„Offe­ner Dis­kurs“ anno 1984

Es gehört ent­we­der ein sehr fei­ner Sinn für Iro­nie oder des­sen voll­stän­di­ge Abwe­sen­heit dazu, die Aus­lis­tung einer Mar­ke wegen miss­lie­bi­ger Äuße­run­gen ihrer Flagg­schiff­per­sön­lich­keit als Bei­spiel für „offe­nen Dis­kurs“ zu nehmen.

Das Zitat des Tages stammt vom Lebens­mit­tel­händ­ler Vitalia:

Die Fir­ma Vita­lia möch­te sich aus­drück­lich distan­zie­ren von den Ideo­lo­gien, die Atti­la Hild­mann zuletzt im Inter­net ver­brei­tet hat. Die­se Mei­nungs­äu­ße­run­gen ent­spre­chen nicht unse­rer Phi­lo­so­phie, wir ste­hen für einen offe­nen Diskurs.

Vita­lia-Mar­ke­ting­chef Ingo Bau­er, auf Focus

Klar, wer sei­ne Mar­ke damit auf­baut, den Bogen zu über­span­nen, muss damit rech­nen, dass er reißt. Es gehört aber ent­we­der ein sehr fei­ner Sinn für Iro­nie oder des­sen voll­stän­di­ge Abwe­sen­heit dazu, die Aus­lis­tung einer Mar­ke wegen miss­lie­bi­ger Äuße­run­gen ihrer Flagg­schiff­per­sön­lich­keit als Bei­spiel für „offe­nen Dis­kurs“ zu nehmen.

In die­sem Markt nicht gera­de eine Einzelmeinung

Es ist auch beacht­lich, wenn ein Händ­ler meint, sich von den Ansich­ten eines ein­zel­nen Lie­fe­ran­ten „aus­drück­lich distan­zie­ren“ zu müs­sen, zumal gera­de bei einem Reform­haus absei­ti­ge Ansich­ten bei Lie­fe­ran­ten und Kun­den wohl Grund­la­ge des Geschäfts­mo­dells sind. Herr Hild­mann ist bei­spiels­wei­se durch vul­gär vor­ge­tra­ge­ne Ansich­ten zu Imp­fun­gen auf­ge­fal­len, die sich nicht unbe­dingt mit dem Stand der Wis­sen­schaft decken. In einem Markt, des­sen Lie­fe­ran­ten und Kund­schaft so abge­dreht sind, dass sie mei­nen, Bar­codes mit einem Quer­strich „enstö­ren“ zu müs­sen, damit sie einem nicht ins Hirn hin­ein­vi­brie­ren, dürf­te das nicht gera­de eine Ein­zel­mei­nung sein.

Wenn aber absei­ti­ge Ansich­ten zu Gesund­heit und Ver­schwö­run­gen kaum der Grund sein dürf­ten, sich jetzt von Herrn Hild­mann zu tren­nen, was dann? War der unver­zeih­li­che Fehl­tritt, schlim­mer als jeder Aus­ras­ter und jede Ver­schwö­rungs­theo­rie, am Ende gar sei­ne Ankün­di­gung, mit einem Grund­ge­setz in der Hand demons­trie­ren gehen zu wollen?