Wir sind alle Greta!

Wenn irgend­je­mand in Schwe­den das dort so geschätz­te Gefühl der ‚Tryg­ghet‘ nicht emp­fin­det, dann ist das die Fami­lie Ernman/Thunberg. Mir scheint es nun, dass eine ähn­li­che, nur im Kol­lek­tiv zu ver­ste­hen­de Psy­cho­pa­tho­lo­gie gan­ze west­li­che Gesell­schaf­ten ergrif­fen hat. Die Sehn­sucht der Gre­ta-Begeis­te­rung 2019 hat 2020 mit Covid-19 ihre Erfül­lung gefunden.

Ges­tern habe ich über den Ver­lust der schwe­di­schen Gebor­gen­heit, der ‚Tryg­ghet‘, geschrie­ben. Es gibt dabei noch eine ande­re Dimen­si­on, die zu beleuch­ten sich lohnt. Wenn irgend­je­mand in Schwe­den sich, aus ganz ande­ren als den ges­tern betrach­te­ten Grün­den, nicht ‚trygg‘ fühlt, dann ist das die Fami­lie Ernman/Thunberg. Die Fami­lie hat das letz­tes Jahr in ihrem Buch ‚Sze­nen aus dem Her­zen‘ doku­men­tiert. (Hier eine Bespre­chung.)

Kurz gesagt: „[E]s ging uns beschis­sen. Mir ging es beschis­sen. Svan­te ging es beschis­sen. Den Kin­dern ging es beschis­sen. Dem Pla­ne­ten ging es beschis­sen. Sogar dem Hund ging es beschis­sen.“ In einer luxu­riö­sen Umge­bung aus Ruhm und Desi­gner­mö­beln kam das Gefühl der Gebor­gen­heit nicht auf, son­dern die Kin­der machen aller­lei Zwangs­stö­run­gen und Dia­gno­sen durch, die Mut­ter beschreibt ähn­lich gela­ger­te Zwangs­stö­run­gen bei sich selbst, und wie sich der Hund ver­hält, ich will es gar nicht wissen.

Der Aus­weg Gre­ta Thun­bergs aus die­ser Lage ist nun hin­rei­chend bekannt. Sie hat die ‚Kli­ma­kri­se‘ als ihr The­ma ent­deckt – bei Autis­mus-Dia­gno­sen spricht die psych­ia­tri­sche Zunft ger­ne und etwas abfäl­lig von ‚Son­der­in­ter­es­sen‘ – , hat ihren „Schul­streik“ ange­fan­gen und wur­de dar­über zu einem grö­ße­ren Pop­star als ihre Mut­ter, zwei­mal für den Frie­dens­no­bel­preis vor­ge­schla­gen und mit einem mil­lio­nen­schwer dotier­ten ‚Preis für Mensch­lich­keit‘ tat­säch­lich aus­ge­zeich­net. (Bei aller Ver­eh­rung schei­nen die deut­schen Medi­en übri­gens ein Pro­blem mit der Aus­spra­che des Namens zu haben: So ganz grob geht es ‚Thün­berj‘.)

Die Grund­stim­mung der Panik kommt logisch und zeit­lich vor der Aus­wahl des Kli­mas als Sonderinteresse

Wenn man sich die Nach­richt Gre­tas aber näher anschaut, dann ist es im Grun­de kei­ne Bot­schaft bezüg­lich des Kli­mas, die sie trans­por­tiert, son­dern eine ande­re. Dazu lohnt es sich, dass wir uns ihren berühm­ten Auf­tritt 2019 auf dem Welt­wirt­schafts­gip­fel in Davos in Erin­ne­rung rufen:

Sie sagt da (5:20):

Aber ich will Ihre Hoff­nung nicht. Ich will nicht, dass Sie Hoff­nung haben. Ich will, dass Sie Panik bekom­men. Ich will, dass Sie die Angst füh­len, die ich jeden Tag füh­le, und dann will ich, dass Sie han­deln. Ich will, dass Sie han­deln, wie sie es in einer Kri­se tun wür­den. Ich will, dass Sie han­deln, als ob das Haus bren­nen wür­de, weil es das tut. 

Gre­ta Thun­berg, Rede auf dem Welt­wirt­schafts­gip­fel 2019, 21.01.2019

Die Grund­stim­mung der Panik kommt logisch und zeit­lich vor der Aus­wahl des Kli­mas als Son­der­in­ter­es­se. Schon bei ihrer ers­ten TEDx-Rede im Novem­ber 2018 in Stock­holm hat Gre­ta sich sel­ber mit ihren psych­ia­tri­schen Dia­gno­sen ein­ge­führt: Depres­si­on, Ess­stö­rung, Asper­ger-Syn­drom, Zwangs­stö­run­gen, selek­ti­ver Mutis­mus. Aus die­sen Dia­gno­sen, ins­be­son­de­re aus einem von ihr selbst so genann­ten Schwarz-Weiß-Den­ken, dass sie ihrem Autis­mus zuschreibt, das aber auch eine wesent­li­che bekann­te Ver­bin­dung mit Depres­sio­nen hat, fol­gert sie dann eine beson­de­re Fähig­keit, die angeb­lich „exis­ten­ti­el­le Bedro­hung“ des men­schen­ge­mach­ten Kli­ma­wan­dels in Panik umzu­set­zen. Neue Erkennt­nis­se ver­spricht sie nicht, könn­te sie in Anbe­tracht ihres Lebens­al­ters auch schlecht ent­wi­ckelt haben, son­dern die Über­tra­gung der Grund­stim­mung der Panik aus ihrer Fami­lie auf die gan­ze Gesell­schaft. Ich glau­be, mich nicht zu weit aus dem Fens­ter zu leh­nen, dass wenn sich nicht das Kli­ma ange­bo­ten hät­te, sie sich ein ande­res The­ma her­aus­ge­sucht hät­te. In gewis­sem Maße ist das austauschbar.

Der Erfolg ihrer Kam­pa­gne war durch­wach­sen. Einer­seits wur­de Thun­berg zum größ­ten Star des Jah­res, aber ande­rer­seits stellt noch nicht ein­mal Lui­sa Neu­bau­er ihre aus­ge­dehn­ten tou­ris­ti­schen Fern­flü­ge ein. Selbst bei den Thun­bergs kann man sich fra­gen, ob der Ver­zicht auf Flug­rei­sen nicht eher Zwangs­stö­run­gen wie der von der Mut­ter zuge­ge­be­nen Flug­angst zuzu­schrei­ben ist, zumal auch ein Kind eigent­lich ver­ste­hen kann, dass ein Hoch­leis­tungs­boot aus Koh­le­fa­sern, das eine ein­ge­flo­ge­ne Unter­stüt­zungs­mann­schaft braucht, kaum weni­ger Emis­sio­nen ver­ur­sacht als ein bil­li­ges Eco­no­my-Ticket in einem Flie­ger. (Ent­ge­gen der Beschwer­den über Bil­lig­flü­ge ver­ur­sacht ein bil­li­ges Ticket in der Tat weni­ger Emis­sio­nen – das bekom­men Sie näm­lich nur, wenn der Sitz sonst leer blie­be, Sie also sozu­sa­gen eine Fahr­ge­mein­schaft bil­den.) Aus der Panik wur­de jeden­falls in Tei­len ein Stra­ßen­fest mit Ver­zicht auf Schul­be­such, wohl eben­falls mit eher aus­tausch­ba­rem Anlass.

Im spä­ten Win­ter 2019/20 kam dann aber Covid-19 in die west­li­chen Län­der. Um Gre­ta wur­de es still, aber ihr Pro­gramm der Panik hat­te nun einen Anlass gefun­den, der funk­tio­niert. Egal wie bedroh­lich der Kli­ma­wan­del sein mag oder nicht, er ist für die Mas­sen­pa­nik zu lang­fris­tig. Mit Covid-19 kam ein Grund für die Umge­stal­tung der Gesell­schaft nach dem Vor­bild Gre­tas, der einen hin­rei­chend kurz­fris­ti­gen Zeit­ho­ri­zont hatte.

Die­se Umge­stal­tung hat nun in der Tat eine unheim­li­che Ver­wandt­schaft mit dem Lebens­stil Thunbergs:

Sozia­le Isolation

Spä­ter bekam ich die Dia­gno­se Asper­ger-Syn­drom, Zwangs­stö­run­gen und selek­ti­ver Mutis­mus. Im Grun­de bedeu­tet es, dass ich nur spre­che, wenn ich es für nötig hal­te. Jetzt ist einer die­ser Momente.

Für Men­schen mit einer Form von Autis­mus ist fast alles schwarz oder weiß. Wir kön­nen nicht gut lügen und meist neh­men wir ungern am sozia­len Leben teil, das alle ande­ren so zu mögen scheinen.

Gre­ta Thun­berg, TEDx­Stock­holm, Novem­ber 2018

Das ist erreicht. Sozia­le Distan­zie­rung wur­de als Losung aus­ge­ge­ben, anfäng­lich unter dem Hash­tag #Flat­ten­The­Cur­ve als zeit­wei­li­ge Übung bis zum Errei­chen der Her­den­im­mu­ni­tät, dann aber viel län­ger­fris­ti­ger mit einem unbe­stimm­ten Ende, viel­leicht der so schnell nicht abseh­ba­ren Ver­füg­bar­keit eines mas­sen­taug­li­chen Impf­stof­fes. Ver­stärkt wird die­se Iso­la­ti­on noch dadurch, dass man sein Gesicht nicht zeigt, oft­mals selbst im Frei­en und auf Abstand.

Die dra­ma­ti­schen Aus­wir­kun­gen, wel­che die­se Iso­la­ti­on direkt und indi­rekt, bei­spiels­wei­se durch unter­bre­chungs­freie Aus­lie­fe­rung in schwie­ri­ge Fami­li­en­si­tua­tio­nen, hat, wer­den igno­riert. Der klas­sisch bekann­te Durch­schlag der wirt­schaft­li­chen Situa­ti­on auf Sui­zi­de, Sucht und häus­li­che Gewalt wird mit eini­ger Sicher­heit noch dazu­kom­men wenn die staat­lich orga­ni­sier­te Insol­venz­ver­schlep­pung gan­zer Tei­le der Wirt­schaft ein­mal ihr Ende fin­den muss. Von denen, die vor­her nicht psy­chisch krank waren, wer­den es hin­ter­her eini­ge sein, und von denen, die es vor­her schon waren, wer­den eini­ge in einer deut­lich ver­schlech­ter­ten Situa­ti­on sein.

Ver­zicht auf Schulbesuch

Was bringt es, Fak­ten im Schul­sys­tem zu ler­nen, wenn die wich­tigs­ten Fak­ten, die von der Wis­sen­schaft aus dem glei­chen Schul­sys­tem kom­men, offen­sicht­lich nichts für unse­re Poli­ti­ker und unse­re Gesell­schaft bedeuten?

Gre­ta Thun­berg, TEDx­Stock­holm, Novem­ber 2018

Gre­ta Thun­berg bestreik­te anschei­nend ein Son­der­schul­pro­gramm, bei dem Anwe­sen­heit nicht ver­pflich­tend ist. Ande­re Schü­ler mach­ten das an Schu­len, an denen theo­re­tisch Prä­senz­pflicht herrscht, aber, wie sie schnell her­aus­fan­den, nur theo­re­tisch. Mit Covid-19 wur­de das dann uni­ver­sell. Die Schu­len wur­den dicht­ge­macht. Dass es nicht funk­tio­nie­ren kann, wenn man jun­ge Schü­ler aus bil­dungs­fer­nen Haus­hal­ten vor einen Bild­schirm steckt – von denen ohne Inter­net ganz abge­se­hen – und das Schu­le nennt, ist offen­sicht­lich. Dass guter Sprach­un­ter­richt von der Kon­ver­sa­ti­on von Ange­sicht zu Ange­sicht lebt eben­so (auch wenn schon seit Zei­ten des Ton­bands man­che Anbie­ter etwas ande­res erzäh­len, aber immer mit wesent­lich gerin­ge­rem Erfolg, als wenn man die Spra­che tat­säch­lich spricht).

Wir erle­ben eine dra­ma­ti­sche sozia­le Aus­dif­fe­ren­zie­rung, in der man­che Kin­der, deren Eltern Bil­dung, Zeit und Geld haben, sicher mehr ler­nen als in der regel­mä­ßi­gen Schu­le, ande­re aber nicht vor­an­kom­men, son­dern zurück­ge­wor­fen wer­den. Auch die Funk­ti­on der Schu­le als sozia­ler Durch­mi­scher, soweit über­haupt noch gege­ben, fällt flach. Wo das Grund­ge­setz ein ‚Son­de­rungs­ver­bot‘ kennt, haben wir nun eine Son­de­rungs­pflicht. Ein­mal unter­stellt, dass Schu­le über­haupt einen Nut­zen jen­seits des­sen der Ver­wahr­an­stalt habe, wer­den sich die Aus­wir­kun­gen davon noch nach Jahr­zehn­ten bemerk­bar machen, als ver­rin­ger­tes Lebens­ein­kom­men, Unzu­frie­den­heit über sozia­le Ungleich­heit, höhe­re Kriminalität.

Die Bezü­ge der Leh­rer lau­fen frei­lich unge­stört wei­ter, hier und da wohl aug­men­tiert durch Geld für Pri­vat­un­ter­richt in Per­son. Da über­rascht es nicht, wenn sich jeden­falls ame­ri­ka­ni­sche Leh­rer um die For­de­rung scha­ren, dass der Unter­richt erst wie­der regu­lär wei­ter­ge­hen sol­le, wenn es für vier­zehn Tage kei­ne posi­ti­ven Coro­na-Tests mehr gäbe, also selbst bei einer mini­ma­len Anzahl falsch posi­ti­ver Tests am St. Nimmerleinstag.

Abschaf­fung von Fernreisen

Urlaub und Geschäfts­rei­sen sind gestri­chen, die Gren­zen sind vie­ler­orts für regu­lä­re Rei­se­tä­tig­keit zu, der Flug­ver­kehr bricht dra­ma­tisch ein. Auch wo man rei­sen dürf­te: geschäft­lich erlaubt es das Unter­neh­men nicht, und pri­vat wol­len sich vie­le Flü­ge mit Gesichts­lap­pen und der Unsi­cher­heit, ob man daheim in Qua­ran­tä­ne ver­don­nert wird, nicht antun.

Was der berühm­ten ‚Flug­scham‘ nicht gelang ist nun Wirk­lich­keit gewor­den. Die Schä­den für Flug­ge­sell­schaf­ten und die gan­ze dahin­ter­ste­hen­de Infra­struk­tur wie Flug­zeug­her­stel­ler, Flug­ha­fen­be­trei­ber und Raf­fi­ne­rien las­sen sich noch gar nicht quan­ti­fi­zie­ren, könn­ten aber dafür sor­gen, dass auch nach dem Weg­fall der Ein­schrän­kun­gen die Erho­lung lan­ge auf sich war­ten lässt.

Hört auf die Wissenschaft!

Man­che Leu­te sagen, ich sol­le statt­des­sen zur Schu­le gehen. Man­che Leu­te sagen, ich sol­le ler­nen, damit ich als Kli­ma­for­sche­rin „die Kli­ma­kri­se lösen“ kann. Aber die Kli­ma­kri­se ist bereits gelöst. Wir ken­nen alle Fak­ten und die Lösun­gen. Wir müs­sen nur noch auf­wa­chen und etwas ändern.

Gre­ta Thun­berg, TEDx­Stock­holm, Novem­ber 2018

Die ‚Maß­nah­men‘ zu Covid-19 wur­den mit Bezug auf die Wis­sen­schaft gerecht­fer­tigt. Gre­ta Thun­berg behaup­tet gar, dass die Kli­ma­for­schung bereits fer­tig sei, die Inge­nieur­wis­sen­schaf­ten eben­falls, und die Lösun­gen dar­aus klar und ein­deu­tig seien.

In der Theo­lo­gie nennt man eine ähn­li­che Ein­stel­lung, wie Gre­ta sie zur Kli­ma­wis­sen­schaft hat, Fun­da­men­ta­lis­mus. Es gibt kei­ne offe­nen Fra­gen, es gibt kei­ne Unsi­cher­heit, alle Ant­wor­ten sind klar und ein­deu­tig, und es geht nur dar­um, sein Leben ent­spre­chend auszurichten.

Die­ser Fun­da­men­ta­lis­mus ist natür­lich genau das Gegen­teil der wis­sen­schaft­li­chen Metho­de, die in der Bibel­aus­le­gung Text- und Inter­pre­ta­ti­ons­un­si­cher­hei­ten hat, in der Kli­ma­for­schung auf die Schwie­rig­kei­ten der Model­lie­rung stark rück­ge­kop­pel­ter, chao­ti­scher Sys­te­me hin­weist, in der Epi­de­mio­lo­gie eben­falls die Unsi­cher­heit der Daten­la­ge berück­sich­tigt, bei Covid-19 ange­fan­gen mit der im Früh­jahr völ­lig unkla­ren Dun­kel­zif­fer, die im Innen­mi­nis­te­ri­um ein­fach per Dekret auf Null gesetzt wur­de, um so ein maxi­ma­les Schre­ckens­sze­na­rio als das rea­lis­ti­sche zu erhalten.

Die Beru­fung auf die Wis­sen­schaft hat zudem das grund­sätz­li­che Pro­blem, dass aus kei­ner Erkennt­nis der Rea­li­tät um uns her­um not­wen­dig folgt, wie wir uns zu ver­hal­ten haben. Dabei spie­len Wer­te und Prä­fe­ren­zen eine gro­ße Rolle. 

Wel­chen Wert hat z.B. eine Stei­ge­rung einer ange­nom­me­nen sta­tis­ti­schen Lebens­er­war­tung im Alters­heim von einem auf zwei Jah­re, wenn man dafür in die­ser Zeit die Enkel nicht sehen und nicht auf Beer­di­gun­gen von Freun­den gehen darf? Unter­schied­li­che Men­schen wer­den das unter­schied­lich beant­wor­ten. Wel­chen Wert hat eine Ver­rin­ge­rung oder viel­leicht auch ein­fach Ver­schie­bung einer Zahl von gro­ßen­teils leicht ver­lau­fen­den Infek­tio­nen im Ver­gleich zum Ver­lust sozia­ler Exis­ten­zen (aller­dings nicht derer, die die­se Ent­schei­dung für ande­re treffen)?

Die Wis­sen­schaft kann das nicht sagen, genau­so wenig wie den opti­ma­len Grad der Ver­rin­ge­rung des Treib­haus­gas­aus­sto­ßes wenn man ein bestimm­tes Kli­ma­mo­dell als gege­ben annimmt. Der Wis­sen­schafts­fun­da­men­ta­lis­mus ist daher in der Metho­de gera­de unwis­sen­schaft­lich und ein rhe­to­ri­scher Trick, mit dem man sei­ne Prä­fe­ren­zen ande­ren Leu­ten als allei­nig gül­tig auf­drü­cken kann.

Die­ses Pro­blem des Wis­sen­schafts­fun­da­men­ta­lis­mus ist übri­gens sogar dem Kin­der­lied bekannt, näm­lich als ‚Die Wis­sen­schaft hat fest­ge­stellt‘.

Sis­tie­rung nor­ma­ler Entscheidungsprozesse

Denn um die Kli­ma­ka­ta­stro­phe zu ver­hin­dern müs­sen wir es ermög­li­chen, Ver­trä­ge zu zer­rei­ßen und bestehen­de Abma­chun­gen und Ver­ein­ba­run­gen auf­zu­ge­ben, in einem Maß­stab den wir uns heu­te noch nicht ein­mal im Ansatz vor­stel­len kön­nen. Und die­se Arten von Hand­lun­gen sind im heu­ti­gen Sys­tem poli­tisch, wirt­schaft­lich oder recht­lich nicht möglich.

Lui­sa Neu­bau­er, Gre­ta Thun­berg, et al.: ‚Open Let­ter and Demands to EU and Glo­bal Leaders‘

Hier spricht jetzt nicht mehr das harm­lo­se, klei­ne Mäd­chen aus Schwe­den, das auch nur noch als zwei­te Autorin nach Lui­sa Neu­bau­er genannt wird. Man darf froh sein, dass immer­hin die For­mu­lie­rung ‚tota­ler und radi­ka­ler‘ ver­mie­den wur­de. Was bei Gre­ta nur die For­de­rung war, in Panik irgend­et­was zu tun, wan­delt sich nun, ange­sichts der Erkennt­nis, dass nicht alle mit­ma­chen wol­len, in die For­de­rung nach einer Art Öko­bol­sche­wis­mus, in dem eine mit beson­de­rer Beru­fung aus­ge­stat­te­te Min­der­heit das „Sys­tem“ aus­wech­selt mit­samt sei­nen poli­ti­schen, wirt­schaft­li­chen und recht­li­chen Grund­la­gen, also die gesam­ten Spiel­re­geln des Zusammenlebens.

Auch hier war der Erfolg mit Bezug auf das ursprüng­li­che Anlie­gen eher durch­wach­sen. Wohl schot­tert Deutsch­land sei­ne Ener­gie­si­cher­heit, aber dann doch nicht auf eine Wei­se, die mit einer beson­de­ren Reduk­ti­on von Treib­haus­gas­emis­sio­nen ein­her­gin­ge, son­dern im Zwei­fel eher noch dadurch, dass eben der Strom zu den Zei­ten, zu denen er gebraucht wird, aus dem Aus­land bezo­gen wird. Dafür fin­den sich auch par­la­men­ta­ri­sche Mehr­hei­ten, aber nach einer rich­ti­gen Öko­dik­ta­tur scheint den Deut­schen der Sinn weni­ger zu ste­hen als nach einem leis­tungs­star­ken Auto.

Covid-19 führ­te dann aller­dings wirk­lich zur all­ge­mei­nen Aus­ru­fung der ‚Stun­de der Exe­ku­ti­ve‘. Wer hät­te vor einem Jahr gedacht, dass Deut­schen von der Poli­zei das stum­me Vor­zei­gen eines Exem­pla­res des Grund­ge­set­zes ver­bo­ten wür­de? Sicher, das mag unge­schick­tes Ver­hal­ten der Poli­zis­ten in der Situa­ti­on gewe­sen sein, das sich in genau die­ser Form hof­fent­lich so schnell nicht wie­der­ho­len wird, aber es war auch die logi­sche Kul­mi­na­ti­on der ‚Maß­nah­men‘. Selbst das Grund­recht, den Kata­log der Grund­rech­te allei­ne und damit offen­sicht­lich ohne nen­nens­wer­tes Infek­ti­ons­ri­si­ko vor­zu­zei­gen, hat im Zwei­fel der emp­fun­de­nen Dring­lich­keit der Situa­ti­on zu weichen.

Panik als Grundstimmung

War­um soll­te ich für eine Zukunft ler­nen, die es bald nicht mehr geben könnte […]?

Gre­ta Thun­berg, COP24, 04.12.2018

Nun kom­men wir zurück zum eigent­li­chen Kern des Ernman/Thunberg’schen Lebens­ge­fühls, der Panik. Gre­ta woll­te laut eige­ner Aus­sa­ge, dass wir alle in Panik verfallen.

Die Emp­fin­dung des all­täg­li­chen Lebens als exis­ten­ti­el­le Kri­se, die ein wesent­li­ches Ele­ment vie­ler Psy­cho­pa­tho­lo­gien ist, wur­de mit Covid-19 weit­ver­brei­tet. In einer Umfra­ge von April bis Juli schätz­ten Bun­des­bür­ger ihr Risi­ko, inner­halb des nächs­ten Jah­res lebens­be­droh­lich an Covid-19 zu erkran­ken, im Durch­schnitt auf 26%, im Medi­an auf 20% ein. Das ist natür­lich schon des­halb rea­li­täts­fremd, weil selbst wenn 100% infi­ziert wür­den, davon kei­ne 26% lebens­be­droh­lich erkran­ken wür­den. Es deckt sich auch über­haupt nicht mit dem Lebens­ge­fühl der Grip­pe­pan­de­mien 2017 und 2018, die von den meis­ten Leu­ten kaum regis­triert wur­den. Auf die­se Rea­li­täts­fremd­heit kommt es aber nicht an – es schei­nen offen­bar die Leu­te den rei­nen Umstand, im Jahr 2020 zu leben, als der Grö­ßen­ord­nung nach so besorg­nis­er­re­gend ein­zu­stu­fen wie eine Krebsdiagnose.

Die lang­fris­ti­gen Aus­wir­kung, bei­spiels­wei­se in Bezug auf die geis­ti­ge Gesund­heit, die­ser Panik sind der­zeit noch gar nicht abzu­schät­zen, dürf­ten aber in Ver­bin­dung mit der sozia­len Iso­la­ti­on und der Schlie­ßung der Schu­len enorm sein, ver­mut­lich auch durch die För­de­rung von Sucht­krank­hei­ten durch die Iso­la­ti­on zuhause.

Eine nur im Kol­lek­tiv zu ver­ste­hen­de Psychopathologie

Schon inner­halb der Fami­lie Thun­berg schei­nen die nor­ma­len, auf ein Indi­vi­du­um bezo­ge­nen psych­ia­tri­schen Dia­gno­sen von DSM und ICD am eigent­li­chen Pro­blem der Fami­li­en­dy­na­mik vor­bei­zu­ge­hen. Male­na Ern­man schrieb, dass bei ihrer Toch­ter Bea­ta, Gre­tas klei­ner Schwes­ter, schwe­re Ver­hal­tens­stö­run­gen nur im Bei­sein der Mut­ter auf­trä­ten, und sie fin­det das offen­bar ganz nor­mal und kei­nen Grund für eine Inter­ven­ti­on, die nicht pri­mär auf die Toch­ter gerich­tet ist: „[D]as kann ich gut nach­voll­zie­hen. Mir ging es mit mei­ner Mut­ter genau­so – alle mei­ne Tics tra­ten in ihrer Gegen­wart sehr viel stär­ker her­vor.“ Mir scheint es nun, dass eine ähn­li­che, nur im Kol­lek­tiv zu ver­ste­hen­de Psy­cho­pa­tho­lo­gie gan­ze west­li­che Gesell­schaf­ten ergrif­fen hat. Die Sehn­sucht der Gre­ta-Begeis­te­rung 2019 hat 2020 mit Covid-19 ihre Erfül­lung gefunden.

Dage­gen soll­ten Sie sich drin­gen­der immu­ni­sie­ren als gegen das Virus selbst. Ver­trau­en Sie auf Ihren Ver­stand und sehen Sie der Zukunft opti­mis­tisch entgegen!

Nota bene: Aus die­sen Über­le­gun­gen bezüg­lich einer voll­kom­men irra­tio­na­len, patho­lo­gi­schen und selbst­zer­stö­re­ri­schen Panik fol­gen selbst­ver­ständ­lich kei­ne Erkennt­nis­se über die tat­säch­li­che Gefähr­lich­keit von Treib­haus­ga­sen oder von SARS-CoV‑2. Man kann vor tat­säch­li­chen Gefah­ren genau­so in irra­tio­na­le und läh­men­de Panik ver­fal­len wie vor nur ima­gi­nier­ten. In jedem Fall aber ist die­se Panik ein schlech­ter Ratgeber.

Eben­falls nota bene: Nichts liegt mir fer­ner als eine Fern­dia­gno­se psych­ia­tri­scher Pro­ble­me in einer Fami­lie oder deren Bloß­stel­lung. Mir geht es um die Sym­pto­ma­tik als Zei­chen unse­rer Zeit, und ich hal­te mich an das, was die­se Fami­lie sel­ber, frei­wil­lig und hoch­pro­fi­ta­bel über sich sagt.

(Bild: Male­na Ern­man singt zum schwe­di­schen Natio­nal­fei­er­tag 2016, Bengt Nyman.)