Eine Studie aus Los Angeles County schätzt die dortige Dunkelziffer von SARS-CoV‑2 Infektionen auf das 55-fache der bekannten Fälle. Das deckt sich ungefähr mit Ergebnissen weiter im Norden von Kalifornien. Allerdings waren das zum betrachteten Zeitpunkt Anfang April immer noch nur 4% der Bevölkerung. Angenommen, die Zahlen der Studie seien korrekt, hat man damit nun ein Problem:
Einerseits ist die Seuche immer noch im Anfangsstadium, und bis zum Erreichen der Herdenimmunität müssten noch rund fünfzehnmal so viele Menschen infiziert werden als es bereits waren. Sagen wir, die Zahl der Infizierten habe sich über den April verdoppelt, dann wären es noch siebeneinhalbmal so viele. Obwohl man die Schätzung der Sterblichkeit gerade um Faktor Fünfzig senken durfte, was eine sehr gute Nachricht ist, wären für diesen Landkreis alleine noch tausende Tote zu erwarten, allerdings bei einer Bevölkerung von 10 Millionen.
Andererseits kann man es sich aber vermutlich abschminken, die Ausbreitung wesentlich durch Testen von Verdachtsfällen bekämpfen zu können, wenn nach zwei Monaten Coronapanik immer noch nur jeder fünfzigste Infizierte durch Tests identifiziert würde, also ein vernachlässigbarer Anteil.
Einen Königsweg aus diesem Dilemma kann ich nicht anbieten. Über eines aber bin ich mir sicher: Die moralisierende Diskussion über Strategien von Herdenimmunität oder Unterdrückung bis zum Vorhandensein eines Impfstoffes, bei gleichzeitigem Desinteresse an einer Faktenbasis, hat uns gar nichts gebracht außer moralischer Selbstversicherung in den jeweiligen Lagern.