Rechts­schutz­ver­si­che­rung für die bes­se­ren Krei­se: Mil­lio­nen­stra­fen eingeschlossen

Die Ver­fah­ren wegen Markt­ma­ni­pu­la­ti­on gegen die Chefs des Auf­sichts­rats und des Vor­stands von Volks­wa­gen wur­den gegen Zah­lung von vier­ein­halb Mil­lio­nen Euro pro Nase ein­ge­stellt. Volks­wa­gen über­nimmt die­se Auf­la­gen auch gleich noch. Das ist eine mil­lio­nen­schwe­re Gehalts­zu­la­ge wegen schwer­wie­gen­der Vor­wür­fe kri­mi­nel­ler Handlungen.

Die Chefs des Auf­sichts­rats und des Vor­stands von Volks­wa­gen, Hans Die­ter Pötsch und Her­bert Diess, haben mit der Staats­an­walt­schaft Braun­schweig eine Eini­gung zur Ein­stel­lung der Ver­fah­ren wegen Markt­ma­ni­pu­la­ti­on gegen sie gegen Zah­lung von vier­ein­halb Mil­lio­nen Euro pro Kopf erreicht. Der Kicker: Der Auf­sichts­rat hat beschlos­sen, dass die­se Geld­auf­la­gen vom Unter­neh­men bezahlt wer­den sollen.

Die­se Geld­auf­la­gen sind kei­ne Stra­fen gegen Volks­wa­gen und kein Scha­den­er­satz für Geschä­dig­te, wo man sich natür­lich sehr hohe Sum­men vor­stel­len kann. Sie sind Zah­lun­gen zunächst ein­mal die­ser bei­den Pri­vat­per­so­nen, und also sol­che sind sie auch für die Ver­hält­nis­se von unse­ren Sphä­ren ent­rück­ten Bes­ser­ver­die­nern exor­bi­tant hohe Beträ­ge. Es kann gut sein, dass jemand schlicht aus Zeit­grün­den einen Straf­zet­tel wegen Falsch­par­kens auch dann bezahlt, wenn er von sei­ner Unschuld über­zeugt ist. Aber vier­ein­halb Mil­lio­nen Euro pro Nase für die Ein­stel­lung eines Straf­ver­fah­rens? Das ist nicht nur eine Men­ge Geld, das ist ins­be­son­de­re auch ein Betrag, den der Nor­mal­ver­die­ner nur so ver­ste­hen kann, dass die bei­den von ihrer wei­ßen Wes­te nicht ganz über­zeugt sind. Selbst wenn rein finan­zi­ell die Zah­lung eines sol­chen Betrags güns­ti­ger sein mag als der Ärger eines Ver­fah­rens, das man gewin­nen könn­te, wür­de jemand, der Wert auf sei­nen Ruf als Ehren­mann legt, den kaum durch eine Eini­gung in die­ser Höhe versenken.

Erpres­sung Unschul­di­ger oder Frei­kauf Schuldiger?

Die­se Art von im Ver­gleich zu den finan­zi­el­len Mög­lich­kei­ten des Ange­klag­ten und bei Super­rei­chen dann auch in abso­lu­ten Zah­len exor­bi­tant hohen Geld­auf­la­gen zur Ver­fah­rens­ein­stel­lung scheint mir ohne­hin problematisch.

Ist der Ange­klag­te unschul­dig, dann wäre ein sol­ches Resul­tat nahe an der Erpres­sung – eigent­lich sogar noch schlim­mer, denn ande­re Erpres­ser haben nicht den Macht­ap­pa­rat der Straf­jus­tiz zur ihrer Dis­po­si­ti­on. Staats­an­walt­schaf­ten könn­ten durch die Mög­lich­keit die­ses Aus­gangs ver­sucht sein, Ver­fah­ren mit gerin­gen Aus­sich­ten wei­ter­zu­trei­ben, um durch eine sol­che Geld­auf­la­ge doch noch einen spek­ta­ku­lä­ren Erfolg vor­wei­sen zu kön­nen. Es soll im vor­lie­gen­den Fall auch erheb­li­che Zwei­fel gege­ben haben, ob es für einen Schuld­spruch rei­chen wür­de, so dass die­se Inter­pre­ta­ti­on kei­nes­wegs aus­zu­schlie­ßen ist.

Ist der Ange­klag­te hin­ge­gen schul­dig, dann scheint es mir pro­ble­ma­tisch, dass man sich von auf vier­ein­halb Mil­lio­nen Euro taxier­ten Vor­wür­fen frei­kau­fen kann. Was einen der­ar­ti­gen Betrag zur Ein­stel­lung wert ist, das soll­te auch eine Haupt­ver­hand­lung wert sein. Die Dimen­sio­nen eines Straf­zet­tels, bei dem das Auf­kla­mü­se­rn des Sach­ver­halts in kei­nem Ver­hält­nis zum Vor­wurf ste­hen mag, sind jeden­falls um Grö­ßen­ord­nun­gen über­schrit­ten. Jetzt ist bei hin­rei­chend unkla­ren Sach­ver­hal­ten oder unkla­rer Rechts­la­ge natür­lich kei­nes­wegs garan­tiert, dass eine Haupt­ver­hand­lung mit einem sau­be­ren schul­dig oder klar unschul­dig endet, aber den Ver­such soll­te es dem Recht­staat bei die­sen Dimen­sio­nen eigent­lich wert sein.

Eine Kas­sie­re­rin im Super­markt dürf­te unter ähn­li­chen Umstän­den erheb­li­che Schwie­rig­kei­ten haben, über­haupt in die­sem Feld wei­ter ihr Geld ver­die­nen zu können.

Den Vogel schießt aller­dings VW damit ab, die­se Auf­la­gen dann auch noch zu über­neh­men. Wenn die Ange­klag­ten Markt­ma­ni­pu­la­ti­on began­gen haben soll­ten, dann hät­ten sie ja Volks­wa­gen und sei­ne Aktio­nä­re (man­che davon, je nach Ein­stiegs­zeit­punkt) geschä­digt. Dass die­sel­ben Aktio­nä­re jetzt auch noch für die Ein­stel­lung der Straf­ver­fah­ren gegen die Ange­klag­ten zah­len sol­len, scheint mir nur schwer ver­mit­tel­bar. Eine Kas­sie­re­rin im Super­markt auf Min­dest­lohn dürf­te unter ähn­li­chen Umstän­den, sagen wir bei einer Ver­fah­rens­ein­stel­lung gegen Geld­auf­la­ge wegen Unter­schla­gung, erheb­li­che Schwie­rig­kei­ten haben, über­haupt in die­sem Feld wei­ter ihr Geld ver­die­nen zu kön­nen. Ist man aber der Chef, dann bekommt man die Auf­la­ge sogar noch erstat­tet. Im Grun­de ist das eine mil­lio­nen­schwe­re Gehalts­zu­la­ge wegen schwer­wie­gen­der Vor­wür­fe kri­mi­nel­ler Handlungen.

Recht­lich gese­hen, ist eine Auf­la­ge zur Ein­stel­lung kei­ne Stra­fe, auch in die­ser Höhe nicht. Lebens­prak­tisch gese­hen kann man die Zah­lung eines sol­chen Betrags aber nur als hin­ge­nom­me­ne Stra­fe inter­pre­tie­ren. Und wenn man in hin­rei­chend abge­ho­be­nen Sphä­ren schwebt, gibt es da offen­bar eine Voll­kas­ko-Recht­schutz­ver­si­che­rung, die gleich auch noch die Kon­se­quen­zen nicht aus­ge­räum­ter straf­recht­li­cher Vor­wür­fe abdeckt. Kann ich so etwas auch haben?