen Fäl­len als Ver­bre­chen bestra­fen. Unter die von §176 StGB erfass­ten Tat­be­stän­de fal­len aber die unter­schied­lichs­ten Sach­ver­hal­te, selbst ein­ver­nehm­li­ches Knut­schen zwi­schen prak­tisch gleich­alt­ri­gen Klas­sen­ka­me­ra­den. Auf die schwe­ren Fäl­le dürf­te eine Ver­schär­fung der Min­dest­stra­fe für die leich­tes­ten Fäl­le kei­ne nen­nens­wer­te Abschre­ckungs­wir­kung haben. Die CDU hat ihren inne­ren Rechts­po­pu­lis­ten mit einem eher bil­li­gen The­ma wiederentdeckt.

Die CDU hat eine alte Sau im Stall gefun­den, die sie spek­ta­ku­lär durchs Dorf trei­ben kann, wäh­rend ihr die Situa­ti­on sonst eher ent­glei­tet und sie von der Aus­lands­pres­se als „ohne Kom­pass“ und „inhalt­lich rui­niert“ bilan­ziert wird. Sogar eine Sau in der Bedeu­tung gleich zwei ver­schie­de­ner Meta­phern hat sie gefun­den, näm­lich den Kin­der­schän­der. Anläss­lich des bru­ta­len Miss­brauchs­falls von Müns­ter for­dert die CDU „dras­ti­sche Stra­fen“: „Kin­des­miss­brauch müs­se in jedem Fall als Ver­bre­chen und nicht mehr nur als Ver­ge­hen geahn­det wer­den.“ Dar­in fin­det sie sich in sel­te­ner Einig­keit mit der AfD, und auch die Bild stimmt zu („Kein Ver­bre­chen! Minis­te­rin Lam­brecht: Kin­des­miss­brauch ist Ver­ge­hen“), das Twit­ter-Uni­ver­sum ebenso.

Nun lohnt sich aller­dings bei der Beur­tei­lung straf­recht­li­cher Nor­men gele­gent­lich ein Blick ins Gesetz. „Der Kin­der­schän­der, der Mit­tel­stu­fen­schwarm und die Dorf­sau“ weiterlesen

Mer­kel bekennt Farbe

In zwei Fern­seh­in­ter­views bringt die Bun­des­kanz­le­rin einen Ban­ner­spruch, VWL für Anfän­ger und eine Vor­weg­nah­me eines Straf­ur­teils. Wie die Kanz­le­rin wohl ent­spre­chen­de Kom­men­ta­re Trumps fin­den würde?

Die Bun­des­kanz­le­rin äußer­te sich in der ARD-Sen­dung ‚Far­be beken­nen‘ und einer wei­te­ren im ZDF zu aller­lei The­men. Drei ihrer Sprü­che möch­te ich mir herausgreifen:

„Men­schen müs­sen kau­fen können“

Ich kann mir nicht hel­fen, aber das wäre doch ein pas­sen­der Spruch, den man schon der anmu­ti­gen Alli­te­ra­ti­on Mama Mer­kels wegen auf gro­ßen Spruch­bän­dern über den Super­märk­ten auf­hän­gen und damit DDR und Bun­des­re­pu­blik, Sozia­lis­mus und Markt­wirt­schaft in schöns­ter Wei­se ver­ei­nen könn­te. „Mer­kel bekennt Far­be“ weiterlesen

Hitz­kopf oder Rassist?

War der Tod Geor­ge Floyds ein ras­sis­tisch moti­vier­ter Mord? Eini­ge Indi­zi­en spre­chen dage­gen, und in einer nicht unähn­li­chen Geschich­te mit umge­kehr­ter Rol­len­ver­tei­lung käme nie­mand auf die Idee, das zu behaup­ten. Die Medi­en, wel­che ohne Berück­sich­ti­gung der Fak­ten die Geschich­te vom ras­sis­ti­schen Mord hin­aus­po­sau­nen, reprä­sen­tie­ren einen Nie­der­gang des Jour­na­lis­mus und fachen Kon­flik­te an. Ande­re, nuan­cier­te­re Inter­pre­ta­ti­on die­ses Zusam­men­tref­fens eines Gewalt­kri­mi­nel­len und eines Poli­zis­ten mit einer Lita­nei von Beschwer­den und Schie­ße­rei­en lie­gen näher.

Die gegen­wär­ti­gen Pro­tes­te, Plün­de­run­gen und Brand­stif­tun­gen gegen angeb­li­che oder wirk­li­che Poli­zei­ge­walt hän­gen sich bekann­ter­ma­ßen am Tod von Geor­ge Floyd bei einer aus dem Ruder gelau­fe­nen Fest­nah­me auf, von dem sich vie­le Demons­tran­ten und Medi­en lan­ge vor jedem Ermitt­lungs­ver­fah­ren und lan­ge vor jedem Urteil sicher sind, dass es ein ras­sis­ti­scher Mord gewe­sen sei. Floyd starb nach­dem er am Hals fixiert wur­de, auch dann noch, als er sich beschwert hat, kei­ne Luft zu bekom­men, und anschei­nend selbst dann noch, als einer der Beam­ten sei­nen Puls geprüft und kei­nen gefun­den hat:

Aber muss das ras­sis­tisch moti­viert sein? Ras­sis­ti­sche Belei­di­gun­gen fie­len anschei­nend nicht, und der ein­zi­ge Anhalts­punkt für Ras­sis­mus ist offen­bar, dass Floyd schwarz war und die Beam­ten weiß und asia­tisch. „Hitz­kopf oder Ras­sist?“ weiterlesen

„Wir wer­den Sie fin­den und entfernen!“

Der Kom­man­deur des Kom­man­dos Spe­zi­al­kräf­te will Ele­men­te aus dem „rech­ten Spek­trum […] fin­den und ent­fer­nen“. Die­se Spra­che ent­spricht eher zwei glück­li­cher­wei­se unter­ge­gan­ge­nen deut­schen Staa­ten als der Bundesrepublik.

In einem an sei­ne Sol­da­ten gerich­te­te und der Bild vor­lie­gen­den Brief schreibt der Kom­man­deur des Kom­man­dos Spe­zi­al­kräf­te, Gene­ral Kreitmayr:

Inmit­ten unse­rer Gemein­schaft befan­den und befin­den sich offen­sicht­lich noch immer Indi­vi­du­en, die dem soge­nann­ten rech­ten Spek­trum zuzu­ord­nen sind. […] Sie ver­die­nen unse­re Kame­rad­schaft nicht! Sie gehö­ren nicht zu uns! Sie soll­ten aus eige­nem Antrieb unse­ren Ver­band und die Bun­des­wehr ver­las­sen! Tun Sie es nicht, wer­den Sie fest­stel­len, dass wir Sie fin­den und ent­fer­nen werden!

Gene­ral Mar­kus Kreit­mayr, Brief an die Sol­da­ten des KSK, 18. Mai 2020

Das ist ker­nig, und wenn man ein­mal den unbe­stimm­ten Begriff des „rech­ten Spek­trums“ durch „Klas­sen­feind“ oder „Reak­ti­on“ oder auch ein­fach durch das poli­tisch neu­tra­le „Schuft“ ersetzt, dann wür­de man die­sen Ton­fall eigent­lich eher in zwei glück­li­cher­wei­se unter­ge­gan­ge­nen deut­schen Staa­ten als in der Bun­des­re­pu­blik ver­or­ten. „„Wir wer­den Sie fin­den und ent­fer­nen!““ weiterlesen

Rechts­schutz­ver­si­che­rung für die bes­se­ren Krei­se: Mil­lio­nen­stra­fen eingeschlossen

Die Ver­fah­ren wegen Markt­ma­ni­pu­la­ti­on gegen die Chefs des Auf­sichts­rats und des Vor­stands von Volks­wa­gen wur­den gegen Zah­lung von vier­ein­halb Mil­lio­nen Euro pro Nase ein­ge­stellt. Volks­wa­gen über­nimmt die­se Auf­la­gen auch gleich noch. Das ist eine mil­lio­nen­schwe­re Gehalts­zu­la­ge wegen schwer­wie­gen­der Vor­wür­fe kri­mi­nel­ler Handlungen.

Die Chefs des Auf­sichts­rats und des Vor­stands von Volks­wa­gen, Hans Die­ter Pötsch und Her­bert Diess, haben mit der Staats­an­walt­schaft Braun­schweig eine Eini­gung zur Ein­stel­lung der Ver­fah­ren wegen Markt­ma­ni­pu­la­ti­on gegen sie gegen Zah­lung von vier­ein­halb Mil­lio­nen Euro pro Kopf erreicht. Der Kicker: Der Auf­sichts­rat hat beschlos­sen, dass die­se Geld­auf­la­gen vom Unter­neh­men bezahlt wer­den sol­len. „Rechts­schutz­ver­si­che­rung für die bes­se­ren Krei­se: Mil­lio­nen­stra­fen ein­ge­schlos­sen“ weiterlesen

Sie hat uns alles gege­ben: Bar­ba­ra Bor­chardt als Verfassungsrichterin

Bar­ba­ra Bor­chardt, neu­ge­wähl­te Ver­fas­sungs­rich­te­rin in Meck­len­burg-Vor­pom­mern, hat jede ein­zel­ne Stel­le ihres Lebens aus der Hand der SED erhal­ten. Am schul­digs­ten Respekt einer Par­tei­sol­da­tin lässt sie es nicht feh­len. Das ist nicht nur ihre Haupt‑, son­dern ihre ein­zi­ge Qualifikation.

„Sie hat uns alles gege­ben“ fängt das ‚Lied der Par­tei‘ an, und for­dert zu dem­entspre­chen­der Dank­bar­keit und demü­tigs­tem Gehor­sam auf, auch wenn man mit sei­ner begrenz­ten Ver­nunft den Wil­len der „Mut­ter der Mas­sen“ ein­mal nicht ver­ste­hen kön­ne. Im zwei­ten Anlauf wur­de Bar­ba­ra Bor­chardt zur Ver­fas­sungs­rich­te­rin in Meck­len­burg-Vor­pom­mern gewählt. Ihr hat in der Tat die SED alles gege­ben, und am schul­digs­ten Respekt einer Par­tei­sol­da­tin lässt sie es nicht fehlen.

Die Bio­gra­phie Frau Bor­chardts war durch einen frü­hen Bruch bestimmt. Mit acht­zehn wur­de sie unge­wollt schwan­ger, und sie hat sich – es gibt auch unein­ge­schränkt Posi­ti­ves aus ihrem Leben zu berich­ten – für ihr Kind und gegen eine real­so­zia­lis­ti­sche Abtrei­bung ent­schie­den. Nach zwei Jah­ren hat­te die jun­ge Fami­lie immer noch kei­ne eige­ne Woh­nung, aber dann bot sich eine Gele­gen­heit: „Sie hat uns alles gege­ben: Bar­ba­ra Bor­chardt als Ver­fas­sungs­rich­te­rin“ weiterlesen

Zuviel Coun­terstrike gespielt?

Jedes Mal, wenn über den Mord­fall Lüb­cke berich­tet wird, taucht unwei­ger­lich das­sel­be Agen­tur­bild des Beschul­dig­ten samt zwei­er schwer bewaff­ne­ter Poli­zis­ten auf. Sach­li­che Grün­de für die­sen Auf­tritt sind schwer vor­stell­bar. Ist das nicht das Auf­tre­ten der Poli­zei, das sich Ter­ro­ris­ten immer wün­schen, die sich in einem ‚Krieg‘ gegen das ‚Sys­tem‘ sehen und nicht als arm­se­li­ge Gelegenheitsmörder?

Jedes­mal, wenn über den Mord­fall Lüb­cke berich­tet wird, taucht unwei­ger­lich das­sel­be Agen­tur­bild wie­der auf, hier in abge­schnit­te­ner Form auf Twit­ter und im ver­link­ten Arti­kel in vol­ler Größe.

Ich kann mir den Ver­dacht nicht ver­knei­fen, dass da jemand zuviel Coun­terstrike oder der­glei­chen gespielt hat. Ein SCAR wohl in Kali­ber 7,62 mm ist eine ziem­lich klo­bi­ge Waf­fe, mit der man auch auf Distanz Wir­kung ent­fal­ten kann, aber zum Her­um­tra­gen, wäh­rend man gera­de etwas ande­res macht, ist das ziem­lich viel Gewehr. „Zuviel Coun­terstrike gespielt?“ weiterlesen