Wer Ausgaben tätigt, die mit seinem erklärbaren Einkommen in keinem Verhältnis stehen, der muss mit der Aufmerksamkeit der Steuerfahndung und insbesondere seit der Neuregelung der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung 2017 sogar mit der des Staatsanwalts rechnen, ohne den Nachweis, eine konkrete Straftat begangen zu haben. Politiker unterliegen zwar Regeln zur Offenlegung von Nebeneinkünften, sind aber nicht verpflichtet, ihr Vermögen und dessen Herkunft öffentlich zu machen. Trotzdem hat die Öffentlichkeit ein gewisses Interesse an solchen Dingen und stellt sich ihre Fragen wenn die Ausgaben von Spitzenpolitikern in einem erkennbaren Missverhältnis mit ihren offiziellen Einnahmen stehen.
Villa zu 4,2 Millionen
Solche Fragen stellt man sich, wenn man liest, dass Gesundheitsminister Jens Spahn und sein Mann sich eine Villa zu 4,2 Millionen Euro gekauft haben sollen. Das Gebäude soll vorher auf 3 Millionen geschätzt worden sein, was der Möglichkeit des Verkaufs und der Kreditfinanzierung gewisse Grenzen setzen könnte. Dazu zahlen Berliner offenbar die höchsten Nebenkosten beim Immobilienerwerb, im Schnitt wohl über 15%, die sofort weg sind. Nehmen wir 10% als unteres Ende an, dann wären das 420.000€ nur an Transaktionskosten.
Harald Schmidt hat sich einmal in unterhaltsamer Weise die Baufinanzierung des damaligen Bundeskanzlers Schröder durchgerechnet, die trotz eines wesentlich bescheideneren Reihenhauses auch irgendwie schwierig nachvollziehbar war, jedenfalls wenn man als Banker nicht davon ausging, dass von russischen Gasinteressen schon ordentlich Geld hereinkommen könnte:
So detailliert will ich es gar nicht machen, sondern ich sage mir einmal, dass die cost of carry eines Hauses, und damit die Miete, die man sich selber zahlen können muss, ganz grob geschätzt 5% des Wertes im Jahr ausmachen. Wer in einem Haus für eine halbe Million leben will, der sollte damit in der Lage sein, dafür auf starke 2000€ im Monat zu verzichten.
Diese Finanzierung haut nicht hin
Mit dieser Faustregel bräuchten Minister Spahn und sein Mann also 210.000€ im Jahr oder 17.500€ im Monat für das Haus. Dazu kommen die Nebenkosten des Kaufs, die wir einmal auf zehn Jahre abschreiben wollen, so dass wir zu Gesamtkosten von 252.000€ im Jahr oder 21.000€ im Monat kommen. Das ist auch für Gutverdiener eine ganz ordentliche Ansage. Will man, was weise ist, nicht mehr als 35% seines Einkommens auf das Wohnen aufwenden, dann sollte man 720.000€ im Jahr verdienen, und zwar netto, so dass das Bruttoeinkommen irgendwo in der Größenordnung von 1,4 Millionen liegen sollte. Das muss man erstmal stemmen.
Nun hat Herr Spahn offenbar ein Einkommen als Minister und Abgeordneter von rund 240.000€ im Jahr, sagen wir ohne die steuerlichen Besonderheiten Abgeordneter durchzurechnen 140.000€ netto. Wesentliche Nebeneinkünfte sollen nicht bestehen. Sein Mann Daniel Funke steht seit elf Jahren als Journalist im Berufsleben. Sehr erfolgreich zwar, aber so richtig wachsen im Printjournalismus die Bäume wohl auch nicht nicht in dem Himmel. Sagen wir, er hätte ähnliche Einkünfte wie sein Mann, so dass das Paar runde 280.000€ netto hätte. Das haut mit einem Haus, das zu bewohnen 252.000€ im Jahr kostet, nicht hin. Gehen Sie mal mit derartigen Finanzierungsvorstellungen zur Bank, und der kurze Verlauf des Gesprächs wird in der Tat Ihrem eigenen Schutz vor einem kolossalen Fehler dienen.
Wo kommt das Geld her?
Jetzt fragt man sich: Wo kommt das Geld her? Klar, es kann sein, dass einer der beiden reich geerbt hat oder sonst von der Familie massive Zuwendungen erhalten hat. Es kann aber natürlich auch sein, dass einer der beiden aus irgendwelchen Geschäften oder Tätigkeiten sehr hohe Bezüge erzielt hat oder erzielt, und da wäre dann bei einem Bundesminister schon interessant zu erfahren, ob da vielleicht irgendwelche Abhängigkeiten oder Dankbarkeiten bestehen könnten.
Wenn die Hausfinanzierung extrem ambitioniert kalkuliert wurde, dann wäre das ebenfalls interessant zu erfahren, denn bei einem Minister in Geldnot könnten logischerweise leichter andere Interessen in Versuchung kommen, diese Geldnot in der Hoffnung auf eine Gegenleistung zu lindern, als bei einem normalen Arbeitnehmerpaar, das sich mit dem Immobilienkauf verhoben hat.
Noch mehr Fragen stellt man sich übrigens, wenn es bei einem Artikel auf Telepolis zu diesem Thema nur heißt: „Dieser Artikel wurde aufgrund einer juristischen Auseinandersetzung gesperrt.“ Die von Google noch gespeicherte Artikelüberschrift war „Mitten in der Coronakrise soll Jens Spahn sich eine Luxusvilla …“ Was daran wohl justiziabel gewesen sein soll?
Sehr geringe Wohneigentumsquote in Deutschland
Es gibt übrigens auch schon das Faktum der Nebenkosten beim Hauskauf zu denken, auch wenn man das einmal in normalere Dimensionen herunterrechnet. Wenn man für den Kauf einer Immobilie runde zwei Jahresmieten als Nebenkosten verpulvern muss, dann wird damit der Immobilienkauf insbesondere für junge Paare, die sich vielleicht noch örtlich verändern oder später vergrößern wollen, massiv eingeschränkt. Wer nicht viel Geld hat, kann sich damit eigentlich nur dann ein Haus kaufen, wenn er weiß, dass er nicht so schnell umziehen will, und er kann auch später schlechter neue berufliche Chancen an einem anderen Ort wahrnehmen. Das könnte durchaus etwas mit der im internationalen Vergleich sehr geringen Wohneigentumsquote in Deutschland von rund 45% zu tun haben.
Nun ist der Besitz von Immobilien nicht unbedingt das beste Investment. Rein finanziell-kalkulatorisch gesehen kann es durchaus Vorteile haben, zur Miete zu wohnen und sein Geld in Aktien anzulegen. Die Möglichkeit, eine Immobilie zur eigenen Nutzung zu erwerben, hat aber viele soziale Vorzüge. Wem die finanzielle Disziplin zum Sparen fehlt, der wird durch das monatliche Abzahlen des Hauses mit sanftem Druck zum Vermögensaufbau gezwungen, und er sieht jeden Tag das positive Resultat seines Verzichts auf anderen Konsum. Soziale Spannungen über die angebliche kapitalistische Ausbeutung durch den Mietzins werden entschärft, wenn mehr Bürger ihre eigenen Vermieter sind und auch an steigenden Immobilienpreisen partizipieren statt nur höhere Mieten zahlen zu müssen. Der Stolz auf das eigenen Haus, das man liebevoll in Schuss hält und nach eigenen Vorstellungen einrichtet und verbessert, ist etwas ganz anderes als der Blick auf ein Aktienportfolio. Es wäre schön, wenn dieser Stolz in Deutschland nicht einen Dukatenesel oder sonstiges von außen schwer erklärbares Einkommen oder Vermögen erfordern würde.
(Die Rechnungen in diesem Artikel sind, wie auch dargelegt, überschlägig. Auf exakte Zahlen und das Durchrechnen einer hypothetischen Steuererklärung kommt es nicht an, um zu bemerken, dass mit einem Ministergehalt und einem Gehalt eines Journalisten mit einem Jahrzehnt erfolgreicher Berufstätigkeit vier Millionen für ein Haus schlecht zu stemmen sind.)
Hallo,
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Sehe da eigentlich keinen juristisch fragwürdigen Inhalt, meine aber gelesen zu haben, dass die Kaufsumme von 4 Mio anfangs umstritten war.
„Rätselhaft ist, wie Spahn dies finanziert, der als Minister 20.000 Euro monatlich verdient. Sein Ehemann soll 42.000 verdienen.“