Der Maikontrakt für amerikanisches Rohöl ist zeitweise auf einen Preis von negativ $37 pro Barrel gefallen (aktuelle Preise hier), das erste Mal in seiner Geschichte, dass er einen negativen Preis erreichte. Bedeutet das, dass Sie demnächst für das Auftanken Ihres Autos Geld von der Tankstelle bekommen? Eher nicht. Hier eine kurze Erklärung, warum.
Der Futureskontrakt beinhaltet eine Verpflichtung, je nach Richtung der eingegangenen Position, das Öl in einem gewissen Zeitraum und an einem gewissen Ort anzuliefern oder abzunehmen. In diesem Fall in der Ort Cushing, Oklahoma, ein Ort mit einigen tausend Einwohnern und riesigen Öltanks mit Pipelineverbindungen in alle Richtungen:
Die sind nun wegen des Nachfrageeinbruchs voll. Deswegen wird man zur Zeit für das Versprechen bezahlt, da im Mai Öl herauszunehmen, während man gleichzeitig für das Versprechen bezahlt wird, im Juni oder später wieder Öl hineinzutun.
Eine ganz einfache Möglichkeit, Geld zu verdienen?
Daraus ergäbe sich nun eine ganz einfache Möglichkeit, Geld zu verdienen: Man könnte es gleichzeitig für den Mai zu einem negativen Preis kaufen und für den Juni zu einem positiven Preis verkaufen, und die Preisdifferenz als garantierten Gewinn einstecken. Arbitrage nennt das der Fachmann. Das einzige Problem bei dieser Idee ist natürlich, dass man das Öl für einen Monat lagern muss, und die Tanks sind ja voll, so dass man da keine Kapazität anmieten kann, jedenfalls nicht für weniger Geld als diesen garantierten Profit. Also doch nicht. Die Lagerung von Rohöl im heimischen Schwimmbecken ist selbst in Oklahoma strengstens verboten.
Auf den Elektrizitätsmärkten sind negative Preise gang und gäbe, denn Elektrizität kann nur sehr schwer gespeichert werden. Wenn also die Nachfrage einbricht und die Produktion aus technischen Gründen oder aus Gründen einer Fehlregulierung wie dem EEG nicht heruntergefahren werden kann, dann müssen die Erzeuger die Abnehmer bezahlen und nicht umgekehrt. Bei Gütern, die man lagern kann, gleicht sich das normal dadurch aus, dass Schwankungen über die Zeit durch Auf- und Abbau von Lagerbeständen ausgeglichen werden. Das stößt aber an seine Grenzen, wenn das Lager voll oder leer ist.
Eine Möglichkeit der oben angedeuteten Arbitrage gibt es für den Privatmann aber tatsächlich. Wer eine Ölheizung hat, der hat in der Tat Speicherkapazität, allerdings für Heiz- und nicht für Rohöl. Wenn man aber einen leeren Tank hat, der vor dem Winter befüllt werden muss, dann ist es vielleicht keine dumme Idee, sich von Zeit zu Zeit die Heizölpreise auf den Terminmärkten anzusehen, und durch die Wahl eines guten Zeitpunkts gegebenenfalls sozusagen seine Speicherkapazität den Märkten gebührenpflichtig zu verleihen (natürlich ohne das Öl wieder zurückzuverkaufen, aber die Vermeidung des späteren Kaufes ist wirtschaftlich dasselbe). Eine Orientierung dabei können zum Beispiel die Heizölpreise Rotterdamm sein, die auf den Terminmärkten gehandelt werden.
Ich dachte bisher, dass der 6. März 2009 der denkwürdigste Tag meiner Beschäftigung mit den Märkten sein würde. Dieses Datum werde ich nun wohl durch den 20. April 2020 ersetzen müssen, an dem das schwarze Gold nicht nur wertlos wurde, sondern zu einem negativen Preis gehandelt wurde.