Wehe den Men­schen: Lega­le ‚Eutha­na­sie‘ Unwil­li­ger in den Niederlanden

Der Hohe Rat hat in den Nie­der­lan­den letzt­in­stanz­lich eine Ärz­tin frei­ge­spro­chen, die eine Demenz­pa­ti­en­tin gegen deren aus­drück­li­chen Wunsch getö­tet hat. Welch eine Ver­ro­hung unse­rer Gesell­schaft, welch eine Zer­rüt­tung der natür­lichs­ten Ver­trau­ens­ver­hält­nis­se muss aus sol­chem Han­deln folgen!

Clemens Graf von Galen

Der Hohe Rat hat in den Nie­der­lan­den letzt­in­stanz­lich eine Ärz­tin frei­ge­spro­chen, die eine Demenz­pa­ti­en­tin gegen deren aus­drück­li­chen Wunsch getö­tet hat. Es ist dies eine Ver­wil­de­rung der Sit­ten, die einem das Blut in den Adern gefrie­ren las­sen kann, und die den Blick in die Zukunft schwer betrübt.

Sie hat ihren Wil­len geäu­ßert, näm­lich den, nicht getö­tet wer­den zu wollen

Der Fall unter­schied sich von all dem, was man sonst unter dem Schlag­wort ‚Ster­be­hil­fe‘ dis­ku­tiert, dar­in, dass die getö­te­te Pati­en­tin nicht den Wil­len geäu­ßert hat, ster­ben zu wol­len. Sie was auch nicht durch eine Lei­den ver­ur­sa­chen­de Krank­heit dar­an gehin­dert, ihren Wil­len zu äußern. Nein, sie hat ihren Wil­len geäu­ßert, näm­lich den, nicht getö­tet wer­den zu wollen. 

Wohl hat die Pati­en­tin in einer vor­her­ge­hen­den Pati­en­ten­ver­fü­gung die Mög­lich­keit des Sui­zids offen­ge­hal­ten und geäu­ßert, sie wol­le ster­ben „wenn ich den­ke, dass die Zeit dafür reif ist.“ Die­se Bedin­gung scheint ein­deu­tig zu sein. (Aller­dings liegt mir der vol­le Text der Ver­fü­gung nicht vor.) In Gesprä­chen hat sie sich dahin­ge­hend geäu­ßert, dass die Zeit eben noch nicht reif sei. Das spricht dafür, dass sie trotz ihrer Demenz den Unter­schied zwi­schen Leben und Tod jeden­falls noch ver­stan­den hat. Dar­auf­hin wur­de ihr, offen­bar von ihrer Fami­lie initi­iert und von meh­re­ren Ärz­ten geprüft und geneh­migt, ein töd­li­ches Medi­ka­ment verabreicht.

Was ist denn Mord?

Was ist denn Mord wenn nicht das hin­ter­häl­ti­ge, weil das beson­de­re Ver­trau­ens­ver­hält­nis zu den Heil­be­ru­fen aus­nut­zen­de, Ver­ab­rei­chen eines töd­li­chen Gifts an eine wehr­lo­se Pati­en­tin, die klar aus­ge­drückt hat, das sie das nicht will, jeden­falls noch nicht? (Und bevor mir jemand dumm kommt: Ich bin kein Exper­te im Straf­recht der Nie­der­lan­de und kann nicht bewer­ten, ob es nach dor­ti­gem posi­ti­vem Recht als Mord straf­bar ist – das Gericht sah es offen­bar anders. Mord dürf­te es aller­dings nach dem Rechts- und Sit­ten­ver­ständ­nis der meis­ten Rechts- und Sit­ten­krei­se zu den meis­ten Zei­ten sein, aus­ge­nom­men sol­che tota­ler Zügellosigkeit.)

„Dann ist kei­ner von uns sei­nes Lebens mehr sicher“

Cle­mens Graf von Galen hielt am 3. August 1941 eine flam­men­de Pre­digt gegen das ‚Euthanasie‘-Unwesen der Nazis (an dem wirk­lich nichts ‚eu‘ war, ‚tha­na­tos‘ dage­gen um so mehr). Ich möch­te Ihnen, ob reli­gi­ös oder nicht, die Lek­tü­re die­ser Pre­digt in ihrem vol­len Text sehr nahe­le­gen. Ein Absatz aber genügt, um zu sehen, wohin die Rei­se geht:

Dann ist kei­ner von uns sei­nes Lebens mehr sicher. Irgend­ei­ne Kom­mis­si­on kann ihn auf die Lis­te der Unpro­duk­ti­ven set­zen, die nach ihrem Urteil lebens­un­wert gewor­den sind. Und kei­ne Poli­zei wird ihn schüt­zen und kein Gericht sei­ne Ermor­dung ahn­den und den Mör­der der ver­dien­ten Stra­fe über­ge­ben. Wer kann dann noch Ver­trau­en haben zu einem Arzt? Viel­leicht mel­det er den Kran­ken als unpro­duk­tiv und erhält die Anwei­sung, ihn zu töten? Es ist nicht aus­zu­den­ken, wel­che Ver­wil­de­rung der Sit­ten, welch all­ge­mei­nes gegen­sei­ti­ges Miss­trau­en bis in die Fami­li­en hin­ein­ge­tra­gen wird, wenn die­se furcht­ba­re Leh­re gedul­det, ange­nom­men und befolgt wird. Wehe den Men­schen, wehe unse­rem deut­schen Volk, wenn das hei­li­ge Got­tes­ge­bot: «Du sollst nicht töten!», das der Herr unter Don­ner und Blitz auf Sinai ver­kün­det hat, das Gott unser Schöp­fer von Anfang an in das Gewis­sen der Men­schen geschrie­ben hat, nicht nur über­tre­ten wird, son­dern wenn die­se Über­tre­tung sogar gedul­det und unge­straft aus­ge­übt wird!

Cle­mens Graf von Galen, Pre­digt zu Lukas 19, 41–47, 3. August 1941

In der Tat. Wie soll man Gerich­te und staat­li­che Ein­rich­tun­gen respek­tie­ren, wenn sie einen nicht von Mord schüt­zen? Wel­che Bezie­hung soll man zu sei­ner Fami­lie haben, wenn die Mög­lich­keit besteht, dass einen die engs­ten Ver­wand­ten gegen sei­nen eige­nen Wil­len töten las­sen? Wel­che Bezie­hung soll man zu einem Arzt haben, wenn der nicht hei­len will und auch nicht lin­dern, wo nichts zu hei­len ist, son­dern heim­lich gegen den eige­nen Wil­len – und damit heim­tü­ckisch – töten? Welch eine Ver­ro­hung unse­rer Gesell­schaft, welch eine Zer­rüt­tung der natür­lichs­ten Ver­trau­ens­ver­hält­nis­se muss aus sol­chem Han­deln folgen!

Wehe den Menschen!