Fern­stu­di­um für alle?

Die Umstel­lung des Lehr­be­triebs der Uni­ver­si­tä­ten auf Online-Unter­richt stellt die uni­ver­si­tas von Leh­ren­den und Ler­nen­den als phy­sisch zusam­men­kom­men­de Gemein­schaft in Fra­ge. Bes­ten­falls ent­steht dar­aus ein kos­mo­po­li­ti­scher Lehr­be­trieb, der sich vom Ort der Heim­uni­ver­si­tät abkop­peln kann. Schlimms­ten­falls schot­tern wir gera­de die Bil­dung gan­zer Jahrgänge.

Die Uni­ver­si­tä­ten welt­weit sind im Zuge von Covid-19 zu Online­an­ge­bo­ten über­ge­gan­gen. Das wirft inter­es­san­te Fra­gen für die Zukunft des Stu­di­ums auf, bei denen sich die Uni­ver­si­tä­ten fra­gen las­sen müs­sen, wie weit sie sich als Insti­tu­tio­nen noch für zeit­ge­mäß halten.

Stu­dent zu sein bedeu­te­te ein­mal, dass man zu Lehr­ver­an­stal­tun­gen einer an einen Ort gebun­de­nen Uni­ver­si­tät geht

Ein inter­es­san­ter Auf­re­ger dabei ist die Fra­ge, wie mit aus­län­di­schen Stu­den­ten zu ver­fah­ren ist, deren Uni­ver­si­tä­ten die­sen Herbst nur Fern­un­ter­richts-Ange­bo­te machen, oder wo jeden­falls der betrof­fe­ne Stu­dent nur Fern­un­ter­richts-Ange­bo­te belegt oder in sei­nem Fach bele­gen darf. Es wur­de auch in Deutsch­land Zeter und Mor­dio gegen den bösen Trump geschrie­en, des­sen Ein­wan­de­rungs­be­hör­de kei­ne Grund­la­ge für Stu­den­ten­vi­sa sah, wenn kei­ne Lehr­ver­an­stal­tun­gen vor Ort belegt wer­den. Doof nur, dass die Rechts­la­ge in Deutsch­land auch nicht anders ist. „Fern­stu­di­um für alle?“ weiterlesen

Psy­cho­lo­gie ist das Opi­um der Studenten!

Psy­cho­lo­gie erfreut sich als Stu­di­en­fach einer wach­sen­den Beliebt­heit. Gleich­zei­tig durch­lebt sie die ‚Repli­ka­ti­ons­kri­se‘, die ihren Anspruch auf Wis­sen­schaft­lich­keit gefähr­det. Die­se bei­den Beob­ach­tun­gen könn­ten zusammenhängen.

Die FAZ hat einen Bei­trag, „war­um Psy­cho­lo­gie“ als Stu­di­en­fach „so im Trend ist,“ teil­wei­se mit gefor­der­ten Noten­durch­schnit­ten von 1,0 für den nume­rus clau­sus. Die Psy­cho­lo­gie ist mitt­ler­wei­le siebt­be­lieb­tes­tes Stu­di­en­fach in Deutsch­land. Der Arti­kel erwähnt gute Berufs­aus­sich­ten, den Wunsch, sich selbst zu ver­ste­hen, den Wunsch nach Selbst­op­ti­mie­rung. Das mag alles sein, aber ich möch­te den Vor­schlag machen, dass die Attrak­ti­vi­tät des Fachs auf jun­ge Leu­te, die eben noch nicht wis­sen­schaft­lich zu arbei­ten gelernt haben, auch einen ande­ren Grund hat: Es han­delt sich um ein Fach am Ran­de der Wissenschaftlichkeit.

Ein Fach in der Replikationskrise

In den ver­gan­ge­nen Jah­ren sahen sich eini­ge Tei­le des aka­de­mi­schen Betriebs, aber zuvor­derst die Psy­cho­lo­gie, mit der soge­nann­ten Repli­ka­ti­ons­kri­se kon­fron­tiert. (Als Such­be­griff, wenn Sie mehr dazu lesen möch­ten, emp­fiehlt sich das eng­li­sche ‚repli­ca­ti­on cri­sis‘.) Vie­le expe­ri­men­tel­le Resul­ta­te der Psy­cho­lo­gie hal­ten dem Ver­such der Repro­duk­ti­on nicht stand. Was deut­lich schlim­mer ist: Sie hal­ten dem Ver­such der Repli­ka­ti­on nicht stand, obwohl nicht nur Zusam­men­fas­sun­gen der Resul­ta­te ver­öf­fent­licht wer­den, son­dern auch sta­tis­ti­sche Aus­wer­tun­gen mit p‑Werten weit­aus bes­ser als 0,05, der magi­schen Linie für Ver­öf­fent­li­chun­gen, die naiv inter­pre­tiert nahe­legt, dass mit 95% Wahr­schein­lich­keit das Resul­tat kein Zufall gewe­sen sein kön­ne. „Psy­cho­lo­gie ist das Opi­um der Stu­den­ten!“ weiterlesen

Die Medi­zi­ner behan­deln wie­der den Volkskörper

Rund drei­zehn­hun­dert Men­schen aus dem Umfeld der Medi­zin unter­zeich­ne­ten einen Brief, der die Floyd-Pro­tes­te als gesund­heits­för­dernd, Demons­tra­tio­nen gegen die Coro­na-Maß­nah­men hin­ge­gen als krank­ma­chend beur­teilt. Medi­zin hat mit Macht zu tun. Aus ihrem Miss­brauch ergibt sich ein Ver­trau­ens­ver­lust der Bür­ger. Immer­hin: Man wird sehen, zu wie vie­len Neu­in­fek­tio­nen die Mas­sen­auf­läu­fe und Aus­schrei­tun­gen führen.

Dass wir einen rapi­den Ver­trau­ens­ver­lust der Pres­se, der frü­he­ren ‚vier­ten Gewalt,‘ erle­ben, ist nicht neu. Nicht nur auf die­sem Blog lehrt einen der Ver­gleich des sich immer wei­ter ver­en­gen­den Mei­nungs­kor­ri­dors der Pres­se mit den Fak­ten und mit den Mei­nun­gen von vor nur weni­gen Wochen das Grau­sen. Auch die Wis­sen­schaft erlebt eine sol­che Ver­en­gung. Beson­ders deut­lich wur­de das schon seit eini­ger Zeit an den Kli­ma­wis­sen­schaf­ten, wo Erkennt­nis­in­ter­es­se und Akti­vis­mus nicht immer sau­ber getrennt wur­den. Wenn das jetzt auch noch die Medi­zin betrifft, dann kom­men wir in eine noch gefähr­li­che­re Zone.

In den Ver­ei­nig­ten Staa­ten wur­de ein von rund drei­zehn­hun­dert Men­schen, die nach eige­ner Dar­stel­lung Medi­zi­ner und Ange­hö­ri­ge des Gesund­heits­we­sen sei­en, unter­zeich­ne­ter offe­ner Brief ver­öf­fent­licht, indem sie die Pro­tes­te, die sich am Tod von Geor­ge Floyd ent­zün­det hat­ten, für medi­zi­nisch dring­li­cher erklä­ren, als ein durch sol­che Mas­sen­auf­läu­fe mög­li­cher­wei­se ver­ur­sach­tes Über­tra­gungs­ri­si­ko von Covid-19. „Die Medi­zi­ner behan­deln wie­der den Volks­kör­per“ weiterlesen

Über­an­ge­passt: Die patho­lo­gi­sche Wissenschaft

In der Sci­ence erschien ein Arti­kel, der mit einem kom­ple­xen mathe­ma­ti­schen Ver­fah­ren die Ver­än­de­rung der Aus­brei­tungs­dy­na­mik von SARS-CoV‑2 abschätzt. Er kommt zu dem Ergeb­nis, dass die Kon­takt­sper­re eine wesent­li­che Wir­kung gehabt habe, und emp­fiehlt Vor­sicht bei der Locke­rung der „Maß­nah­men“. Das wur­de auch gleich von der Wis­sen­schafts­re­dak­ti­on der FAZ auf­ge­schnappt. Lei­der begeht der Arti­kel mit der Ver­wen­dung eines so kom­ple­xen Modells mit zahl­rei­chen Varia­blen bei einer sehr gerin­gen Daten­ba­sis von zwei Mona­ten täg­li­cher Beob­ach­tun­gen den klas­si­schen Sta­tis­tik­feh­ler der Über­an­pas­sung. Das führt dazu, dass das Ergeb­nis nicht von den Daten bestimmt wird, son­dern von den Annah­men der Autoren. Ein astro­lo­gi­sches Modell wür­de genau­so über­zeu­gend wir­ken­de Ergeb­nis­se lie­fern. Die Unter­füt­te­rung poli­ti­scher Ent­schei­dun­gen durch Arti­kel mit wis­sen­schaft­li­chem Anspruch, aber dün­nen wis­sen­schaft­li­chen Ergeb­nis­sen, trägt zum Ver­trau­ens­ver­lust des Wis­sen­schafts­be­triebs bei.

Die Qua­li­tät wis­sen­schaft­li­cher Arbeit soll­te eigent­lich mit der prak­ti­schen und sozia­len Rele­vanz eines The­mas stei­gen. Lei­der ist das Gegen­teil der Fall, und wenn eine bestimm­te Fra­ge­stel­lung oder wis­sen­schaft­li­che Dis­zi­plin von hin­rei­chen­der Wich­tig­keit ist, dann unter­liegt sie nahe­zu zwangs­läu­fig der Poli­ti­sie­rung. Ab einer hin­rei­chen­den Wich­tig­keit des The­mas läuft Wis­sen­schaft Gefahr, dass poli­ti­sche Lager­bil­dung die Dis­kus­sio­nen um die Sache und ins­be­son­de­re die wis­sen­schaft­li­che Metho­de völ­lig über­schat­tet. Ein Bei­spiel dafür lie­fert der Arti­kel ‚Infer­ring chan­ge points in the spread of COVID-19 reve­als the effec­ti­ve­ness of inter­ven­ti­ons‘, erschie­nen auf dem Olymp wis­sen­schaft­li­cher Publi­ka­ti­on, in der Sci­ence, und dann dis­ku­tiert in der FAZ. „Über­an­ge­passt: Die patho­lo­gi­sche Wis­sen­schaft“ weiterlesen

Nicht­wis­sen­schaft des Tages: „Zukunfts­for­schung“

Die FU Ber­lin hat einen Mas­ter­stu­di­en­gang ‚Zukunfts­for­schung‘ mit Anspruch auf Wis­sen­schaft­lich­keit. An der scheint es aber zu feh­len, und schwer­ge­wich­ti­ge Grün­de spre­chen dage­gen, dass so eine Wis­sen­schaft über­haupt mög­lich ist. Wäre ein Stu­di­en­gang ‚Mode­ra­ti­ons­tech­ni­ken‘ nicht dem Erreich­ba­ren angemessener?

Ben­to hat ein Inter­view mit einer „Zukunfts­for­sche­rin“, die „erklärt, wie der Neu­an­fang [nach der Coro­na­kri­se] gelin­gen kann.“ Ich will mich an der sym­pa­thisch wir­ken­den jun­gen Dame nicht abar­bei­ten, zumal man von einem Stu­di­en­an­fän­ger viel­leicht nicht erwar­ten kann, die Sinn­haf­tig­keit eines inter­es­sant klin­gen­den Fel­des vor Stu­di­en­an­tritt kri­tisch zu hin­ter­fra­gen. Mit dem Abschluss in der Tasche soll­te man ihn logi­scher­wei­se gut ver­kau­fen, und die Dame hat sich sogar selb­stän­dig gemacht, lebt also wohl nicht von der öffent­li­chen Hand in den Mund. Ihr Stu­di­en­fach, ein ‚Mas­ter­stu­di­en­gang Zukunfts­for­schung‘ an der FU Ber­lin, scheint mir aber eine kri­ti­sche Betrach­tung wert zu sein.

Die Eigen­dar­stel­lung die­ses Stu­di­en­gan­ges betont, dass es sich um „wis­sen­schaft­li­che Ana­ly­se von Zukunfts­bil­dern“ hand­le. Nun wird man von einer Wis­sen­schaft eine ihr spe­zi­fi­sche Metho­dik erwar­ten dür­fen, und einen erkenn­ba­ren Fort­schritt von Wis­sen. „Nicht­wis­sen­schaft des Tages: „Zukunfts­for­schung““ weiterlesen