Die erste Debatte der Kandidaten für das Amt des amerikanischen Präsidenten verlief enttäuschend. Hier können Sie sie sehen:
Auffallendstes Merkmal ist zunächst, dass beide Kandidaten sich sehr schlecht benommen haben und ständig nicht nur einander, sondern auch dem Moderator Chris Wallace ins Wort fielen, der dann seinerseits nahe am Brüllen war. Das will man seinen Kindern nicht als Sternstunde von Demokratie und Debattenkultur zeigen.
Nicht lustig, sondern unanständig
Donald Trump ist natürlich schon vor vier Jahren mit schlechtem Benehmen Präsident geworden, aber damals gelang es ihm, als brutaler Beleidigungskomiker mit der Präzision eines Scharfschützen und der Wucht eines Dampfhammers tatsächliche Schwächen seiner Gegner brutal und lustig zu benennen. Der einzige, der ihm damals einmal Paroli geben konnte, war Marco Rubio, der neben politischen Angriffen auch die Frage thematisierte, ob außer Trumps Händen auch ein anderes seiner Körperteile klein sei, und der hat sich am nächsten Tag dafür entschuldigt, das sei nicht sein Stil. Dieses Mal wirkte Trump einfach ungezogen, aber nicht lustig und auch nicht treffsicher.
Dabei kam Trump auch in den Bereich des Gefühllosen ohne politischen Sinn. Als Biden von seinem Sohn sprach, der im Irak gedient hat, und auf Nachfrage sagte, er spreche von Beau, sagte Trump, er kenne Beau nicht, wohl aber Hunter. Es ist verständlich, dass Trump lieber von Hunter Bidens Skandalen als von Beau Bidens Dienst im Militär reden wollte, aber Beau ist 2015 an einem Gehirntumor verstorben. Der Satz, Trump kenne Beau, den viel zu früh verstorbenen Sohn seines Gegners, nicht, war nicht lustig, sondern unanständig.
„Zur Zeit bin ich die Demokratische Partei“
Joe Biden ging mit minimalen Erwartungen in die Debatte. Die Frage für ihn war, ob er seine berühmten Aussetzer so weit unter Kontrolle halten könnte, dass sich nicht die Führerscheinstelle bei ihm melden muss. Das ist ihm gut gelungen. Viel mehr aber auch nicht.
Auch Biden führte sich unverschämt auf, insbesondere indem er Trump mehrmals verdeckt und einmal offen als Rassisten bezeichnete. Das ist eine Unverschämtheit, auf die Trump berechtigt mit biblischem Zorn hätte reagieren können und sollen, was er allerdings verpasst hat. Trump erwähnte Bidens Gesetze gegen „Superintensivtäter“ aus der Clinton-Zeit, die vorwiegend Schwarze treffen, hat dieses Argument aber nicht wirklich entwickelt.
Am erstaunlichsten in dieser Debatte war wohl Bidens Strategie, mit der Radikalisierung seiner eigenen Partei umzugehen. Er wies Forderungen wie nach der Abschaffung der Polizei strikt zurück, betonte, dass er hinter der privaten Krankenversicherung stehe und eine sozialisierte Bürgerversicherung ablehne, und übernahm protektionistische Forderungen Donald Trumps. Das steht in offensichtlichem Kontrast zu den Vorstellungen vieler prominenter Mitglieder seiner Partei und auch zu denen seiner Vizepräsidentenkandidatin.
Biden versuchte, diese Spannung mit dem Satz „Zur Zeit bin ich die Demokratische Partei“ aufzulösen. Man kann sich dabei nicht nur fragen, ob er sich für Ludwig XIV. hält, sondern auch wie glaubhaft dieses Versprechen bei einem siebenundsiebzigjährigen Mann eigentlich sein kann. Selbst wenn er seine Parte im Stile eines sowjetrussischen Gerontokraten führen könnte, gibt es keinerlei Gewähr, dass er für eine volle Amtsperiode zur Verfügung steht.
Früher gab es im Degenfechten bei praktisch gleichzeitigen Treffern das Ergebnis der Doppelniederlage, die beiden Kontrahenten auf einem Wettbewerb als Minuspunkte angerechnet wurde. So sollte man diese Debatte wohl auch werten, mit einem gewissen Vorteil für Biden, der die sensationell niedrige Vorgabe erfüllen konnte, anderthalb Stunden lang ohne bedenkliche Aussetzer zu reden.