Das materielle Sein, so die sozialistische Überzeugung, bestimmt das Bewusstsein. Zumindest in der vulgärmarxistischen Interpretation eines Determinismus ist das natürlich Blödsinn, aber es stimmt wohl schon, dass was jemand zu glauben bereit ist, in einem gewissen Zusammenhang damit stehen kann, was er damit verdient. In diesem Zusammenhang lohnt sich ein Blick auf das erstaunlich gewachsene Einkommen der Saskia Esken.
Sie legt auf ihrer Website ihr Einkommen offen dar. Zur freien Verfügung hat sie monatlich: 10.083€ Abgeordnetenentschädigung, 4.498€ steuerfreie Kostenpauschale, 9.000€ als SPD-Vorsitzende, 368€ Krankenversicherungszuschuss, und 75€ aus einem Kreistagsmandat. Zusammen sind das also 24.024€ monatlich, oder 288.288€ im Jahr. Nicht mitgerechnet sind 23.436€ für Mitarbeiter und Bürokosten, die sie zwar nicht frei ausgeben darf, die aber doch eine gewisse direkte soziale Macht verleihen. Einkünfte aus Honoraren usw. bestehen offenbar nicht.
Esken ist im oberen Prozent angekommen
Nun setzt sich Eskens SPD ja traditionell für die Verdammten dieser Erde ein. Um Eskens Einkommen in Relation zu ihrer Verdammnis zu setzen, können wir die Einkommensteuerstatistik befragen, nach der Esken (Einkünfte ihres Mannes und aus eventuell vorhandenem Vermögen außen vor gelassen) mit diesem Einkommen mindestens unter den oberen 0.8% der in Deutschland Einkommensteuerpflichtigen ist. Die Selbstzurechnung zu den ausgebeuteten 99% wäre also objektiv falsch. Esken ist im oberen Prozent angekommen.
Nun hat Einkommen auch etwas mit Einsatz und Ausbildung zu tun, und ob man eine Viertelmillion im Jahr als viel oder als Einschnitt ansieht, hängt vom vorherigen Einkommen beziehungsweise alternativen Verdienstmöglichkeiten ab. Da sieht es bei Frau Esken in der Tat dünn aus. In ihrer Biographie auf der Website des Bundestags ist ihre Karriere knapp zusammengefasst:
1980 Abitur am Johannes-Kepler-Gymnasium Weil der Stadt; verschiedene ungelernte Tätigkeiten; 1990 Abschluss der dualen Ausbildung zur staatlich geprüften Informatikerin.
Bis 2014 stellvertretende Vorsitzende des Landeselternbeirats Baden-Württemberg; Gründungsmitglied im „Calwer Bündnis gegen Rechts“; Gründungsmitglied der Bürgerinitiative Tälesbach; Mitglied beim BUND, bei Greenpeace und den Naturfreunden, bei ver.di und campact, beim Frauenhausverein Calw, beim Frauennetzwerk Freudenstadt und bei vielen anderen kleineren Vereinen.
Laut Wikipedia kam vor den „ungelernten Tätigkeiten“ noch ein abgebrochenes Studium der Germanistik und Politikwissenschaft und danach einige Jahre „in der Softwareentwicklung“. Staatlich geprüfte Informatikerin ist also ihr höchstwertiger Bildungsabschluss, und sie hat vor der Politik auch nicht jenseits von Abschlüssen eine besser bezahlte Tätigkeit ausgeführt. Dieser Abschluss ist nun nicht mit einem Studium der Informatik zu vergleichen, und die Verdienstmöglichkeiten halten sich im Rahmen: Rund 31.000€ im Jahr sollen typisch sein. Wenn jemand das eigentlich so an Möglichkeiten reiche Jahrzehnt seiner Zwanziger mit einem Studienabbruch und Gelegenheitsjobs verbringt, dann kann man vielleicht auch unterstellen, dass die Fähigkeit zur Selbstmotivation nur begrenzt ist, und dadurch auch das Einkommen sich eher unter dem Durchschnitt für den Beruf entwickelt hätte.
Die Pferdeäpfel der Reichen
Frau Esken hätte also jeden Grund, das ‚Lied der Partei‘ anzustimmen, das ja mit den Zeile „Sie hat uns alles gegeben […] und sie geizte nie“ anfängt. Gegenüber dem, was man bei ihrer Berufsbiographie erwarten könnte, hat sie ihr Einkommen verachtfacht.
Bei dieser unverhofften Einkommenssteigerung bestimmt dann in der Tat das Sein offenbar das Bewusstsein, denn Frau Esken meint nicht nur, dass sie ihr Einkommen auch verdiene, sondern sie hält es für einen Ausdruck ihrer Wertschöpfung, durch welche sie dann dankenswerterweise den Mitarbeitern im Einzelhandel ihr Auskommen ermögliche:
‚Trickle-down economics‘, auf Deutsch bisweilen auch ‚Pferdeäpfeltheorie‘ (weil die Pferdeäpfel der Reichen noch Hafer für die Spatzen des gemeinen Volks enthielten), hätte man das früher von sozialdemokratischer Seite genannt und es verdammt.
In der Tat scheint das Sein bisweilen das Bewusstsein zu bestimmen, und bei den Sozialdemokraten vielleicht etwas mehr als bei anderweitig in ihrer Gedankenwelt fundierten Menschen. Für eine Gehaltsverachtfachung würden vermutlich viele Menschen gerne von Umverteilung schwurbeln, freilich ohne damit konkret zu werden oder bei sich selber anzufangen.
(Bild: „Fresh Shit“ von Horrortaxi ist unter CC BY-SA 2.0 lizenziert.)