Gestern kamen drei Zahlen aus Amerika, die einen Einblick in den Zustand der dortigen Volksseele geben mögen:
Der Aktienindex S&P 500 hat einen neuen Rekordstand von 3.580 erreicht. Er liegt damit unter Einbeziehung von Dividenden knappe 7% über dem Vor-Covid-Höchststand vom 19. Februar. Das hängt einerseits natürlich mit der lockeren Geldpolitik zusammen, zeigt andererseits aber im Anstieg der letzten Tage einen positive, fast schon euphorische Stimmung der Marktteilnehmer an. Sie gehen offenbar von einer raschen wirtschaftlichen Erholung aus und fragen Aktieninvestitionen im Vergleich zu vorher stärker nach als liquide Barmittel. Weiterhin rechnen die Märkte wohl mit stark verbesserten Chancen des Präsidenten auf eine Wiederwahl im November.
Die Anzahl von Background-Checks für Feuerwaffenkäufe blieb im August mit 3,1 Millionen auf weiterhin sehr hohem Niveau, wenn sie auch unter dem Wert vom März und der beiden vorigen Male blieb. Das einzige Mal, das sie vorher den Wert von 3 Millionen überschritten hatte, war im Dezember 2015, vermutlich getrieben von der Furcht, die Obama-Regierung oder Einzelstaaten könnten das Bataclan-Massaker im Vormonat für ein Verbot beliebter Langwaffen zu nutzen versuchen. Dieses Mal dürften die Käufe weniger von Torschlusspanik als von den massiven und von Polizei oder Nationalgarde auf politischen Wunsch hin wenig kontrollierten Ausschreitungen der vergangenen Wochen und Monate motiviert sein. Begrenzt werden die Käufe durch die vollständig leergefegten Vorräte an Waffen und Munition – fast alles, was sich ein Erstkäufer zum Heimschutz hertun würde, ist entweder ganz ausverkauft oder geht zu Mondpreisen über den Tresen.
Unter den Käufen dieses Jahres sollen rund fünf Millionen Erstkäufer von Feuerwaffen für das erste Halbjahr sein, mit einem weit überproportionalen Anteil Schwarzer und einem untypisch hohen Anteil von 40% Frauen. Das wiederum könnte direkte Auswirkungen auf die Wahlen haben, denn die Demokratische Partei überbietet sich selbst mit immer neuen Forderungen, Feuerwaffen zu verbieten. Sagen wir bis zum November sieben Millionen Neubesitzer zu einem großen Teil aus demographischen Gruppen, bei denen Donald Trump bisher wenig Erfolg hatte, haben vermutlich kein großes Interesse daran, dass ihnen der Schutz, den sie sich wünschen, weggenommen oder unter drakonischen Strafen verboten wird. Genauso haben sie kein Interesse daran, ihre Waffen zum Einsatz bringen zu müssen, sondern wünschen sich, dass die Polizei und zur Not die Nationalgarde ihre Arbeit machen dürfen.
Donald Trump liegt erstmals seit Ende Mai auf den Wettmärkten für den Gewinner der Präsidentenwahlen gleichauf mit Joe Biden bei 50%. Während die Proteste in Bezug auf den Tod George Floyds am 25. Mai zusammen mit Angst vor Covid-19 offenbar zunächst den Demokraten Auftrieb gaben, wünschen sich die Menschen in Bezug auf beides inzwischen offenbar wieder die Rückkehr zur Normalität, die Rückkehr der Arbeitslosen zur Arbeit, der Schüler in die Schule, und Passanten statt Brandstiftern und Plünderern auf den Straßen. Der Bogen für Covid-Angst ist überspannt, genau wie der Bogen für Proteste, die immer mehr in enthemmte Gewalt ausarteten.
Geschichte wiederholt sich nicht, aber 1968 ist als Vergleich für 2020 wohl doch relevant. Damals gewann Richard Nixon mit seinem Versprechen, Recht und Ordnung wiederherzustellen und den Krieg in Vietnam zu beenden, klar vor Hubert Humphreys Versprechen, den Sozialstaat weiter auszubauen, und dies sogar in der Sondersituation, dass der tiefe Süden für den dritten Kandidaten George Wallace stimmte. Die Leute hatten genug und wollten eine Rückkehr zu Prosperität und Ruhe. Ausgemacht ist noch nichts, aber die Chancen scheinen mir nicht schlecht zu stehen, dass sie es 2020 genauso sehen werden.