Spahn will nega­ti­ve Coro­na­tests mel­den lassen

Spät kommt die Ein­sicht, aber immer­hin: Die Bun­des­re­gie­rung will end­lich nega­tiv aus­ge­fal­le­ne Coro­na­tests mel­den las­sen. Das ist dann aber schon wie­der dem Daten­schutz­be­auf­trag­ten unrecht, und zwar nicht nur in kri­tik­wür­di­gen Details, son­dern über­haupt. So wird das nichts.

Manch­mal fällt der Gro­schen, wenn auch spät. Bun­des­ge­sund­heits­mi­nis­ter Jens Spahn will mit einem sper­rig benann­ten ‚Zwei­ten Gesetz zum Schutz der Bevöl­ke­rung bei einer epi­de­mi­schen Lage von natio­na­ler Trag­wei­te‘ auch Details zu nega­ti­ven Tests auf SARS-CoV‑2 mel­den las­sen, und bekommt dafür prompt von den Daten­schüt­zern aufs Dach, auch von den Blog­gern. (Schon am 30. April, aber ich habe es erst jetzt gefun­den.) Heu­te berät der Bun­des­tag dar­über. Es ist dies einer der weni­gen sinn­vol­len Ein­fäl­le, die der Bun­des­re­gie­rung ziem­lich spät kom­men, und das soll dann auch wie­der nicht pas­sen, und zwar nicht nur in kri­tik­wür­di­gen Details, son­dern überhaupt.

Wer sich einem Test unter­zieht, geht ohne­hin das Risi­ko ein, bei einem posi­ti­ven Ergeb­nis nament­lich gemel­det zu werden

In einem mei­ner ers­ten Bei­trä­ge auf die­sem Blog vom 6. April schrieb ich: „Um die posi­ti­ve von der nega­ti­ven Les­art zu unter­schei­den, müss­te man drin­gend wis­sen, wie vie­le Tests gemacht wer­den, aber nega­tiv aus­fal­len. Das genau­so sys­te­ma­tisch zu berich­ten wie posi­ti­ve Tests wäre eine Auf­ga­be von höchs­ter Dring­lich­keit und kein gro­ßer Auf­wand bei der bereits bestehen­den Struk­tur für Berich­te posi­ti­ver Tests.“ Neh­men Sie es auf Ver­trau­ens­ba­sis, dass ich das auch schon im Febru­ar gesagt habe, bevor ich die­ses Blog ange­fan­gen habe.

Die Beden­ken der Daten­schüt­zer schei­nen mir dem­ge­gen­über zweit­ran­gig. Die Mel­dung soll pseud­onym ohne Namen und Geburts­da­tum erfol­gen. Die vor­ge­schla­ge­ne Nen­nung des Geburts­mo­nats könn­te man wohl weg­las­sen, jeden­falls bei Getes­te­ten über einem Jahr, es sei denn man glaubt an den Ein­fluss von Stern­zei­chen. Wer sich einem Test unter­zieht, der geht ohne­hin das weit­aus pro­ble­ma­ti­sche­re Risi­ko ein, bei einem posi­ti­ven Ergeb­nis nament­lich gemel­det zu werden.

Der Ver­lust an infor­ma­tio­nel­ler Selbst­be­stim­mung bei der Mel­dung nega­ti­ver Tests ohne Namen, aber mit genü­gend Details, um Sta­tis­ti­ken über das Infek­ti­ons­ge­sche­hen z.B. nach Alters­grup­pen, Geschlech­tern oder dem Anlass des Tests (Sym­pto­me, Kon­takt, etc.) erstel­len zu kön­nen, hal­te im Ver­gleich zum Risi­ko einer nament­li­chen Mel­dung eines posi­ti­ven Tests für sehr gering, erst recht im Ver­gleich zu den gan­zen ande­ren Grundrechtseinschränkungen.

Mel­dung von Pseud­ony­men weder gebo­ten noch gerechtfertigt

Es gibt durch­aus wich­ti­ge Kri­tik­punk­te an dem Vor­schlag. Die Ver­wen­dung von Pseud­ony­men, die dann doch wie­der Rück­schlüs­se auf den Namen der Per­son zulas­sen, scheint mit weder gebo­ten noch gerecht­fer­tigt, son­dern eine anony­me Mel­dung täte es auch. Mathe­ma­tisch ist das das Pro­blem unsi­che­rer Hash­funk­tio­nen. Im Zusam­men­hang mit Ver­schlüs­se­lungs­sys­te­men kann man dazu vie­le inter­es­san­te Din­ge sagen, aber im gege­be­nen Fall kann man das Pro­blem ein­fach dadurch lösen, das Pseud­onym weder zu gene­rie­ren noch zu mel­den. Man ver­lö­re dadurch Infor­ma­tio­nen über Mehr­fach­tests der­sel­ben Per­son, aber die­ser Ver­lust scheint mir recht gering und nicht zu ver­mei­den, wenn man Anony­mi­tät her­stel­len will. Jeden­falls ist logi­scher­wei­se bei Mel­dun­gen unter­schied­li­cher Stel­len eine tat­säch­lich funk­tio­nie­ren­de Anony­mi­sie­rung oder unum­kehr­ba­re Pseud­ony­mi­sie­rung nicht mög­lich, wenn man dann doch wie­der die Iden­ti­tä­ten der Getes­te­ten die­ser unter­schied­li­cher Mel­dun­gen zusam­men­füh­ren will.

Man muss aller­dings auch berück­sich­ti­gen, dass das Pseud­onym und auch der Geburts­mo­nat nach dem Abgleich auf Per­so­nen­iden­ti­tät meh­re­rer Mel­dun­gen gelöscht wer­den muss. Die­se Rege­lung, zusam­men mit der etwas lus­ti­gen Hash­funk­ti­on, fin­det sich schon heu­te im Infek­ti­ons­schutz­ge­setz (§10 (3)). Ich wür­de es immer noch für unnö­tig hal­ten, aber es gibt wohl auch Schlimmeres.

Den Bür­gern wird der Ver­lust der wirt­schaft­li­chen Exis­tenz zuge­mu­tet, es wer­den ihnen Kon­takt­ver­bo­te für die Enkel oder getrennt leben­de Lebens­part­ner zugemutet

Der Bun­des­da­ten­schutz­be­auf­trag­te Ulrich Kel­ber bleibt aller­dings nicht bei Ver­bes­se­rungs­vor­schlä­gen im Detail, son­dern geht wei­ter und bemän­gelt den Ansatz der Samm­lung nega­ti­ver Test­ergeb­nis­se überhaupt:

Es erschließt sich aller­dings nicht, war­um zur Gene­rie­rung sach­dien­li­cher wis­sen­schaft­li­cher Erkennt­nis­se eine bun­des­wei­te Mel­de­pflicht erfor­der­lich ist und nicht auch ört­lich begrenz­te Stu­di­en zu ver­wert­ba­ren Ergeb­nis­sen füh­ren kön­nen –bei einer deut­lich gerin­ge­ren Ein­griffs­in­ten­si­tät für die betrof­fe­nen Bür­ge­rin­nen und Bür­ger. […] Ich sehe hier eine Ver­let­zung des Grund­sat­zes der Datenminimierung

Stel­lung­nah­me des Bun­des­be­auf­trag­ten für den Daten­schutz und die Infor­ma­ti­ons­frei­heit zum Ent­wurf eines Zwei­ten Geset­zes zum Schutz der Bevöl­ke­rung bei einer epi­de­mi­schen Lage von natio­na­ler Trag­wei­te, 30.04.2020

Las­sen wir das Pro­blem unnö­ti­gen Pseud­ony­me ein­mal als Detail, das leicht zu kor­ri­gie­ren wäre, bei­sei­te, dann ergibt das viel­leicht einen Ein­blick, war­um bei uns kaum etwas vor­wärts geht. Den Bür­gern wird der Ver­lust der wirt­schaft­li­chen Exis­tenz zuge­mu­tet, es wer­den ihnen Kon­takt­ver­bo­te für die Enkel oder getrennt leben­de Lebens­part­ner zuge­mu­tet, es wer­den ihnen gra­vie­ren­de Ein­schrän­kun­gen der Demons­tra­ti­ons­frei­heit und der Frei­zü­gig­keit zuge­mu­tet, aber die flä­chen­de­cken­de Erfas­sung von Daten­ma­te­ri­al, das hel­fen könn­te, zu bestim­men, ob die­se Ein­schrän­kun­gen über­haupt sinn­voll sind, soll ein unzu­mut­ba­rer Ver­stoß gegen die Daten­spar­sam­keit sein. So funk­tio­niert das nicht.

Nach­dem inzwi­schen erheb­li­che unge­nutz­te Test­ka­pa­zi­tä­ten ver­füg­bar sind und der Gro­schen bezüg­lich der Samm­lung nega­ti­ver Test­ergeb­nis­se gefal­len ist, darf man viel­leicht sogar noch auf Wun­der und Zei­chen hof­fen, und dar­auf, dass die Bun­des­re­gie­rung durch mög­lichst reprä­sen­ta­ti­ve Stich­pro­ben­tests zufäl­lig Aus­ge­wähl­ter ver­su­chen wird, Licht in die Dun­kel­zif­fer der Infi­zier­ten zu brin­gen? Die müss­ten natür­lich frei­wil­lig sein, aber so unan­ge­nehm ein Rachen­ab­strich ist den­ke ich, dass vie­le Befrag­te mit­ma­chen wür­den, zur Not gegen einen klei­nen Obo­lus. Das wür­de die Reprä­sen­ta­ti­vi­tät gegen­über einem Zwangs­test etwas beein­träch­ti­gen, aber man kann schlecht nach dem Zufalls­ge­nera­tor Leu­ten zwangs­wei­se Stäb­chen in den Rachen schieben.