In einem an seine Soldaten gerichtete und der Bild vorliegenden Brief schreibt der Kommandeur des Kommandos Spezialkräfte, General Kreitmayr:
Inmitten unserer Gemeinschaft befanden und befinden sich offensichtlich noch immer Individuen, die dem sogenannten rechten Spektrum zuzuordnen sind. […] Sie verdienen unsere Kameradschaft nicht! Sie gehören nicht zu uns! Sie sollten aus eigenem Antrieb unseren Verband und die Bundeswehr verlassen! Tun Sie es nicht, werden Sie feststellen, dass wir Sie finden und entfernen werden!
General Markus Kreitmayr, Brief an die Soldaten des KSK, 18. Mai 2020
Das ist kernig, und wenn man einmal den unbestimmten Begriff des „rechten Spektrums“ durch „Klassenfeind“ oder „Reaktion“ oder auch einfach durch das politisch neutrale „Schuft“ ersetzt, dann würde man diesen Tonfall eigentlich eher in zwei glücklicherweise untergegangenen deutschen Staaten als in der Bundesrepublik verorten.
Der Versuch, aktiv nach Falschdenkenden zu suchen, und sie „finden und entfernen“ zu wollen, die Vorstellung, dass falschdenkende Soldaten „unsere Kameradschaft nicht verdienen“, das hat etwas von der „Wehrunwürdigkeit“ der Nationalsozialisten oder der Paranoia der Tschekisten.
Das „rechte Spektrum“ als Feindbegriff ist dabei, ebenfalls eher in der Tradition totalitärer Systeme, extrem weit gefasst. Ursprünglich im Lateinischen mit Bedeutungen wie ‚Erscheinung‘ behaftet, bezeichnet der Begriff ‚Spektrum‘ heutezutage, abgeleitet vom Lichtspektrum, die Vielfältigkeit eines Phänomens. Wer beispielsweise vom ‚Autismus-Spektrum‘ redet, will damit gerade ausdrücken, dass das von einer ohne Hilfen perfekt funktionierenden Persönlichkeit, die sich eher zum Buchhalter oder Ingenieur als zum Verkäufer eignet, bis zu nicht erwerbsfähigen und auf ständige Hilfe angewiesenen Fällen gehen kann, die man die trotz ihrer Gemeinsamkeiten nicht alle in einen Topf werfen kann, und die auch nicht alle als krankhaft bewertet werden sollten. Der Begriff vom „rechten Spektrum“ beinhaltet jedenfalls gerade nicht konkrete Vorwürfe wie mangelnde Verfassungstreue oder gar politisch motivierte Straftaten, sondern beinhaltet eine Drohung gegenüber jedem, der sich nicht als ‚links‘ verortet.
Ein Problem in der Führungsebene
Ich kann mir den Verdacht nicht verkneifen, dass ein Problem mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung in der Führungsebene des KSK nicht unwahrscheinlicher ist, als bei den einfachen Soldaten, und in der Führungsebene ist es offensichtlich gefährlicher. Man stelle sich nur einmal vor, jemand hätte ein Dokument verfasst, dass Elemente aus dem „linken Spektrum unsere Kameradschaft nicht verdient haben“ und zu „finden und entfernen“ seien. Der gehörte in der Tat rausgeschmissen, auch wenn der Begriff „entfernen“ nicht unbedingt sein muss.
Ob dieses Problem den Einstellungen des Generals Kreitmayr entspricht, oder ob er unter politischem Druck sich durch radikale Formulierungen entlasten will, kann ich nicht beurteilen. So oder so, einem General unter politischem Druck steht im Gegensatz um einfachen Soldaten eher der versüßte vorzeitige Ruhestand offen, einem, der sich nicht mehr recht mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung identifizieren kann, auch. Das wäre, in Befolgung seines eigenen Ratschlags, vielleicht keine dumme Idee.
(In der Bild ist nur die erste Seite des Briefs abgedruckt, und ein Teil der von mir zitierten Formulierung nur als Zitat enthalten. Ich unterstelle, dass korrekt und dem Kontext angemessen zitiert wurde.)