Framing statt Stra­te­gie: ‚Wie wir COVID-19 unter Kon­trol­le bekommen‘

Eine kri­ti­sche Aus­ein­an­der­set­zung mit dem ver­trau­li­chen Covid-Stra­te­gie­pa­pier der Bun­des­re­gie­rung: Das völ­li­ge Des­in­ter­es­se der Autoren an einer Abschät­zung der Zuver­läs­sig­keit ihres Modells ist über­ra­schend. Sie unter­stel­len den Deut­schen, dass „sich vie­le dann unbe­wusst und unein­ge­stan­den den­ken: ‚Naja, so wer­den wir die Alten los, und mit ein biss­chen Glück erbe ich schon ein biss­chen frü­her‘.“ Die Wahr­heit und Klar­heit des Gesag­ten schafft Ver­trau­en und Koope­ra­ti­on; Framing tut das nicht. 

Am 1. April hat Frag­Den­Staat ein angeb­li­ches Stra­te­gie­pa­pier des Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­ums ‚Wie wir COVID-19 unter Kon­trol­le bekom­men‘ ver­öf­fent­licht. Es wur­de offen­bar durch­ge­sto­chen, jeden­falls nicht offi­zi­ell her­aus­ge­ge­ben. Die FAZ betrach­tet das Papier offen­bar als echt, die NZZ, die Süd­deut­sche und der Focus auch. Wir wol­len daher die Echt­heit eben­falls unter­stel­len und das Fol­gen­de unter ihrer Vor­aus­set­zung schrei­ben. Wei­ter­hin wol­len wir unter­stel­len, dass das Papier, wie von der FAZ berich­tet, vom 19. bis zum 22. April von einer Exper­ten­grup­pe unter Staats­se­kre­tär Mar­kus Ker­ber im Bun­des­mi­nis­te­ri­um des Inne­ren erstellt wur­de. Unter die­sen Vor­aus­set­zun­gen ist das Stra­te­gie­pa­pier ein Doku­ment der gefähr­li­chen Ten­denz unse­rer Zeit, auf eine Stra­te­gie­ent­wick­lung bezüg­lich eines Pro­blems zuguns­ten von Über­le­gun­gen des Framings weit­ge­hend zu ver­zich­ten. Das Virus wird sich vom Framing aber nicht beein­dru­cken lassen.

Bevor Sie hier wei­ter­le­sen, möch­te ich Ihnen vor­schla­gen, das Papier des Innen­mi­nis­te­ri­ums sel­ber zu lesen. Mir jeden­falls erschien es so unglaub­lich, dass ich zunächst von einer Fäl­schung aus dem Ver­schwö­rungs­theo­re­ti­ker-Milieu aus­ge­gan­gen bin. Es soll aber echt sein. Soll­te sich die­se Annah­me als falsch her­aus­stel­len, dann wären die fol­gen­de kri­ti­sche Aus­ein­an­der­set­zung mit dem Papier natür­lich gegen­stands­los. Danach sieht es aber zur­zeit nicht aus.

„Die Kennt­nis­nah­me durch Unbe­fug­te kann für die Inter­es­sen der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land oder eines ihrer Län­der nach­tei­lig sein“

Die über­ra­schends­ten und bedenk­lichs­ten Tei­le die­ses Doku­ments fin­den sich in der ers­ten und in den letz­ten Zeilen.

Die Kopf­zei­le ist ein­fach, aber über­ra­schend: „VS-NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH“ wird das Doku­ment da ein­ge­stuft. Laut §4 der Sicher­heits­über­prü­fungs­ge­set­zes hat die­se Ein­stu­fung in den nied­rigs­ten Geheim­hal­tungs­grad zu erfol­gen, „wenn die Kennt­nis­nah­me durch Unbe­fug­te für die Inter­es­sen der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land oder eines ihrer Län­der nach­tei­lig sein kann.“ 

Da fragt man sich nun doch, wie das bei einer Stra­te­gie zur Bekämp­fung einer Seu­che der Fall sein kann. Bei mili­tä­ri­schen Pla­nun­gen ist Geheim­hal­tung erfor­der­lich, damit der Geg­ner sie nicht lesen und sei­ne Stra­te­gien ent­spre­chend abän­dern kann. Das neu­ar­ti­ge Coro­na­vi­rus wird aber kaum zu Lesen in der Lage sein, so dass die­se Moti­va­ti­on aus­schei­det. Auch erscheint es nicht plau­si­bel, dass ande­re Län­der nicht von der deut­schen Stra­te­gie ler­nen sol­len. Die ‚Inter­es­sen der Bun­des­re­pu­blik‘ müs­sen also wohl dadurch berührt wer­den, dass die deut­schen Bür­ger sel­ber erfah­ren, wie ihre Regie­rung die Lage ein­schätzt, und was sie zu tun oder nicht zu tun gedenkt, oder auch ein­fach, dass der Kai­ser nackt sei und eine Stra­te­gie nicht exis­tie­re. Ein­schrän­kun­gen der Bür­ger­rech­te in einem Aus­maß, wie sie den Deut­schen der­zeit zuge­mu­tet wer­den, kön­nen aber nicht durch Herr­schaft­sar­ka­na gerecht­fer­tigt wer­den, son­dern nur durch Wahr­heit und Klar­heit über die damit ver­folg­te Stra­te­gie. Wer die als den Inter­es­sen der Bun­des­re­pu­blik nach­tei­lig ein­stuft, muss mit dem Ver­dacht leben, dass er etwas zu ver­ber­gen hat, noch bevor die ers­te eigent­li­che Text­zei­le gele­sen ist.

Eine neue Bezie­hung zwi­schen Gesell­schaft und Staat

Genau­so über­ra­schend wie schon die Kopf­zei­le ist der letz­te Absatz, wor­in es heißt: „Nur mit gesell­schaft­li­chem Zusam­men­halt und gemein­sam distan­ziert von­ein­an­der kann die­se Kri­se nicht nur mit nicht all­zu gros­sem Scha­den über­stan­den wer­den, son­dern auch zukunfts­wei­send sein für eine neue Bezie­hung zwi­schen Gesell­schaft und Staat.“

Wie soll man das ver­ste­hen? Die Maß­nah­men zur Bekämp­fung der Seu­che sol­len für eine grund­sätz­lich neue Bezie­hung zwi­schen Gesell­schaft und Staat den Weg wei­sen? Wie das genau aus­se­hen soll, wird nicht beschrie­ben, aber wenn die noch zu beleuch­ten­de Mischung aus Set­zung von Maxi­mal­sze­na­ri­en und deren Bekämp­fung durch Ein­schrän­kun­gen der bür­ger­li­chen Frei­heit und staat­lich gelenk­te Mas­sen­kom­mu­nik­ti­on nicht die Aus­nah­me­re­ak­ti­on auf eine Seu­che son­dern neue Nor­ma­li­tät wer­den soll, dann ist das kei­ne gute Perspektive.

Von der Funk­ti­on des Dik­ta­tors in der römi­schen Repu­blik bis zu den libe­rals­ten moder­nen Demo­kra­tien erhält die Exe­ku­ti­ve in Kri­sen­zei­ten einen Ver­trau­ens­vor­schuss, der auch in Kauf nimmt, dass nor­ma­le Gren­zen ihrer Befug­nis­se hier und da über­schrit­ten wer­den und das dann spä­ter geklärt wird. Hel­mut Schmidt hat in der Ham­bur­ger Sturm­flut von 1962 eine Kar­rie­re dar­auf auf­ge­baut. Die­ser Ver­trau­ens­vor­schuss setzt aller­dings vor­aus, schon beim römi­schen Dik­ta­tor, dass nach der Erle­di­gung der Kri­se wie­der zur Nor­ma­li­tät zurück­ge­kehrt wird und die Aus­nah­me­macht wie­der dem regu­lä­ren Ver­fas­sungs­le­ben weicht. Die Eta­blie­rung einer „neu­en Bezie­hung zwi­schen Bür­ger und Staat“ ist genau das, was dem römi­schen Dik­ta­tor ver­bo­ten war und ihn zum Dik­ta­tor im moder­nen Wort­sinn machen würde.

Abkehr von „Stan­dard­prak­ti­ken“

Begehr­lich­kei­ten für den Auf­bau einer sol­chen „neu­en Bezie­hung zwi­schen Bür­ger und Staat“ gibt es ja weiß Gott genug, an wirk­li­chen oder angeb­li­chen Kri­sen, die man mit Dras­tika außer­halb des nor­ma­len Ver­fas­sungs­le­bens behan­deln könn­te, ist kein Man­gel, und Begehr­lich­kei­ten in die­se Rich­tung wer­den schon laut, bevor wir auch nur die Covid-Fall­zah­len annä­hernd im Griff haben. Hans Joa­chim Schellnhu­ber hat schon in einem Inter­view mit der Frank­fur­ter Rund­schau sei­ne ent­spre­chen­den Ansprü­che für die ‚Kli­ma­kri­se‘ ange­mel­det: „Beim mensch­ge­mach­ten Kli­ma­wan­del droht eben­falls ein Ver­lauf, der sich mit den Stan­dard­prak­ti­ken des poli­ti­schen Geschäfts nicht mehr beherr­schen lässt.“ Genau die­se Abkehr von den „Stan­dard­prak­ti­ken“ einer frei­heit­lich-demo­kra­ti­schen Gesell­schaft aber ist das, was nicht zum Nor­mal­fall wer­den darf, und erst recht nicht für ein Pro­blem wie das Kli­ma, das schon prin­zi­pi­ell nicht kurz­fris­tig über­wun­den wer­den kann.

Ich will in die Ein­stu­fung als Ver­schluss­sa­che und die Hoff­nung der Ver­fas­ser des bespro­che­nen Papiers auf eine Trans­for­ma­ti­on der „Bezie­hung zwi­schen Bür­ger und Staat“ nicht zu viel hin­ein­in­ter­pre­tie­ren. In mei­nem Beruf schrei­be ich auch schon mal „[XXX] Streng Ver­trau­lich“ unter eine E‑Mail, damit sie auto­ma­tisch abge­fan­gen wird, soll­te sie jemand acht­los an einen Kun­den wei­ter­lei­ten wol­len, auch wenn der Inhalt eigent­lich nicht so geheim ist. Erfah­rungs­ge­mäß stu­fen manch­mal Men­schen auch ihr Werk als ver­trau­li­cher ein, als es eigent­lich sein müss­te, um sich so der Wich­tig­keit ihres Ela­bo­rats zu ver­si­chern. Was den Inter­es­sen der Bun­des­re­pu­blik scha­den kann, muss ja wich­tig sein. Auch die Ein­fü­gung eines per­spek­ti­vi­schen Schluss­ab­sat­zes kann ein­fach eine Selbst­ver­si­che­rung der eige­nen Wich­tig­keit sein, ohne dass der Inhalt durch­dacht oder ernst­ge­meint wäre. Ein Beweis für eine Coro­na-Ver­schwö­rung oder einen Coro­na-Hoax sind die­se Din­ge beim bes­ten Wil­len nicht. Aber sie soll­ten zur Wach­sam­keit gemah­nen, und es lässt sich gar nicht ver­mei­den, dass der Leser den wei­te­ren Inhalt die­ses Papiers in die­sem Licht liest.

Das völ­li­ge Des­in­ter­es­se der Autoren an einer Abschät­zung der Zuver­läs­sig­keit ihres Modells ist überraschend

Nun ist es aber an der Zeit, zum eigent­li­chen Inhalt des Papiers zu kom­men. Abschnitt 2 beinhal­tet eine „Modell­rech­nung zur Stra­te­gie­fin­dung“. Das dar­in ver­wen­de­te Modell ist ein­fach, wie es auch sein muss, denn für ein kom­pli­zier­tes Modell könn­te man nie die nöti­gen Para­me­ter bestim­men. Wie in sol­chen epi­de­mio­lo­gi­schen Model­len üblich, wird von einer homo­ge­nen Popu­la­ti­on aus­ge­gan­gen, in der sich das Virus mit einer bestimm­ten Geschwin­dig­keit aus­brei­tet und dabei bei einem bestimm­ten Pro­zent­satz der Bevöl­ke­rung Kom­pli­ka­tio­nen und Todes­fäl­le ver­ur­sacht. Die Autoren gehen ohne Maß­nah­men zur Ein­däm­mung von einer Ver­dop­pe­lung der Fall­zah­len (bei einer Bevöl­ke­rung ohne vor­be­stehen­de Immu­ni­tät) alle drei Tage aus, von einer Hos­pi­ta­li­sie­rungs­ra­te von 5%, von denen die Hälf­te beatmet wer­den muss, und einer Sterb­lich­keit von 1.2% bei funk­tio­nie­ren­dem und 2% bei ratio­nier­tem Gesund­heits­sys­tem. Die­se Zah­len sind nach eige­ner Aus­sa­ge des Papiers pes­si­mis­tisch; so ist die ange­nom­me­ne Sterb­lich­keit das Dop­pel­te der Schät­zung des Robert-Koch-Insti­tuts, die den Autoren zur Ver­fü­gung stand.

Wäh­rend die Struk­tur des ver­wen­de­ten Modells ange­mes­sen und nicht über­ra­schend ist, ist das völ­li­ge Des­in­ter­es­se der Autoren an einer Abschät­zung sei­ner Zuver­läs­sig­keit um so über­ra­schen­der. Eigent­lich ist es bei einem mathe­ma­ti­schen Modell, das mensch­li­che Pra­xis infor­mie­ren soll, abso­lut üblich, dass man einer­seits die Para­me­ter­sen­si­ti­vi­tät beur­teilt und ande­rer­seits die Unsi­cher­heit über vor­han­de­ne Schät­zun­gen der Para­me­ter. Dar­aus kann man dann ablei­ten, als wie prä­zi­se man die Vor­her­sa­gen des Modells neh­men kann, vor­aus­ge­setzt, das Modell als sol­ches stimme.

Die Para­me­ter­sen­si­ti­vi­tät ist bei die­sem Modell offen­sicht­lich enorm. Wenn die tat­säch­li­che Aus­brei­tungs­ge­schwin­dig­keit der Infek­ti­on die Hälf­te oder das Dop­pel­te des ver­wen­de­ten Werts betra­gen wür­de, dann wür­den sich die pro­gnos­ti­zier­ten Sze­na­ri­en dras­tisch ver­än­dern. Eben­so wür­den sich die Sze­na­ri­en sehr stark ver­än­dern, wenn es eine erheb­li­che Dun­kel­zif­fer an nicht dia­gnos­ti­zier­ten Infi­zier­ten gäbe. Wenn z.B. nur jeder Zehn­te Infi­zier­te auch posi­tiv getes­tet wur­de, dann wür­de die Schät­zung der Hos­pi­ta­li­sie­rungs­zah­len und der Todes­fäl­le bei ansons­ten unver­än­der­tem Infek­ti­ons­ge­sche­hen auf ein Zehn­tel sin­ken. Das wäre ein rie­si­ger Unterschied.

Anstatt aber die Unsi­cher­heit der ver­wen­de­ten Modell­pa­ra­me­ter zu beur­tei­len, leh­nen die Autoren das für sol­che Model­le übli­che Nach­den­ken dar­über ab, weil damit die „Sterb­lich­keits­ra­te des Virus immer wie­der her­un­ter­ge­spielt“ wor­den sei: „Die­ses und ande­re Argu­men­te haben lan­ge zu einer Unter­schät­zung der Gefahr, die von dem Virus aus­geht, geführt.“ Die Unter­schät­zung wäre aber nur dann eine, wenn die Dun­kel­zif­fer wirk­lich unter­schätzt wür­de. Jeden­falls bewegt man sich schwer am Ran­de der Serio­si­tät, wenn man auch nur den Ver­such der Quan­ti­fi­zie­rung der Unsi­cher­heit die­ses Para­me­ters als ‚Her­un­ter­spie­len‘ verwirft.

Island hat mit einer zehn­fach höhe­ren Test­dich­te als Süd­ko­rea immer noch eine beob­ach­te­te Falls­terb­lich­keits­ra­te von 0.4% der posi­tiv Getesteten

Die Autoren ver­wen­den als Argu­ment für ihre sehr pes­si­mis­ti­sche Ein­schät­zung der Sterb­lich­keit, dass in Süd­ko­rea eine erheb­li­che Dun­kel­zif­fer unwahr­schein­lich sei, weil dort auch sym­ptom­lo­se Kon­takt­per­so­nen getes­tet wor­den sei­en und die gemel­de­te Ein­däm­mung der Epi­de­mie bei einer erheb­li­chen Dun­kel­zif­fer nicht mög­lich sei. Dann schla­gen sie auf die in Süd­ko­rea beob­ach­te­te Sterb­lich­keit einen Zuschlag für die ande­re Alters­struk­tur Deutsch­lands auf, und kom­men so auf eine Sterb­lich­keit von 1.8% bei guter medi­zi­ni­scher Ver­sor­gung, die sie dann wegen der gerin­ge­ren Schät­zung des RKI wie­der auf 1.2% reduzieren.

Es gibt nun aber auch Argu­men­te für eine erheb­li­che Dun­kel­zif­fer. Selbst in Süd­ko­rea wur­den bis heu­te weni­ger als eine hal­be Mil­li­on Tests durch­ge­führt, bei einer Bevöl­ke­rung von 51 Mil­lio­nen. Eine Infek­ti­on mit CoV scheint bei vie­len Infi­zier­ten nur leich­te oder kei­ne Sym­pto­me her­vor­zu­ru­fen, und das Auf­kom­men von CoV fiel mit der Grip­pe­sai­son zusam­men, so dass offen­bar vie­le Men­schen mit plau­si­blen Sym­pto­men und ihr Umfeld nicht getes­tet wurden.

In Island wur­den Mit­te März Tests an (offen­bar nicht reprä­sen­ta­tiv aus­ge­wähl­ten) Frei­wil­li­gen durch­ge­führt, bei denen 0.86% posi­tiv aus­fie­len, was auf die Bevöl­ke­rung umge­legt eine Schät­zung von 3.130 Infi­zier­ten zum dama­li­gen Zeit­punkt ergä­be. Tat­säch­lich waren aber bis dahin nur 473 Per­so­nen posi­tiv getes­tet wor­den. Dar­aus ergä­be sich, nimmt man die Stich­pro­be als reprä­sen­ta­tiv an, in einem Land mit heu­te zehn­mal so vie­len Tests pro Ein­woh­ner wie in Süd­ko­rea eine Dun­kel­zif­fer, die sechs­ein­halb­mal höher ist als die Zahl der posi­tiv Getes­te­ten. Die beob­ach­te­te Falls­terb­lich­keit in Island ist aber nicht sechs­ein­halb­mal höher als in Süd­ko­rea, son­dern war am 23. März nur 0.3% der posi­tiv Getes­te­ten oder 0.05% der aus den Tests der Frei­wil­li­gen geschätz­ten Zahl Infi­zier­ter. Für die Gesamt­be­völ­ke­rung ist das wohl zu opti­mis­tisch, denn die ers­ten Infi­zier­ten in Island waren vor­wie­gend Ski­fah­rer, die über­durch­schnitt­lich jung, sport­lich, gesund und wohl­ha­bend sind. Zum 6. April hat Island aber trotz­dem mit einer höhe­ren Test­dich­te als Süd­ko­rea immer noch nur eine beob­ach­te­te Falls­terb­lich­keits­ra­te von 0.4% der posi­tiv Getesteten.

Wir haben hier also ein Rät­sel: Die Autoren des BMI-Papiers kom­men auf eine Falls­terb­lich­keits­ra­te von sehr pes­si­mis­ti­schen 1.8%. Mit ganz ähn­li­chen Über­le­gun­gen aus einem Land, das uns viel­leicht in sei­nen Infek­ti­ons­mus­tern näher­steht, kann man aber auch auf eine Sterb­lich­keit von 0.05% der Infi­zier­ten kom­men. Der wah­re Wert wird wohl irgend­wo dazwi­schen lie­gen. Die Autoren set­zen sich jeden­falls dem Ver­dacht einer absicht­lich zu pes­si­mis­ti­schen Schät­zung aus, wenn sie schrei­ben, dass man von einer „pro­zen­tu­al uner­heb­lich klin­gen­den Falls­terb­lich­keits­ra­te“ weg­kom­men müs­se, aus kom­mu­ni­ka­ti­ven Grün­den, nicht sol­chen des Erkenntnisgewinns.

Man kann die Stra­te­gie­pla­nung für ein Land nicht an einem ein­zi­gen Maxi­mal­sze­na­rio auf­hän­gen, wenn die Ergeb­nis­se eine Unsi­cher­heit von Fak­tor zwan­zig aufweisen

Auch für die Aus­brei­tungs­ge­schwin­dig­keit ver­zich­ten die Autoren auf eine Abschät­zung des Feh­lers der von ihnen ange­nom­me­nen Zahl einer Ver­dop­pe­lung alle drei Tage. Nach eige­ner Aus­sa­ge der Autoren bezieht sich die Zahl auf die Ver­dop­pe­lung der „gemel­de­ten infi­zier­ten Fäl­le“. Deren Wachs­tums­ra­te setzt sich aber zusam­men aus der Wachs­tums­ra­te der Infek­tio­nen und der Wachs­tums­ra­te der Tests. Auch dar­aus ergibt sich eine erheb­li­che Unsi­cher­heit, die den von den Autoren ange­nom­me­nen Wert zu pes­si­mis­tisch machen könnte.

Es ist den Autoren kei­nes­wegs zum Vor­wurf zu machen, die wah­ren Para­me­ter­wer­te nicht zu ken­nen (falls sie über­haupt exis­tie­ren, und da nicht wei­te­re Dyna­mi­ken am Werk sind, die sta­ti­sche Anga­ben für die­se Para­me­ter unbrauch­bar machen). Ich ken­ne sie auch nicht. Es spricht auch nichts gegen das Durch­rech­nen eines von den Autoren selbst so benann­ten ‚Worst Case Sze­na­ri­os‘. Aber man kann die Stra­te­gie­pla­nung für ein Land nicht an einem ein­zi­gen Maxi­mal­sze­na­rio auf­hän­gen, wenn ein wesent­li­cher Para­me­ter und dadurch auch die wesent­li­chen Ergeb­nis­se eine Unsi­cher­heit von locker Fak­tor zwan­zig auf­wei­sen. Die­se sonst übli­che Betrach­tung der Unsi­cher­heit wur­de von den Autoren nicht nur unter­las­sen, son­dern als ‚Her­un­ter­spie­len‘ und ‚Unter­schät­zung der Gefahr‘ abgelehnt.

Wie ein Gene­ral, der ein­mal eine Annah­me über die Stra­te­gie des Fein­des getrof­fen hat, und sich dann wei­gert, die Auf­klä­rung loszuschicken

In der wei­te­ren Betrach­tung drei­er Sze­na­ri­en gehen die Autoren von ihren pes­si­mis­tisch gewähl­ten Para­me­tern als gesetzt aus, und betrach­ten ledig­lich drei ver­schie­de­ne Hand­lungs­sze­na­ri­en, von denen eines zu mehr als einer Mil­li­on Toten führt und eines zu unter den gewähl­ten extrem pes­si­mis­ti­schen Para­me­tern wie­der zu extrem opti­mis­ti­schen zwölf­tau­send Toten.

Eine Betrach­tung, wel­che Resul­ta­te man von den unter­such­ten Stra­te­gien erwar­ten wür­de, wenn die Ein­ga­be­pa­ra­me­ter von Aus­brei­tungs­ge­schwin­dig­keit und Sterb­lich­keit anders wären, fehlt die­sen Sze­na­ri­en voll­kom­men. Sie wäre aber extrem wich­tig. Mit einer gro­ßen Dun­kel­zif­fer und dem­entspre­chend nied­ri­ge­ren Sterb­lich­keit wäre einer­seits das pes­si­mis­ti­sche Sze­na­rio ‚Worst Case‘ weit­aus weni­ger dras­tisch und die Zahl der Toten wür­de stark zurück­ge­hen, nicht nur wegen der gerin­ge­ren Sterb­lich­keit an sich, son­dern auch weil die Über­las­tung des Gesund­heits­sys­tems weit­aus weni­ger schlimm wür­de. Ande­rer­seits wür­de mit einer gro­ßen Dun­kel­zif­fer der wahr­schein­li­che Erfolg des ‚Ham­mer and Dance‘ Sze­na­ri­os gerin­ger wer­den, denn die Ver­fol­gung von Infek­ti­ons­ket­ten wird schwie­ri­ger, wenn man vie­le Infi­zier­te gar nicht kennt und deren Zahl grö­ßer ist als gedacht. Die Kennt­nis der Dun­kel­zif­fer, die man durch Tests an der All­ge­mein­be­völ­ke­rung abschät­zen könn­te, wäre also essen­ti­ell zur Bewer­tung unter­schied­li­cher Stra­te­gien und zur Aus­wahl zwi­schen ihnen, wird aber von den Autoren als Ver­harm­lo­sung abgelehnt.

Die Autoren des Stra­te­gie­pa­piers ver­hal­ten sich zusam­men­ge­fasst wie ein Gene­ral, der ein­mal eine Annah­me über die Stär­ke, Auf­stel­lung und Stra­te­gie des Fein­des getrof­fen hat, und sich dann wei­gert, die Auf­klä­rung los­zu­schi­cken, um die­se Annah­men zu bestä­ti­gen oder zu ver­än­dern. Die­ser Gene­ral beur­teilt dann ver­schie­de­ne Hand­lungs­al­ter­na­ti­ven nur im Hin­blick auf ihre Aus­sich­ten unter sei­nen ein­mal getrof­fe­nen Annah­men und ist nicht fähig, damit umzu­ge­hen, dass die Rea­li­tät viel­leicht anders ist. In der Epis­te­mo­lo­gie von Donald Rums­feld muss er die Kon­se­quen­zen ihm ‚unbe­kann­ter Unbe­kann­ter‘ tra­gen, weil er sich wei­gert, sie zur Kennt­nis zu neh­men und zu ‚bekann­ten Unbe­kann­ten‘ zu machen, aus denen durch Aus­for­schung viel­leicht ‚bekann­te Bekann­te‘ wer­den könn­ten. Das ist ein Rezept für die Kata­stro­phe, nicht nur in der Kriegführung.

Es „droht, dass dies die Gemein­schaft in einen völ­lig ande­ren Grund­zu­stand bis hin zur Anar­chie verändert“

Nach­dem die epi­de­mio­lo­gi­sche Model­lie­rung des Stra­te­gie­pa­piers bis an die Gren­zen der Brauch­bar­keit ver­engt ist, erspa­re ich es uns, die Model­lie­rung der dar­aus fol­gen­den wirt­schaft­li­chen Kon­se­quen­zen einer nähe­ren Kri­tik zu unter­zie­hen. Wo die epi­de­mio­lo­gi­schen Ein­ga­ben kei­ne plau­si­ble Ver­tei­lung mög­li­cher Sze­na­ri­en erge­ben, son­dern einen selbst so benann­ten ‚Worst Case‘ wird man kei­ne sehr brauch­ba­ren Aus­ga­ben des Modells erwarten.

Es über­rascht aller­dings, mit wel­cher Non­cha­lance die Autoren aus­ge­rech­net im Innen­mi­nis­te­ri­um ein Sze­na­rio ent­wer­fen, in dem „droht, dass dies die Gemein­schaft in einen völ­lig ande­ren Grund­zu­stand bis hin zur Anar­chie ver­än­dert“, ohne wirk­li­che Emp­feh­lun­gen zum Umgang mit die­sem Sze­na­rio zu geben. Sind die Ame­ri­ka­ner, die sich nach­dem sie sich noch nie für Waf­fen inter­es­siert haben schnell noch zu den Waf­fen­lä­den bege­ben, viel­leicht doch etwas auf der Spur (auch wenn der Besitz einer Glock ohne Übung offen­sicht­lich weder den siche­ren Umgang damit noch ihren wirk­sa­men Ein­satz lehrt)? Wir erfah­ren es nicht.

Inter­es­sant wer­den dann wie­der die ‚Schluss­fol­ge­run­gen für Maß­nah­men und offe­ne Kom­mu­ni­ka­ti­on‘, wobei die ‚offe­ne Kom­mu­ni­ka­ti­on‘, wie wir sehen wer­den, wohl im Orwell’schen Sin­ne zu ver­ste­hen ist.

Ein Men­schen­bild, bei dem „sich vie­le dann unbe­wusst und unein­ge­stan­den den­ken: ‚Naja, so wer­den wir die Alten los, und mit ein biss­chen Glück erbe ich schon ein biss­chen früher‘“

Scham­los unter­stel­len die Autoren der Bevöl­ke­rung Deutsch­lands ein Men­schen­bild, bei dem „sich vie­le dann unbe­wusst und unein­ge­stan­den [den­ken]: ‚Naja, so wer­den wir die Alten los, die unse­re Wirt­schaft nach unten zie­hen, wir sind sowie­so schon zu vie­le auf der Erde, und mit ein biss­chen Glück erbe ich so schon ein biss­chen frü­her‘.“ Die­se Unter­stel­lung des mora­li­schen Cha­rak­ters der Deut­schen weckt fast schon Zwei­fel an der Zurech­nungs­fä­hig­keit der Autoren, sagt jeden­falls mehr über ihr geis­ti­ges Leben aus als über die geis­ti­ge und mora­li­sche Befind­lich­keit der Deutschen.

Wer davon aus­geht, dass ein erheb­li­cher Teil der Bevöl­ke­rung sich nach dem Tod der Alten seh­ne (oder gar in öffent­lich-recht­li­cher Dar­stel­lung der ‚alten Umwelt­säue‘), um so schnel­ler an das Erbe zu kom­men und Unbe­quem­lich­kei­ten zu ver­mei­den, der muss eigent­lich zwangs­läu­fig zu einem Poli­tik­ver­ständ­nis kom­men, das mit der frei­heit­lich-demo­kra­ti­schen Grund­ord­nung unver­ein­bar ist, weil die Cha­rak­ter­ei­gen­schaf­ten der Bevöl­ke­rung mit ihr unver­ein­bar sei­en. Statt­des­sen muss der Levia­than ran, wenn es geht sanft durch geeig­ne­tes Framing, aber irgend­wie impli­ziert auch durch ande­re Mit­tel, wenn es not tut. Man kann nur noch hof­fen, dass die­se Ent­glei­sung das Resul­tat von Schlaf­man­gel im Zuge der Erstel­lung die­ses angeb­lich in drei Tagen geschrie­be­nen Stra­te­gie­pa­piers ist.

Um die alten­meu­cheln­den und raff­gie­ri­gen Deut­schen zur Koope­ra­ti­on zu bewe­gen, set­zen die Autoren auf eine „gewünsch­te Schock­wir­kung“. Dabei soll mit der „Urangst“ des Ersti­ckens argu­men­tiert wer­den, und damit, dass Kin­der „das Gefühl haben, Schuld [am qual­vol­len Tod der Eltern] zu sein, weil sie z.B. ver­ges­sen haben, sich nach dem Spie­len die Hän­de zu waschen“. Die Autoren schla­gen zuge­ge­ben nicht vor, das direkt den Kin­dern ein­zu­imp­fen, aber bei einer brei­ten Framing-Kam­pa­gne die­ses Inhalts an die Eltern wird es sich gar nicht ver­mei­den las­sen, dass auch Kin­der die­se Vor­stel­lun­gen mit­neh­men. Beein­flus­sung des Han­delns ande­rer, also Macht, indem man Kin­dern ein­re­det, sie sei­en am qual­vol­len Tod der Eltern schuld—das ist, man kann es nicht anders sagen, krank.

Eher schon lus­tig dage­gen ist die Aus­ga­be „der mathe­ma­ti­schen For­mel: 2019 = 1919 + 1929“. Dass das als ‚mathe­ma­ti­sche For­mel‘ nicht hin­kommt, ist offen­sicht­lich, aber auch der his­to­ri­sche Ver­gleich mit der Spa­ni­schen Grip­pe und der Welt­wirt­schafts­kri­se hinkt. Wir haben nicht gera­de den ers­ten Welt­krieg hin­ter uns, um nur einen Unter­schied zu nen­nen, ganz abge­se­hen davon, dass sonst doch jeder Ver­gleich mit der Influ­en­za als gefähr­li­che ‚Ver­harm­lo­sung‘ ver­teu­felt wer­den soll.

Ein ein­zi­ger Absatz zu „Bet­ten und Sau­er­stoff­ka­pa­zi­tät hochfahren“

Die vor­ge­schla­ge­nen tat­säch­li­chen Maß­nah­men außer­halb des Framings sind soweit nicht kon­tro­vers, aller­dings im Ver­gleich zu den vor­ge­schla­ge­nen Framing-Maß­nah­men sehr dürr und wenig ent­wi­ckelt. Wenn ein schlim­mes Sze­na­rio mit hun­dert­tau­sen­den Pati­en­ten, die durch Lun­gen­schä­di­gun­gen nicht genug Sau­er­stoff bekom­men, auch nur plau­si­bel ist (und das ist es, selbst wenn das Papier sei­ne Wahr­schein­lich­keit maß­los über­schätzt), dann ist ein ein­zi­ger Absatz zu „Bet­ten und Sau­er­stoff­ka­pa­zi­tät hoch­fah­ren“ doch etwas arg dünn.

Die Autoren gehen davon aus, dass unge­fähr die Hälf­te der auf Sau­er­stoff ange­wie­se­nen Pati­en­ten kei­ne Beatmung brau­chen. Es wird dann ver­mut­lich noch einen wei­te­ren Anteil geben, bei dem Beatmung zwar indi­ziert wäre, aber freie Atmung mit Sau­er­stoff immer noch deut­lich bes­se­re Chan­cen gibt, als nichts zu tun. (Der Sau­er­stoff­par­ti­al­druck in der Lun­ge wird bei frei­er Sau­er­stoff­at­mung gegen­über Luft­at­mung ja immer­hin grob ver­fünf­facht.) Wäre es da nicht ange­bracht, statt über Framing lie­ber ein­mal dar­über nach­zu­den­ken, wie man die Kapa­zi­tä­ten bereit­stel­len könn­te, im schlimms­ten Fall eine rie­si­ge Anzahl von Pati­en­ten zumin­dest mit Sau­er­stoff ver­sor­gen zu kön­nen? Am Sau­er­stoff sel­ber wird es nicht schei­tern, denn Deutsch­land stellt davon im Jahr mehr als 6 Mil­li­ar­den Kubik­me­ter her, aller­dings mit deut­lich begrenz­te­ren Kapa­zi­tä­ten des Trans­ports. Das Pro­blem ist also ein orga­ni­sa­to­ri­sches und logis­ti­sches und jeden­falls ein leich­ter lös­ba­res als ein unbe­grenz­ter Auf­wuchs von Inten­siv­bet­ten, des­sen Bear­bei­tung mir dring­li­cher erschie­ne, als Kin­dern die Schuld am Tod der Eltern einzureden.

Es fehlt auch eine Dis­kus­si­on, inwie­weit Schutz­mas­ken einen teil­wei­sen Betrieb des öffent­li­chen Lebens ermög­li­chen könn­ten. Es geht dabei nicht um eine sehr hohe Schutz­wir­kung im Sin­ne der Arbeits­si­cher­heit. Die Autoren argu­men­tie­ren im Abschnitt über die Absen­kung von Sozi­al­kon­tak­ten mit der Ver­rin­ge­rung der Repro­duk­ti­ons­zahl des Virus. Wenn nun das Tra­gen von Mas­ken die­se um die Hälf­te ver­rin­gern könn­te, dann hät­te dies genau die glei­che Aus­wir­kung wie eine Ver­rin­ge­rung von Sozi­al­kon­tak­ten um die Hälf­te. Bei der rich­ti­gen Fest­stel­lung „eine län­ge­re Peri­ode der Aus­gangs­be­schrän­kun­gen ist weder wirt­schaft­lich noch sozi­al auf­recht zu erhal­ten“ hät­ten sol­che Din­ge eigent­lich eine Über­le­gung wert sein kön­nen und wären jeden­falls wert­vol­ler als Framing-Anleitungen.

Die Wahr­heit und Klar­heit des Gesag­ten schafft Ver­trau­en und Koope­ra­ti­on; Framing tut das nicht

Am Schluss stel­len die Autoren rich­tig fest: „Nur mit einem Zusam­men­kom­men und Wir­ken von allen Kräf­ten in der Gesell­schaft kön­nen wir die Ver­lang­sa­mung der Neu­in­fi­zie­run­gen und schließ­lich Ein­däm­mung des Virus schaf­fen.“ Sie erken­nen aller­dings nicht, dass das durch Phan­ta­sien lang­fris­ti­ger gesell­schaft­li­cher Trans­for­ma­ti­on, dras­tisch pes­si­mis­ti­sche Model­le und aggres­siv vor­ge­tra­ge­nes Framing unter Ver­nach­läs­si­gung von Infor­ma­ti­ons­ge­winn und wirk­li­chen Stra­te­gien gera­de nicht erreicht wer­den kann. Die Bun­des­re­gie­rung wirkt plan­los und erzeugt Miss­trau­en. Letz­te­res ist hof­fent­lich und wahr­schein­lich unbe­grün­det, aber die Signa­le sind kei­ne güns­ti­gen. Das Auf­kom­men wil­der Ver­schwö­rungs­theo­rien braucht da dann nicht mehr zu überraschen.

Da hilft es dann auch nicht, dass am Schluss des Papiers noch das Dre­schen von Hash­tags (#wirblei­ben­zu­hau­se) und die Ver­mitt­lung unspe­zi­fi­scher Emo­tio­nen emp­foh­len wer­den: „Auch hier gilt es ein Gefühl des ‚gemein­sam distan­ziert‘ zu för­dern.“ Poli­tik als Hash­tag und Gefühl — das wird die­ses Mal nicht funk­tio­nie­ren. Die Bun­des­re­gie­rung muss der Bevöl­ke­rung eine glaub­haf­te Stra­te­gie anbie­ten, was sie zu tun gedenkt, wie sie das Ver­ständ­nis der Lage ver­bes­sern will, wel­che Hand­lungs­pfa­de sie abhän­gig von der Ent­wick­lung plant, und ihr die Sicher­heit geben, dass die Covid-Kri­se gera­de nicht als Ein­stieg „in eine neue Bezie­hung zwi­schen Gesell­schaft und Staat“ die­nen soll. Die Wahr­heit und Klar­heit des Gesag­ten und das Ver­trau­en, dass die Kri­se nicht zur Umge­stal­tung der frei­heit­lich-demo­kra­ti­schen Grund­ord­nung miss­braucht wer­de, schafft Ver­trau­en und Koope­ra­ti­on. Framing tut das nicht.