Zwei­er­lei Maß

Die FAZ bewer­tet die Angrif­fe von Diet­zen­bach und die in ame­ri­ka­ni­schen Städ­ten sehr unter­schied­lich. Man will sich gar nicht aus­ma­len, wie die Redak­teu­re auf sol­che Vor­gän­ge vor ihrer Haus­tür regie­ren wür­den und wen sie dann wäh­len würden.

Es gibt im Ame­ri­ka­ni­schen einen Spruch, dass ein Lin­ker ein Rech­ter sei, der noch nicht bru­tal über­fal­len wur­de. Das ist ver­kürzt, aber es fällt doch sehr ins Auge, wie Tei­le der Medi­en mor­den­de und bren­nen­de Hor­den je nach Ent­fer­nung vom eige­nen Wohn­ort anders bewerten.

Zu dem geplan­ten und mas­si­ven Angriff auf Poli­zei­be­am­te in Diet­zen­bach schrieb Katha­ri­na Iskandar:

Einen der­ar­ti­gen Aus­bruch von Gewalt wie im hes­si­schen Diet­zen­bach kann­te die Poli­zei bis­her nur von extre­mis­ti­schen Grup­pie­run­gen. War dies tat­säch­lich ein Rache­akt, ist man von sol­cher Schwer­kri­mi­na­li­tät nicht mehr weit entfernt. […]

Fast hat es den Anschein, als gebe es Grup­pen, die Reprä­sen­tan­ten des Staa­tes pau­schal zum Frei­wild erklä­ren. Ob mit oder ohne Anlass. Aus Rache oder purer Lust an der Kon­fron­ta­ti­on. Dage­gen här­te­re Stra­fen zu ver­hän­gen, ist des­halb das Min­des­te, was der Rechts­staat leis­ten muss.

Katha­ri­na Iskan­dar, ‚Hass auf den Staat‘, FAZ, 29.05.2020

Über die weit­aus bru­ta­le­ren Vor­fäl­le in Ame­ri­ka wird dage­gen eher im Stil einer Fuß­ball­re­por­ta­ge berichtet:

Frei­tag­abend, kurz vor acht Uhr, in der Lake Street. Eigent­lich sol­len die Bür­ger nun in ihren Häu­sern sein. Doch die Demons­tran­ten strö­men jetzt erst recht in den Süden der Stadt. Es sind nicht so vie­le wie am Tag zuvor. Dafür hat sich ihre Zusam­men­set­zung ver­än­dert: Wer jetzt in der Lake Street ist, rech­net mit Kon­fron­ta­ti­on. Wäh­rend unter der Brü­cke die Natio­nal­gar­dis­ten wei­ter ihre Stel­lung hal­ten, haben sich am ande­ren Ende der abge­rie­gel­ten Gegend Poli­zei­kräf­te des Bun­des­staa­tes posi­tio­niert. Sie sichern die aus­ge­brann­te Poli­zei­wa­che. Plötz­lich flie­gen wie­der Stei­ne. Auch haben Demons­tran­ten Bret­ter besorgt, die sie als Schutz­schild benut­zen, um sich der Poli­zei­sper­re zu nähern. Die Sicher­heits­kräf­te set­zen wie­der Trä­nen­gas ein, doch die Wache kön­nen sie nicht mehr sichern. Ein sym­bo­li­scher Sieg der Demonstranten.

Majid Sat­tar, ‚Am „Ground Zero“ der Pro­tes­te‘, FAZ, 30.05.2020

Dabei sind die Grö­ßen­ord­nun­gen nicht ver­gleich­bar. Auch in Diet­zen­bach wur­den Poli­zis­ten mit töd­li­chen Waf­fen ange­grif­fen, aber Chi­ca­go allei­ne hat­te die­ses Wochen­en­de 26 Mor­de (vor­wie­gend an und durch Schwar­ze übri­gens) und unge­hemm­te Plün­de­rung und Brand­stif­tung, gegen die Bür­ger­meis­te­rin und der Gou­ver­neur nicht wirk­sam vor­ge­hen wol­len (außer vor dem eige­nen Haus – das der Bür­ger­meis­te­rin wur­de angeb­lich von 75 Poli­zis­ten bewacht, die damit zum Schutz der Nor­mal­bür­ger ausfielen):

Über Donald Trumps (bis­her lee­res und in der Umset­zung wohl auch auf recht­li­che und prak­ti­sche Schwie­rig­kei­ten sto­ßen­des) Ver­spre­chen, die Natio­nal­gar­de dem Bun­des­kom­man­do zu unter­stel­len oder Bun­des­trup­pen ein­zu­set­zen, ent­blö­det sich die­sel­be Zei­tung nicht zu schrei­ben, dass „er der eige­nen Bevöl­ke­rung wie ein Auto­krat mit einem Blut­bad gedroht hat­te.“ Das Blut­bad fin­det bereits statt, nament­lich in Gegen­den, in denen die Poli­tik es aus Unfä­hig­keit oder gar wil­lent­lich lau­fen lässt.

Ich haben den star­ken Ver­dacht, dass die Wen­de von links nach rechts bei erheb­li­chen Tei­len der FAZ-Redak­ti­on nicht nur bis zur AfD gin­ge, wenn sol­che Sze­nen sich vor ihren Haus­tü­ren, vor den Schu­len ihrer Kin­der, in den Geschäf­ten, wo sie ein­kau­fen, abspie­len würden.