Das ‚Gefühl fal­scher Sicherheit‘

Welt­ärz­te­prä­si­dent Mont­go­me­ry hat sich in eine lan­ge Rei­he von Behaup­tun­gen ein­ge­reiht, Schutz­mas­ken böten ein Gefühl fal­scher Sicher­heit. Sol­che Behaup­tun­gen wer­den auch auf ande­ren Gebie­ten regel­mä­ßig von Leu­ten gemacht, wel­che die­sel­ben Schutz­vor­keh­run­gen für sich sel­ber in Anspruch neh­men. Das ‚Gefühl fal­scher Sicher­heit‘ betrifft immer nur den Normalbürger.

Welt­ärz­te­pä­si­dent (ein ziem­lich anspruchs­vol­ler Titel übri­gens) Frank Ulrich Mont­go­me­ry nann­te die Pflicht zum Tra­gen von Mas­ken als Infek­ti­ons­schutz in einem Inter­view mit der Rhei­ni­schen Post „lächer­lich“. Sie gebe, auch wenn er den Begriff so nicht benutzt hat, das berühm­te Gefühl ‚fal­scher Sicher­heit‘: „Wer eine Mas­ke trägt, wähnt sich sicher, er ver­gisst den allein ent­schei­den­den Min­dest­ab­stand.“ Erstaun­lich dabei fin­de ich, dass Argu­men­te gegen Sicher­heits­vor­keh­run­gen mit einem ‚Gefühl fal­scher Sicher­heit‘ fast immer von Leu­ten vor­ge­bracht wer­den, wel­che die­se Sicher­heits­vor­keh­run­gen sel­ber für sich nut­zen. Auch Dr. Mont­go­me­ry ist da kei­ne Ausnahme.

Wenn die Rück­hal­te­wir­kung z.B. drei Vier­tel des Mate­ri­als wäre, wür­de die kon­se­quen­te Ver­wen­dung sol­cher Mas­ken aus­rei­chen, um für sich ein Wachs­tum der Zahl der Infi­zier­ten zu verhindern

Zur Wir­kung von ‚All­tags­mas­ken‘ auf die Anste­ckungs­ge­fahr lie­gen mei­nes Wis­sens kei­ne belast­ba­ren Stu­di­en vor. Man soll­te aller­dings mei­nen, dass die Anste­ckungs­ge­fahr von der Anzahl auf­ge­nom­me­ner Viren abhängt. Wenn die­se jetzt vor­wie­gend durch Tröpf­chen über­tra­gen wer­den, dann kann man als ers­te Annä­he­rung eine Schutz­wir­kung anset­zen, die pro­por­tio­nal zur Rück­hal­te­wir­kung ist. Eine gewis­se Rück­hal­te­wir­kung für Tröpf­chen hat eine Stoff­mas­ke offen­bar, wie man leicht mit einem Was­ser­ne­bel aus der Sprüh­pis­to­le aus­pro­bie­ren kann.

Wenn die­se Rück­hal­te­wir­kung z.B. drei Vier­tel des Mate­ri­als wäre, dann wäre das für eine Mas­ke zum Arbeits­schutz abso­lut inak­zep­ta­bel, aber die kon­se­quen­te Ver­wen­dung sol­cher Mas­ken wür­de bei einer ange­nom­me­nen Basis­re­pro­duk­ti­ons­zahl des Virus von 3 aus­rei­chen, um für sich ein Wachs­tum der Zahl der Infi­zier­ten zu ver­hin­dern. Das hört sich zunächst ein­mal doch bes­ser als nichts an. (Für sich allei­ne ist die wirk­lich kon­se­quen­te Ver­wen­dung natür­lich nicht rea­lis­tisch, denn das schlös­se z.B. auch inner­halb des Haus­halts ein, aber das Argu­ment bleibt bestehen.) Auch Herr Mont­go­me­ry scheint nicht argu­men­tiert zu haben, dass impro­vi­sier­te Mas­ken kei­ner­lei Rück­hal­te­funk­ti­on hät­ten. Und Mas­ken über­haupt hält er sehr wohl für wirk­sam, aber man brau­che sie „für das medi­zi­ni­sche Per­so­nal, für Pfle­gen­de und Gefähr­de­te“, also zuvör­derst für Men­schen wie ihn selbst.

Es ist dann auch nicht der Man­gel an Wir­kung Herr Mont­go­me­rys Haupt­ar­gu­ment, son­dern eben das berühm­te ‚Gefühl fal­scher Sicher­heit‘. Das­sel­be Argu­ment wur­de auch schon im Janu­ar von der Welt­ge­sund­heits­or­ga­ni­sa­ti­on vor­ge­bracht und spä­ter von den Regie­run­gen der Natio­nal­staa­ten. Im Fal­le Frank­reichs muss­te die sel­be Regie­rung dann klein­laut zuge­ben, dass dies eine Falsch­aus­sa­ge war, um einen Ansturm auf Mas­ken zu ver­hin­dern. Bei den ande­ren Regie­run­gen wird es nicht anders aus­se­hen: ent­we­der wur­de der WHO nach­ge­plap­pert oder es wur­de sogar bewusst gelo­gen, aber eine evi­denz­ba­sier­te Prü­fung fand offen­bar bis zum heu­ti­gen Tag nicht statt, so dass man sich bis dahin wohl am bes­ten auf die oben genann­te Über­schlags­rech­nung verlässt.

„Sol­che Waf­fen ver­mit­teln nur eine Scheinsicherheit“

Mich erin­nert die Rede­fi­gur des ‚Gefühls der fal­schen Sicher­heit‘ an die ewi­ge Wie­der­kehr die­ser For­mu­lie­rung beim Tra­gen von Waf­fen zum Selbst­schutz. Bei der Ein­füh­rung des eher lächer­li­chen klei­nen Waf­fen­scheins zum Tra­gen von Reiz­gas­pis­to­len z.B. ver­kün­de­te eine Minis­te­ri­ums­spre­che­rin gleich­zei­tig „Sol­che Waf­fen ver­mit­teln nur eine Schein­si­cher­heit“ und in einem gewis­sen Wider­spruch dazu „Das sind kei­ne Spiel­zeu­ge.“ Zu Pfef­fer­spray mein­te die Poli­zei­ge­werk­schaft „Pfef­fer­sprays geben nur ein fal­sches Gefühl der Sicher­heit.“ Ähn­li­che Bei­spie­le las­sen sich zuhauf fin­den, immer mit dem ‚Gefühl der fal­schen Sicher­heit‘. Zu Feu­er­waf­fen müs­sen sich die Ame­ri­ka­ner von den Bri­ten beleh­ren las­sen, dass sie „nur eine Illu­si­on von Stär­ke und Sicher­heit“ böten. (Von Gas­pis­to­len wür­de ich Ihnen aber wegen des schlech­ten Ver­hält­nis­ses von Klo­big­keit zu Wir­kung eher abra­ten – mit einem Tierabwehr’spray‘, das kein Spray son­dern einen Strahl macht, sind sie bes­ser dran, aber üben Sie auch damit. Es gibt dazu Inertsprays.)

Das ‚Gefühl fal­scher Sicher­heit‘ betrifft immer nur den Normalbürger

Erstaun­lich an die­ser Sache ist nun, dass das Gefühl der fal­schen Sicher­heit immer nur den Nor­mal­bür­ger betref­fen soll. Kein Poli­ti­ker, und schon gar kein ‚Sicher­heits­po­li­ti­ker‘ hat je auf Per­so­nen­schutz, per­sön­li­che Bewaff­nung oder bei­des ver­zich­tet, weil er im ‚Gefühl fal­scher Sicher­heit‘ über­höh­te Risi­ken ein­ge­hen wür­de. Die Poli­zei­ge­werk­schaft hat nie die Abschaf­fung von Dienst­waf­fen gefor­dert, weil damit Poli­zis­ten im ‚Gefühl fal­scher Sicher­heit‘ dum­me Ent­schei­dun­gen tref­fen wür­den. Und, ich kann es ihnen aus der Erfah­rung zahl­rei­cher Wett­be­wer­be ver­si­chern: Eine Poli­zei­uni­form ver­leiht genau­so wenig die Gabe, mit einer Pis­to­le wirk­sa­mer umge­hen zu kön­nen als ein flei­ßig üben­der Nor­mal­bür­ger, wie eine Mili­tär­uni­form oder gar Kampf­erfah­rung als Infan­te­rist das in Bezug auf ein Gewehr tut. Die Übung macht den Meis­ter, zusam­men mit etwas Talent, aber die Uni­form tut das ein­deu­tig nicht.

Nein, das ‚Gefühl fal­scher Sicher­heit‘ betrifft immer nur den Nor­mal­bür­ger. Und jetzt sind es die Mas­ken, die ein ‚Gefühl fal­scher Sicher­heit‘ böten. Mer­ken Sie etwas?