Corona-Kinder: Laut eines Artikels des FAZ offenbar mit dem neuartigen Coronavirus infizierte Kinder. Wäre es nicht romantischer, dieses Wort für im Zuge der Isolationsmaßnahmen gezeugte Kinder zu verwenden?
Monat: April 2020
Sprachverrohung im Wirtschaftsteil
Die FAZ hat heute einen Artikel ‚Aggressiver Hedgefonds attackiert Wirecard‘. Empfindet sie auch ihre eigene Berichterstattung über mögliche Probleme in Unternehmen wie Wirecard als „Attacke“?
Die FAZ hat heute einen Artikel ‚Aggressiver Hedgefonds attackiert Wirecard‘. Das ist eine ziemlich kernige Sprache. Der Fonds soll Aktien von Wirecard leer verkauft haben, einem Unternehmen in Turbulenzen, die offenbar mit der Furcht vor Unregelmäßigkeiten in der Unternehmensführung und dem Zahlenwerk des Unternehmens zu tun haben.
Der Artikel unterstellt dem Fonds nicht, zu seiner pessimistischen Position bezüglich Wirecard auf unlauterem Wege, beispielsweise durch verbotene Insiderinformationen, gekommen zu sein. Es wird nicht erklärt, in welchem Sinne der Fonds „aggressiv“ sein soll, und auch nicht, worin die „Attacke“ bestehen soll. „Sprachverrohung im Wirtschaftsteil“ weiterlesen
SEK-Beamter bei Schusswechsel getötet: Muss das sein?
In Gelsenkirchen wurde heute morgen ein SEK-Beamter bei einem Schusswechsel getötet. Unnötige Brachialeinsätze der Polizei stellen geradezu mutwillig Bewohner und Polizisten in eine Situation, in der tödliche Gewalt beider Seiten gegeneinander nicht nur zu erwarten sondern sogar noch rechtens ist. Das kann man doch nicht wollen.
In Gelsenkirchen wurde heute morgen ein SEK-Beamter bei einem Schusswechsel getötet. Der Pressedarstellung nach soll die Polizei in einer Drogensache ermittelt haben. Der Beschuldigte habe durch die Tür geschossen und getroffen, die Polizei haben ebenfalls geschossen, aber verfehlt. Der Beschuldigte habe sich widerstandslos festnehmen lassen.
Parallelen zum Fall des freigesprochenen Hell’s Angel
Aus der Pressedarstellung kann man Details nicht entnehmen, und die werden erst zu ermitteln sein, aber insbesondere die Umstände, dass durch die Tür geschossen wurde und dass der Beschuldigte sich dann festnehmen ließ, legen einen Verdacht nahe, dass die Situation eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Fall haben könnte, in dem das dann mit einem Freispruch für einen Hell’s Angel endete, der ebenfalls durch die Tür einen Polizisten erschoss. „SEK-Beamter bei Schusswechsel getötet: Muss das sein?“ weiterlesen
Nichtwissenschaft des Tages: „Zukunftsforschung“
Die FU Berlin hat einen Masterstudiengang ‚Zukunftsforschung‘ mit Anspruch auf Wissenschaftlichkeit. An der scheint es aber zu fehlen, und schwergewichtige Gründe sprechen dagegen, dass so eine Wissenschaft überhaupt möglich ist. Wäre ein Studiengang ‚Moderationstechniken‘ nicht dem Erreichbaren angemessener?
Bento hat ein Interview mit einer „Zukunftsforscherin“, die „erklärt, wie der Neuanfang [nach der Coronakrise] gelingen kann.“ Ich will mich an der sympathisch wirkenden jungen Dame nicht abarbeiten, zumal man von einem Studienanfänger vielleicht nicht erwarten kann, die Sinnhaftigkeit eines interessant klingenden Feldes vor Studienantritt kritisch zu hinterfragen. Mit dem Abschluss in der Tasche sollte man ihn logischerweise gut verkaufen, und die Dame hat sich sogar selbständig gemacht, lebt also wohl nicht von der öffentlichen Hand in den Mund. Ihr Studienfach, ein ‚Masterstudiengang Zukunftsforschung‘ an der FU Berlin, scheint mir aber eine kritische Betrachtung wert zu sein.
Die Eigendarstellung dieses Studienganges betont, dass es sich um „wissenschaftliche Analyse von Zukunftsbildern“ handle. Nun wird man von einer Wissenschaft eine ihr spezifische Methodik erwarten dürfen, und einen erkennbaren Fortschritt von Wissen. „Nichtwissenschaft des Tages: „Zukunftsforschung““ weiterlesen
Corona-App: Vor dem BER fertig?
Die eigentlich für Mitte April angekündigte ‚Corona-App‘ soll nun , Ende April, von einem Konsortium aus Telekom und SAP entwickelt werden. Man darf ein wildes Wettrennen zwischen der Funktionsfähigkeit der App und der Eröffnung des BER erwarten. Ist das exemplarisch für den Umgang der Politik mit der Coronakrise?
Die eigentlich für Mitte April angekündigte ‚Corona-App‘ soll nun , Ende April, von einem Konsortium aus Telekom und SAP entwickelt werden. Ich tippe auf einen Auslieferungstermin 2023 und eine grobe Funktionsfähigkeit 2025. Nachdem zufällig am gleichen Tag der BER seine Nutzungsfreigabe durch das Land erhielt, befinden wir uns ein einem wilden Wettlauf, ob der Flughafen zuerst Passagiere abfertigen oder die App zuerst Corona-Verdachtsfälle warnen wird. Auf die App zu warten könnte jedenfalls mindestens zu einer Geduldsprobe werden, und das ist ein leicht nachvollziehbares Beispiel für das Versagen der Politik in dieser ganzen Krise.
Sieben Jahre und eine halbe Milliarde Euro später das Projekt ergebnislos abgebrochen
Man kann von Telekom und SAP denken, was man will, aber es dürfte wohl jedem, der diese Unternehmen kennt, klar sein, dass die Unternehmenskultur da nicht geeignet ist, eine dem Umfang nach sehr kleine Anwendung schnell und korrekt zu erstellen. „Corona-App: Vor dem BER fertig?“ weiterlesen
Bleiche gegen Corona? Bei den Cuomos allemal!
Im Gegensatz zu der falsch wiedergegebenen Anregung des Präsidenten Trump werden in der Familie der Cuomos tatsächlich Bleiche und wildeste Medikamentenmischungen für Therapieversuche von Covid-19 verwendet, inspiriert von einer Expertin für Paramedizin. Wollen wir wirklich von Menschen derartiger offensichtlicher und totaler Ahnungslosigkeit und Verblendung eine Pandemie verwalten lassen?
Wie haben sich die Qualitätsmedien das Maul darüber zerrissen, dass Präsident Trump empfohlen habe, gegen das neuartige Coronavirus Desinfektionsmittel zu nehmen. Nun hat er das eindeutig nicht gesagt. Hingegen hat die Schwägerin von Andrew Cuomo, dem Gouverneur von New York, der von denselben Qualitätsmedien oftmals als Lichtgestalt und gleichzeitig Opfer Trump’scher Idiotie dargestellt wird, eindeutig die Verwendung von Bleichmittel gegen das Virus empfohlen. Erstaunlicherweise finden diese tatsächlich vollkommen abseitigen Empfehlungen aber kaum Beachtung in den Medien, so dass wir sie einmal betrachten wollen.
Trump: Reichlich naiv, aber noch ein irgendwie erkennbarer rationaler Kern
Fangen wir mit Trumps Pressekonferenz an. Ein Blick auf das Original hilft immer: „Bleiche gegen Corona? Bei den Cuomos allemal!“ weiterlesen
New York: Verbot von Wiederbelebungsversuchen aufgehoben
New York City hat eine am 31. März erlassene Vorschrift aufgehoben, Patienten mit Herzstillstand, die nicht im Feld wiederbelebt werden konnten, nicht in Notaufnahmen zu transportieren. Für einen Bürokraten, der eine solche Vorschrift im Voraus, ohne konkrete Not und ohne den Menschen in die Augen schauen zu müssen, vom Schreibtisch aus macht, ist mein Verständnis gleich null.
New York City hat am 24. April eine am 31. März erlassene Vorschrift aufgehoben, Patienten mit Herzstillstand, die nicht im Feld wiederbelebt werden konnten, nicht in Notaufnahmen zu transportieren.
Man muss dazu wissen, dass in Amerika die Notfallversorgung etwas anders organisiert ist als in Deutschland. Anstelle einer Versorgung durch Notärzte vor Ort setzen die Amerikaner mehr darauf, die Patienten so schnell wie möglich einzuladen und in eine Notaufnahme zu verfrachten, „New York: Verbot von Wiederbelebungsversuchen aufgehoben“ weiterlesen
Vorarlberg: Schüsse wegen „Corona-Sündern“
Am 20. März soll ein Polizist in Vorarlberg bei der Verfolgung von spazierengehenden „Corona-Sündern“ drei Schüsse aus seiner Dienstpistole abgegeben haben. Macht das Virus nicht nur in der Lunge krank, sondern auch im Kopf?
Schon am 20. März soll ein Polizist in Vorarlberg bei der Verfolgung von spazierengehenden „Corona-Sündern“ drei Schüsse aus seiner Dienstpistole abgegeben haben. Laut Polizei habe es sich um „interne Signalschüsse“ gehandelt, um Verstärkung anzufordern. Was, bitteschön, ist denn ein „interner Schuss“ sobald er die Mündung verlassen hat?
Die Polizei erklärte weiter, „die Schüsse seien senkrecht in die Luft abgegeben worden […]. Die Beschwerdeführer seien davon 300 bis 400 Meter weit entfernt gewesen und dadurch nicht gefährdet worden.“ Bei den Amerikanern gibt es dazu ein Sprichwort: „What goes up must come down.“ Abgesehen davon konnten die Beschuldigten auf diese Entfernung nicht erkennen, dass senkrecht geschossen wurde. Macht das Virus nicht nur in der Lunge krank, sondern auch im Kopf, selbst bei gar nicht Infizierten?
Zahlenblindheit und unbeabsichtigter Staatsterrorismus
Im Kölner Rizinprozess wurde ein „rechnerisches“ Potential von 13.500 Toten eines Anschlags angegeben. Realistisch sind wohl eher zehn. Verweigern wir dem Terroristen das, was er am meisten will: Unsere Angst.
Terrorismus ist nach dem Terror, also dem Schrecken, benannt, seiner Strategie. Zahlenblinde absurde Überschätzungen der Fähigkeiten von Terroristen verbreiten unbegründeten Schrecken, erledigen also unabsichtlich das Geschäft der Terroristen. Eine Pressemitteilung, die Zahlen aus dem Rizinprozess von Köln aufgreift, gibt dafür ein gutes, oder vielmehr ein schlechtes Beispiel.
An den Zahlen der heutigen Pressemitteilung ist nichts neu. Sie greift Angaben aus dem Prozess auf. In der Urteilsverkündung im März soll der Richter erklärt haben, die „Menge an Rizinus-Samen hätte rechnerisch für potenziell 13 500 Tote genügt.“ Die Verwendung der Wörter „rechnerisch“ und „potenziell“ in einem Satz legt es schon nahe – die Zahlen haben keinerlei Bedeutung. „Zahlenblindheit und unbeabsichtigter Staatsterrorismus“ weiterlesen
Coronavirus und Klima als metaphysische Erfahrungen
Ein Artikel im Spiegel meint, dass wir Klima und Pandemien „geistig nicht wirklich fassen, sondern nur in einem metaphysischen Sinne ergründen können.“ Sie werden zu Ersatzreligionen. Gott mag an Überzeugungskraft verlieren, aber die Eiferer bleiben uns.
In einem insgesamt etwas verschwurbelten Artikel von Samira El Ouassil im Spiegel findet sich ein interessanter Satz:
Das zweite Problem liegt in der Natur der Pandemie selbst, die ähnlich wie der Klimawandel unsere Vorstellungen von Raum und Zeit derart übersteigt, dass wir sie geistig nicht wirklich fassen, sondern nur in einem metaphysischen Sinne ergründen können.
Samira El Ouassil, ‚Mit Geisterdebatten gegen das Virus‘, Spiegel, 23.04.2020
Das ist überraschend, denn Klima und Epidemien spielen sich eigentlich sehr wohl in den dem Menschen intuitiv zugänglichen Kategorien von Raum und Zeit ab. Sie erlegen einem weder die Zumutungen der Philosophie noch die der modernen Physik auf. „Coronavirus und Klima als metaphysische Erfahrungen“ weiterlesen