New York: Ver­bot von Wie­der­be­le­bungs­ver­su­chen aufgehoben

New York City hat eine am 31. März erlas­se­ne Vor­schrift auf­ge­ho­ben, Pati­en­ten mit Herz­still­stand, die nicht im Feld wie­der­be­lebt wer­den konn­ten, nicht in Not­auf­nah­men zu trans­por­tie­ren. Für einen Büro­kra­ten, der eine sol­che Vor­schrift im Vor­aus, ohne kon­kre­te Not und ohne den Men­schen in die Augen schau­en zu müs­sen, vom Schreib­tisch aus macht, ist mein Ver­ständ­nis gleich null.

New York City hat am 24. April eine am 31. März erlas­se­ne Vor­schrift auf­ge­ho­ben, Pati­en­ten mit Herz­still­stand, die nicht im Feld wie­der­be­lebt wer­den konn­ten, nicht in Not­auf­nah­men zu transportieren. 

Man muss dazu wis­sen, dass in Ame­ri­ka die Not­fall­ver­sor­gung etwas anders orga­ni­siert ist als in Deutsch­land. Anstel­le einer Ver­sor­gung durch Not­ärz­te vor Ort set­zen die Ame­ri­ka­ner mehr dar­auf, die Pati­en­ten so schnell wie mög­lich ein­zu­la­den und in eine Not­auf­nah­me zu ver­frach­ten, „New York: Ver­bot von Wie­der­be­le­bungs­ver­su­chen auf­ge­ho­ben“ weiterlesen

Vor­arl­berg: Schüs­se wegen „Coro­na-Sün­dern“

Am 20. März soll ein Poli­zist in Vor­arl­berg bei der Ver­fol­gung von spa­zie­ren­ge­hen­den „Coro­na-Sün­dern“ drei Schüs­se aus sei­ner Dienst­pis­to­le abge­ge­ben haben. Macht das Virus nicht nur in der Lun­ge krank, son­dern auch im Kopf?

Schon am 20. März soll ein Poli­zist in Vor­arl­berg bei der Ver­fol­gung von spa­zie­ren­ge­hen­den „Coro­na-Sün­dern“ drei Schüs­se aus sei­ner Dienst­pis­to­le abge­ge­ben haben. Laut Poli­zei habe es sich um „inter­ne Signal­schüs­se“ gehan­delt, um Ver­stär­kung anzu­for­dern. Was, bit­te­schön, ist denn ein „inter­ner Schuss“ sobald er die Mün­dung ver­las­sen hat?

Die Poli­zei erklär­te wei­ter, „die Schüs­se sei­en senk­recht in die Luft abge­ge­ben wor­den […]. Die Beschwer­de­füh­rer sei­en davon 300 bis 400 Meter weit ent­fernt gewe­sen und dadurch nicht gefähr­det wor­den.“ Bei den Ame­ri­ka­nern gibt es dazu ein Sprich­wort: „What goes up must come down.“ Abge­se­hen davon konn­ten die Beschul­dig­ten auf die­se Ent­fer­nung nicht erken­nen, dass senk­recht geschos­sen wur­de. Macht das Virus nicht nur in der Lun­ge krank, son­dern auch im Kopf, selbst bei gar nicht Infizierten?

Coro­na­vi­rus und Kli­ma als meta­phy­si­sche Erfahrungen

Ein Arti­kel im Spie­gel meint, dass wir Kli­ma und Pan­de­mien „geis­tig nicht wirk­lich fas­sen, son­dern nur in einem meta­phy­si­schen Sin­ne ergrün­den kön­nen.“ Sie wer­den zu Ersatz­re­li­gio­nen. Gott mag an Über­zeu­gungs­kraft ver­lie­ren, aber die Eife­rer blei­ben uns.

In einem ins­ge­samt etwas ver­schwur­bel­ten Arti­kel von Sami­ra El Ouas­sil im Spie­gel fin­det sich ein inter­es­san­ter Satz:

Das zwei­te Pro­blem liegt in der Natur der Pan­de­mie selbst, die ähn­lich wie der Kli­ma­wan­del unse­re Vor­stel­lun­gen von Raum und Zeit der­art über­steigt, dass wir sie geis­tig nicht wirk­lich fas­sen, son­dern nur in einem meta­phy­si­schen Sin­ne ergrün­den können.

Sami­ra El Ouas­sil, ‚Mit Geis­ter­de­bat­ten gegen das Virus‘, Spie­gel, 23.04.2020

Das ist über­ra­schend, denn Kli­ma und Epi­de­mien spie­len sich eigent­lich sehr wohl in den dem Men­schen intui­tiv zugäng­li­chen Kate­go­rien von Raum und Zeit ab. Sie erle­gen einem weder die Zumu­tun­gen der Phi­lo­so­phie noch die der moder­nen Phy­sik auf. „Coro­na­vi­rus und Kli­ma als meta­phy­si­sche Erfah­run­gen“ weiterlesen

Tsche­chi­en: Ein Experiment

Das gericht­li­che ange­ord­ne­te Ende der Aus­gangs­be­schrän­kun­gen in Tsche­chi­en ist zumin­dest aus Sicht des Erkennt­nis­ge­winns ein Glücksfall

Wer zu wirk­lich wich­ti­gen Pro­ble­men, von der Wirk­sam­keit von Medi­ka­men­ten gegen schwe­re Erkran­kun­gen bis hin zu gro­ßen volks­wirt­schaft­li­chen Ent­schei­dun­gen, belast­ba­re Evi­denz haben will steht oft vor einem Pro­blem: Der Gold­stan­dard wis­sen­schaft­li­cher Evi­denz, ein Expe­ri­ment, bei dem die Pro­ban­den zufäl­lig in Grup­pen auf­ge­teilt wer­den, die unter­schied­lich behan­delt wer­den, lässt sich oft aus recht­li­chen oder mora­li­schen Grün­den nicht durch­füh­ren. Im Fall der gegen­wär­ti­gen Covid-19-Kri­se wäre es aus Sicht der Erkennt­nis­ge­winns höchst inter­es­sant, mit dem Wür­fel eini­ge Län­der aus­zu­wäh­len, und die Kon­takt­be­schrän­kun­gen je nach Ergeb­nis zu lockern. Aus mora­li­scher und poli­ti­scher Sicht wäre es undenkbar.

Es ist daher zumin­dest aus Sicht des Erkennt­nis­ge­winns ein Glücks­fall, dass in der Tsche­chi­schen Repu­blik ein Gericht die gegen­wär­ti­gen Aus­gangs­be­schrän­kun­gen aus recht­li­chen Grün­den weit­ge­hend auf­ge­ho­ben hat, und die Regie­rung dem folgt. Die Aus­sa­ge­kraft wird dadurch begrenzt, dass es sich nur um ein Land han­delt, aber man darf gespannt sein, wie sich die Lage dort ent­wi­ckelt. Wenn nichts pas­siert wer­den sich ‚Öff­nungs­dis­kus­si­ons­or­gi­en‘ Home­ri­schen oder gar Merkel’schen Aus­ma­ßes in ähn­lich situ­ier­ten Staa­ten wohl deut­lich weni­ger ein­fach im Griff der Poli­tik hal­ten las­sen. Wenn die Fall- und ins­be­son­de­re die Opfer­zah­len einen har­ten Knick nach oben machen, dürf­te das Gegen­teil eintreten. 

Das ‚Gefühl fal­scher Sicherheit‘

Welt­ärz­te­prä­si­dent Mont­go­me­ry hat sich in eine lan­ge Rei­he von Behaup­tun­gen ein­ge­reiht, Schutz­mas­ken böten ein Gefühl fal­scher Sicher­heit. Sol­che Behaup­tun­gen wer­den auch auf ande­ren Gebie­ten regel­mä­ßig von Leu­ten gemacht, wel­che die­sel­ben Schutz­vor­keh­run­gen für sich sel­ber in Anspruch neh­men. Das ‚Gefühl fal­scher Sicher­heit‘ betrifft immer nur den Normalbürger.

Welt­ärz­te­pä­si­dent (ein ziem­lich anspruchs­vol­ler Titel übri­gens) Frank Ulrich Mont­go­me­ry nann­te die Pflicht zum Tra­gen von Mas­ken als Infek­ti­ons­schutz in einem Inter­view mit der Rhei­ni­schen Post „lächer­lich“. Sie gebe, auch wenn er den Begriff so nicht benutzt hat, das berühm­te Gefühl ‚fal­scher Sicher­heit‘: „Wer eine Mas­ke trägt, wähnt sich sicher, er ver­gisst den allein ent­schei­den­den Min­dest­ab­stand.“ Erstaun­lich dabei fin­de ich, dass Argu­men­te gegen Sicher­heits­vor­keh­run­gen mit einem ‚Gefühl fal­scher Sicher­heit‘ fast immer von Leu­ten vor­ge­bracht wer­den, wel­che die­se Sicher­heits­vor­keh­run­gen sel­ber für sich nut­zen. Auch Dr. Mont­go­me­ry ist da kei­ne Aus­nah­me. „Das ‚Gefühl fal­scher Sicher­heit‘“ weiterlesen

Kret­sch­mann und die Maske

Auf Twit­ter geht ein Bild von Minis­ter­prä­si­dent Kret­sch­mann mit einer etwas unkon­ven­tio­nell getra­ge­nen Mas­ke um. Ich ken­ne den Kon­text nicht; ins­be­son­de­re könn­te es natür­lich sein, dass die Sze­ne geschnit­ten ist und er unmit­tel­bar danach die Mas­ke zurecht­ge­rückt hat. Es könn­te aber auch sein, dass er den Laschet gibt. Soll­te letz­te­res der Fall sein, wären das kei­ne guten Vor­aus­set­zun­gen um die Bür­ger davon zu über­zeu­gen, dass Mas­ken sinn­voll sei­en und/oder die Poli­ti­ker irgend­wie wüss­ten, was sie tun, und sei es auf dem Niveau eines Schrei­ners oder eines Lackie­rers oder einer Zahn­arzt­hel­fe­rin, die auch ohne Stu­di­um eine Staub­mas­ke zu tra­gen wissen.

Kli­ni­kum Ful­da: Erst 1% der Beleg­schaft mit CoV-Antikörpern

Ein Coro­na­vi­rus-Mas­sen­test am Kli­ni­kum Ful­da brach­te ein wesent­lich gerin­ge­res Ergeb­nis als man aus eini­gen ande­ren Stu­di­en an ande­ren Orten erwar­tet hät­te. Damit bleibt das Rät­sel um die tat­säch­li­che Durch­seu­chung der Bevöl­ke­rung und um die Sterb­lich­keit bestehen. Es geht nicht an, dass wir sol­che Zah­len vor­wie­gend von ganz und gar unty­pi­schen Orten bekom­men, aber nicht aus reprä­sen­ta­ti­ven Stich­pro­ben von Frank­furt oder Buxtehude.

Am Kli­ni­kum Ful­da wur­den 1800 Beschäf­tig­te auf Anti­kör­per gegen das neu­ar­ti­ge Coro­na­vi­rus getes­tet, davon nur über­ra­schen­de 18, also genau 1%, posi­tiv. Dies ist ein wesent­lich gerin­ge­res Ergeb­nis als man aus eini­gen ande­ren Stu­di­en an ande­ren Orten erwar­tet hät­te (New York, Flücht­lings­un­ter­kunft Ell­wan­gen, ame­ri­ka­ni­sche und fran­zö­si­sche Flug­zeug­trä­ger, San­ta Cla­ra Coun­ty, Los Ange­les Coun­ty). Die Blut­ent­nah­men waren Mit­te April. Die 1% lie­gen inner­halb einer (in der Zei­tungs­nach­richt nicht genau­er als Sen­si­ti­vi­tät oder Spe­zi­fi­tät defi­nier­ten) „Feh­ler­quo­te“. „Kli­ni­kum Ful­da: Erst 1% der Beleg­schaft mit CoV-Anti­kör­pern“ weiterlesen

Los Ange­les Coun­ty: Coro­na-Dun­kel­zif­fer auf Fak­tor 55 geschätzt

Eine Stu­die aus Los Ange­les Coun­ty schätzt die dor­ti­ge Dun­kel­zif­fer von SARS-CoV‑2 Infek­tio­nen auf der 55-fache der bekann­ten Fäl­le. Die Durch­seu­chung der Bevöl­ke­rung wäre damit aber immer noch gering, was ein Pro­blem aufwirft.

Eine Stu­die aus Los Ange­les Coun­ty schätzt die dor­ti­ge Dun­kel­zif­fer von SARS-CoV‑2 Infek­tio­nen auf das 55-fache der bekann­ten Fäl­le. Das deckt sich unge­fähr mit Ergeb­nis­sen wei­ter im Nor­den von Kali­for­ni­en. Aller­dings waren das zum betrach­te­ten Zeit­punkt Anfang April immer noch nur 4% der Bevöl­ke­rung. Ange­nom­men, die Zah­len der Stu­die sei­en kor­rekt, hat man damit nun ein Problem:

Einer­seits ist die Seu­che immer noch im Anfangs­sta­di­um, und bis zum Errei­chen der Her­den­im­mu­ni­tät müss­ten noch rund fünf­zehn­mal so vie­le Men­schen infi­ziert wer­den als es bereits waren. „Los Ange­les Coun­ty: Coro­­na-Dun­kel­­zif­­fer auf Fak­tor 55 geschätzt“ weiterlesen

Die Eitel­keit der Viro­lo­gen: Fran­zö­si­sche Ausgabe

Bei Chlo­ro­quin gegen Coro­na­vi­ren ist die Preis­fra­ge, ob die Dosis, die gegen das Virus wirkt, gerin­ger oder höher ist als die Dosis, die gegen den Men­schen wirkt. Ein fran­zö­si­scher Viro­lo­ge fin­det das „unver­ständ­lich“.

In Frank­reich reha­bi­li­tiert sich offen­bar der Ruf des vor­her vom Estab­lish­ment geschmäh­ten Viro­lo­gen Didier Raoult. Zu den per­sön­li­chen Feind­schaf­ten zwi­schen Ärz­ten kann und will ich nichts sagen. Inter­es­sant fin­de ich aller­dings die Aus­sa­ge zu Chlo­ro­quin, es sei „unver­ständ­lich, dass jetzt über mög­li­che Neben­wir­kun­gen des Mala­ria-Medi­ka­ments dis­ku­tiert wer­de, das in Frank­reich seit Jahr­zehn­ten kom­mer­zia­li­siert wird. Es han­de­le sich um ein zuge­las­se­nes Medikament.“

Nun hat aber jeden­falls laut Wiki­pe­dia Chlo­ro­quin bei der Anwen­dung gegen die Mala­ria eine nur gerin­ge the­ra­peu­ti­sche Brei­te; das drei­fa­che der übli­chen Dosis kann bereits töd­lich sein. Die Fra­ge, ob die Dosis, die gegen das Virus wirkt, gerin­ger oder höher ist als die Dosis, die gegen den Men­schen wirkt, ist da eigent­lich nicht ‚unver­ständ­lich‘, son­dern die Preis­fra­ge. Wol­len wir hof­fen, dass ihre Ant­wort zuguns­ten des Men­schen aus­geht. Schön wäre jeden­falls in der Medi­zin wie in der Poli­tik eine Rück­kehr von Dis­kus­si­ons­ver­bo­ten zur Neugier.

Der 20. April und der 9. November

„Unver­schämt­heit“, „anma­ßend“ und „Mut­ter aller Alb­träu­me“: Schlech­te Kri­ti­ken für Mer­kels Diskussionsverbot

Eigent­lich woll­te ich natür­lich Ange­la Mer­kels War­nung vor „Öff­nungs­dis­kus­si­ons­or­gi­en“, also vor der poli­ti­schen Dis­kus­si­on eines Pro­blems, das sowohl Men­schen­le­ben als auch wirt­schaft­li­che und sozia­le Exis­ten­zen kos­tet, the­ma­ti­sie­ren. Ich kann mir das aber spa­ren nach­dem sogar die Tages­schau Mer­kels For­de­rung als „Unver­schämt­heit“ und „anma­ßend“ bezeich­net. Die FAZ ver­wen­det den zwei­deu­ti­gen Titel „Die Mut­ter aller Alb­träu­me“* für einen Arti­kel, in dem der ers­te Satz von der ‚Mut­ti‘ han­delt und der Begriff erst spä­ter auf eine zwei­te Epi­de­mie­wel­le bezo­gen wird. Der Respekt der ihr bis­wei­len schon gera­de­zu höri­gen Leit­me­di­en für die Kanz­le­rin und ihren Füh­rungs­stil beginnt zu bröckeln.

* Neben­bei bemerkt: Die Schrei­bung ‚Alb­traum‘ scheint mir ein wenig geglück­ter Aspekt der Recht­schreib­re­form zu sein. Das erin­nert mich an einen Traum von Wan­de­run­gen auf der Schwä­bi­schen Alb.