Coro­na­vi­rus: Die Stra­te­gien gehen aus

Die Regie­rung schei­tert an der Umset­zung der „Tes­ten, Tes­ten, Testen“-Strategie zum Umgang mit dem neu­ar­ti­gen Coro­na­vi­rus. Damit gehen ihr so lang­sam die Stra­te­gien aus. Schlimms­ten­falls bekom­men wir das Schlech­tes­te aller Strategien.

Alex­an­der Kekulé hat einen Bei­trag in der Zeit, in dem er erheb­li­che Bauch­schmer­zen bezüg­lich einer raschen Öff­nung der Gesell­schaft äußert, gleich­zei­tig aber deren Not­wen­dig­keit aner­kennt, und als Weg dazu die inten­si­ve Rück­ver­fol­gung von Infek­ti­ons­ket­ten emp­fiehlt. An der scheint die Regie­rung aber zu schei­tern. Damit gehen so lang­sam die plau­si­blen Stra­te­gien aus.

Ohne jedes Ver­ständ­nis für die Implikationen

Am Anfang wur­de das Hash­tag #Flat­ten­The­Cur­ve gedro­schen, samt der zuge­hö­ri­gen Gra­phik, aber ohne jedes Ver­ständ­nis für die Impli­ka­tio­nen. Mit­te März war die Ansa­ge der Bun­des­kanz­le­rin „60 bis 70 Pro­zent in Deutsch­land wer­den sich infi­zie­ren“, und es ging dar­um, das über einen Zeit­raum zu stre­cken, so dass die Inten­siv­me­di­zin nicht zusam­men­bre­chen wer­de. Das ist offen­bar mit wei­ter Über­erfül­lung des Plan­solls gelun­gen, und die Kran­ken­häu­ser sind leer statt über­füllt, samt der Kon­se­quen­zen von ver­scho­be­nen Behand­lun­gen ande­rer Erkrankungen.

Im April hat die Her­de dann kehrt­ge­macht, und nun war jeder, der die Ter­mi­ni ‚Durch­seu­chung‘, ‚Her­den­im­mu­ni­tät‘ oder ‚Dun­kel­zif­fer‘ in den Mund nahm ein Unmensch. ‚Dicht­ma­chen‘ hieß die Paro­le. Das kann man aber nicht auf Dauer.

„Tes­ten, Tes­ten, Testen!“

Damit blieb als Ansa­ge „Tes­ten, Tes­ten, Tes­ten!“ Gestei­ger­te Test­kap­zi­tä­ten soll­ten geschaf­fen und genutzt wer­den, und eine ‚Coro­na-App‘ soll­te Kon­tak­te ver­fol­gen, um so Kon­takt­per­so­nen von posi­tiv Getes­te­ten zum Test schi­cken zu kön­nen. Die Test­kap­zi­tä­ten sind jetzt geschaf­fen, wer­den aber nicht genutzt, mit zehn- oder hun­dert­tau­sen­den unge­nutz­ter Tests pro Tag. Die App soll­te Mit­te April fer­tig sein, wur­de dann aber Ende April an ein Kon­sor­ti­um aus zwei Fir­men gege­ben, zu denen Soft­ware­pro­jek­te zum Ster­ben gehen. Die Tests wer­den also nicht genutzt, und die App wur­de effek­tiv auf­ge­ge­ben, der­weil sich der Ethik­rat mit den kom­ple­xen ethisch-mora­li­schen Impli­ka­tio­nen eines Immu­ni­täts­aus­wei­ses beschäftigt. 

Um über­haupt die Umsetz­bar­keit der Stra­te­gie „Tes­ten, Tes­ten, Tes­ten!“ oder ‚S.M.A.R.T.‘, wie Herr Kekulé eine Vari­an­te der Idee zu nen­nen beliebt, abschät­zen zu kön­nen, wäre jede Infor­ma­ti­on über die Dun­kel­zif­fer der Infi­zier­ten extrem wich­tig. Die räum­lich begrenz­ten Stu­di­en gehen von viel­leicht Fak­tor drei bis zu mehr als Fak­tor 50 im Ver­gleich zu posi­tiv Getes­te­ten. Am Anfang war es ver­ständ­lich, Tests für aku­ten Bedarf und nicht für epi­de­mio­lo­gi­sche Stu­di­en zu ver­wen­den, aber nach­dem nun mas­sen­haft unge­nutz­te Test­ka­pa­zi­tät exis­tiert, zieht die­ses Argu­ment nicht mehr. Das Pro­blem scheint wirk­lich zu sein, dass die Dun­kel­zif­fer vom Begin der Kri­se an zum Unthe­ma erklärt wur­de.

Damit muss man so lang­sam die „Tes­ten, Tes­ten, Tes­ten“ Stra­te­gie als geschei­tert anse­hen. Wir bekom­men unter der gegen­wär­ti­gen poli­ti­schen Füh­rung die Tests nicht genutzt, die App nicht ent­wi­ckelt, und haben man­gels epi­de­mio­lo­gi­schen Erkennt­nis­in­ter­es­ses noch nicht eimal die Infor­ma­tio­nen, um zu ent­schei­den, ob die­se Stra­te­gie viel­ver­spre­chend wäre – bei Dun­kel­zif­fer Fak­tor 3 wäre sie das offen­sicht­lich mehr als bei Fak­tor 50. Viel­leicht wür­de „Tes­ten, Tes­ten, Tes­ten“ fuk­tio­nie­ren, viel­leicht nicht, aber sie bekom­men es nicht auf die Reihe.

Das Schlech­tes­te aller Strategien

Wenn ande­re Stra­te­gien geschei­tert sind, dann bleibt irgend­wann nur noch „Durch­lau­fen las­sen“ und „Dabeim­blei­ben bis zur Ver­füg­bar­keit eines Impf­stoffs oder eines Wun­der­me­di­ka­ments“. Man kann sich, es tut mir leid, es so sagen zu müs­sen, dem Ein­druck nicht ent­zie­hen, dass die Bun­des­re­gie­rung weder die Kon­se­quen­zen alter­na­ti­ver Stra­te­gien über­blickt noch in der Lage ist, beschlos­se­ne Stra­te­gien umzu­set­zen. Sie lässt sich trei­ben und denkt mehr über das rich­ti­ge Framing als über die Situa­ti­on und die Stra­te­gie nach.

Schlimms­ten­falls bekom­men wir das Schlech­tes­te aller Stra­te­gien: Irgend­wann lässt sich der Deckel nicht mehr drauf­hal­ten, War­ten bis zum Impf­stoff ist irgend­wann nicht mehr durch­setz­bar, und wir bekom­men die Anzahl von Toten, die wir auch mit einer mode­ra­ten Vari­an­te von #Flat­ten­The­Cur­ve ohne gro­ßen Zwang bekom­men hät­ten, und dazu den Ver­lust der ent­gan­ge­nen Wirt­schafts­leis­tung und der ent­gan­ge­nen Frei­heit bis dahin.