Der Hohe Rat hat in den Niederlanden letztinstanzlich eine Ärztin freigesprochen, die eine Demenzpatientin gegen deren ausdrücklichen Wunsch getötet hat. Es ist dies eine Verwilderung der Sitten, die einem das Blut in den Adern gefrieren lassen kann, und die den Blick in die Zukunft schwer betrübt.
Sie hat ihren Willen geäußert, nämlich den, nicht getötet werden zu wollen
Der Fall unterschied sich von all dem, was man sonst unter dem Schlagwort ‚Sterbehilfe‘ diskutiert, darin, dass die getötete Patientin nicht den Willen geäußert hat, sterben zu wollen. Sie was auch nicht durch eine Leiden verursachende Krankheit daran gehindert, ihren Willen zu äußern. Nein, sie hat ihren Willen geäußert, nämlich den, nicht getötet werden zu wollen.
Wohl hat die Patientin in einer vorhergehenden Patientenverfügung die Möglichkeit des Suizids offengehalten und geäußert, sie wolle sterben „wenn ich denke, dass die Zeit dafür reif ist.“ Diese Bedingung scheint eindeutig zu sein. (Allerdings liegt mir der volle Text der Verfügung nicht vor.) In Gesprächen hat sie sich dahingehend geäußert, dass die Zeit eben noch nicht reif sei. Das spricht dafür, dass sie trotz ihrer Demenz den Unterschied zwischen Leben und Tod jedenfalls noch verstanden hat. Daraufhin wurde ihr, offenbar von ihrer Familie initiiert und von mehreren Ärzten geprüft und genehmigt, ein tödliches Medikament verabreicht.
Was ist denn Mord?
Was ist denn Mord wenn nicht das hinterhältige, weil das besondere Vertrauensverhältnis zu den Heilberufen ausnutzende, Verabreichen eines tödlichen Gifts an eine wehrlose Patientin, die klar ausgedrückt hat, das sie das nicht will, jedenfalls noch nicht? (Und bevor mir jemand dumm kommt: Ich bin kein Experte im Strafrecht der Niederlande und kann nicht bewerten, ob es nach dortigem positivem Recht als Mord strafbar ist – das Gericht sah es offenbar anders. Mord dürfte es allerdings nach dem Rechts- und Sittenverständnis der meisten Rechts- und Sittenkreise zu den meisten Zeiten sein, ausgenommen solche totaler Zügellosigkeit.)
„Dann ist keiner von uns seines Lebens mehr sicher“
Clemens Graf von Galen hielt am 3. August 1941 eine flammende Predigt gegen das ‚Euthanasie‘-Unwesen der Nazis (an dem wirklich nichts ‚eu‘ war, ‚thanatos‘ dagegen um so mehr). Ich möchte Ihnen, ob religiös oder nicht, die Lektüre dieser Predigt in ihrem vollen Text sehr nahelegen. Ein Absatz aber genügt, um zu sehen, wohin die Reise geht:
Dann ist keiner von uns seines Lebens mehr sicher. Irgendeine Kommission kann ihn auf die Liste der Unproduktiven setzen, die nach ihrem Urteil lebensunwert geworden sind. Und keine Polizei wird ihn schützen und kein Gericht seine Ermordung ahnden und den Mörder der verdienten Strafe übergeben. Wer kann dann noch Vertrauen haben zu einem Arzt? Vielleicht meldet er den Kranken als unproduktiv und erhält die Anweisung, ihn zu töten? Es ist nicht auszudenken, welche Verwilderung der Sitten, welch allgemeines gegenseitiges Misstrauen bis in die Familien hineingetragen wird, wenn diese furchtbare Lehre geduldet, angenommen und befolgt wird. Wehe den Menschen, wehe unserem deutschen Volk, wenn das heilige Gottesgebot: «Du sollst nicht töten!», das der Herr unter Donner und Blitz auf Sinai verkündet hat, das Gott unser Schöpfer von Anfang an in das Gewissen der Menschen geschrieben hat, nicht nur übertreten wird, sondern wenn diese Übertretung sogar geduldet und ungestraft ausgeübt wird!
Clemens Graf von Galen, Predigt zu Lukas 19, 41–47, 3. August 1941
In der Tat. Wie soll man Gerichte und staatliche Einrichtungen respektieren, wenn sie einen nicht von Mord schützen? Welche Beziehung soll man zu seiner Familie haben, wenn die Möglichkeit besteht, dass einen die engsten Verwandten gegen seinen eigenen Willen töten lassen? Welche Beziehung soll man zu einem Arzt haben, wenn der nicht heilen will und auch nicht lindern, wo nichts zu heilen ist, sondern heimlich gegen den eigenen Willen – und damit heimtückisch – töten? Welch eine Verrohung unserer Gesellschaft, welch eine Zerrüttung der natürlichsten Vertrauensverhältnisse muss aus solchem Handeln folgen!
Wehe den Menschen!