Qua­li­täts­pres­se, Quatsch­pres­se und der Goldpreis

War­um wer­den Zei­tun­gen, die über Bör­sen­tips berich­ten, eigent­lich erns­ter genom­men als Zei­tun­gen, die sich mit Horo­sko­pen beschäf­ti­gen? Die Zuver­läs­sig­keit ist erfah­rungs­ge­mäß und aus sys­te­ma­ti­schen Grün­den die gleiche.

Vor­ab: Emp­feh­lun­gen, mit wel­chen Wun­der­in­vest­ments Sie die Märk­te schla­gen kön­nen, wird es auf den Mose­rei­en nie geben. In die­sem Arti­kel wer­de ich erläu­tern, war­um all die­se Emp­feh­lun­gen Quatsch sind, und mich fra­gen, war­um die ent­spre­chen­den Zei­tun­gen eigent­lich ernst­ge­nom­men werden.

Die bes­te Vor­her­sa­ge für den Gold­preis ist der Goldpreis

Die FAZ hat einen Arti­kel ‚Ana­lys­ten erwar­ten Gold­preis von 2000 Dol­lar‘, mit einem Inhalt, der dem Titel ent­spricht. Die Zei­tung hat einen Hedge auf den ver­zapf­ten Blöd­sinn, denn sie pro­gnos­ti­ziert nicht sel­ber, dass der Gold­preis auf die­sen Preis stei­gen wer­de und wann, son­dern berich­tet ledig­lich, dass „Ana­lys­ten“ das erwar­te­ten. Sie hat sogar noch einen wei­te­ren Hedge, indem sie die Ana­lys­ten mit den 2000 Dol­lar als „zum Teil exo­ti­sche Gold­au­gu­ren“ bezeich­net. Nun haben sich ja schon der alte Cato und Cice­ro gewun­dert, wie zwei Mit­glie­der die­ses Berufs­stands ein­an­der begeg­nen konn­ten, ohne zu lächeln (weil sie bei­de um die Wert­lo­sig­keit ihrer Vor­her­sa­gen wussten). 

Gold, jeden­falls in sei­ner abs­tra­hier­ten Form als Futures-Kon­trakt, ist extrem liqui­de inves­tier­bar, und zwar sowohl für Long- als auch für Short-Posi­tio­nen, also für Wet­ten auf stei­gen­de Kur­se wie für Wet­ten auf fal­len­de Kur­se. Weil Gold durch sei­ne Wert­dich­te und Unver­derb­lich­keit auch leicht zwi­schen Orten und Zei­ten zu trans­por­tie­ren ist, ist die bes­te Vor­her­sa­ge sei­nes zukünf­ti­gen Prei­ses schlicht der gegen­wär­ti­ge Preis (mit einem klei­nen Kor­rek­tur­fak­tor, der aus der Dif­fe­renz der Ver­zin­sung eines in der Hei­mat­wäh­rung und eines in Gold geführ­ten Kon­tos resul­tiert, was in Null­zins­zei­ten aber wenig aus­macht). Die Futures­prei­se für Gold an der Waren­ter­min­bör­se COMEX kön­nen Sie hier sehen – wäh­rend ich das hier schrei­be, war der letz­te Preis für den April-2020-Kon­trakt 1686,50$ pro Unze und der letz­te Preis für den Dezem­ber-2020-Kon­trakt 1697,80$ pro Unze.

Das schließt natür­lich kei­nes­wegs aus, dass der Gold­preis im Dezem­ber 2000$ sein könn­te, aber die­se Mög­lich­keit wird dadurch auf­ge­wo­gen, dass er auch 1400$ sein könn­te – prä­zi­ser gesagt ist der Preis des Futures-Kon­trakts der (risi­ko­neu­tra­le, aber das führt hier zu weit) Erwar­tungs­wert des Goldpreises.

Wer sei­ne Preis­vor­her­sa­gen in die Welt hin­aus­po­saunt, hat kei­ne Ahnung und kein Geld

Was hat die Mög­lich­keit, liqui­de in Gold zu inves­tie­ren, damit zu tun, dass die Vor­aus­sa­gen der „exo­ti­schen Gold­au­gu­ren“ Quatsch sind? Ganz ein­fach: Wer eine Mei­nung hat, dass Gold unter- oder über­be­wer­tet sei, der kann in kür­zes­ter Zeit mit nahe­zu belie­bi­gen Geld­be­trä­gen eine Wet­te auf den Ver­lauf des Gold­prei­ses ein­ge­hen. War­um soll­te er anstatt sein Wis­sen für sich zu behal­ten und die­se Wet­te zu täti­gen es in die Welt hin­aus­po­sau­nen? Es gibt im Grun­de nur zwei Möglichkeiten:

  1. Er weiß sel­ber, dass sei­ne Vor­her­sa­gen Quatsch sind, hat aber erkannt, dass er durch die mög­lichst selbst­be­wuss­te Prä­sen­ta­ti­on mög­lichst extre­mer Vor­her­sa­gen ein zah­len­des Publi­kum gewin­nen und Auf­merk­sam­keit erlan­gen kann. Das zah­len­de Publi­kum kann z.B. eine Bank sein, die ihn als Ana­lys­ten bezahlt (meis­tens übri­gens nicht sehr gut), wobei sei­ne ‚Ana­ly­sen‘ kei­nes­wegs zur inter­nen Ver­wen­dung der Bank gedacht sind, son­dern als Zuga­be für die Kund­schaft und als Wer­be­trä­ger – also so ähn­lich wie ein Kugel­schrei­ber, den Sie von ihrem Bank­be­ra­ter bekom­men, und genau so wert­voll. Das zah­len­de Publi­kum kön­nen auch direkt Abon­nen­ten eines ‚Bör­sen­briefs‘ oder der­glei­chen sein, nicht sel­ten ver­zwei­felt und erfolg­los zocken­de Haus­män­ner und ‑frau­en.
  2. Er weiß nicht, dass sei­ne Vor­her­sa­gen Quatsch sind. Wenn er aber an sie glaubt, dann soll­te er sie doch für sich behal­ten und zu sei­nem Vor­teil nut­zen. War­um tut er das nicht? Ers­tens hat er kein Geld. Zwei­tens kann er nie­man­den mit Geld, z.B. einen Hedge­fonds, davon über­zeu­gen, dass er Märk­te sinn­voll vor­aus­sa­gen kön­ne, dass er „Alpha habe“, wie man das nennt. Soll man Hand­lungs­emp­feh­lun­gen von jeman­dem anneh­men, der das ange­streb­te Resul­tat sei­ner Emp­feh­lun­gen, in die­sem Fall Geld, sel­ber nicht besitzt? Und soll man Hand­lungs­emp­feh­lun­gen von jeman­dem anneh­men, der ein viel höhe­res Ein­kom­men erzie­len könn­te als er als ‚Ana­lyst‘ bekommt, wenn er jeman­den mit Geld von sei­nen Fähig­kei­ten über­zeu­gen könn­te, das offen­bar aber nicht kann?

Die­ses Argu­ment gilt nicht nur für Gold, son­dern genau­so für alle ande­ren Invest­ment­emp­feh­lun­gen, deren Ziel es ist, den Markt zu schla­gen. Die­se gan­ze Kate­go­rie von Nach­rich­ten ist aus sys­te­ma­ti­schen Grün­den so wert­voll und so glaub­haft wie jemand, der behaup­tet, mor­gen um zehn gäbe es beim Aldi Frei­bier ohne Obergrenze.

War­um neh­men Sie Zei­tun­gen oder Fern­seh­sen­der erns­ter, die Ihnen sinn­ent­leer­te Bör­sen­tips geben, als sol­che, die sei­ten­wei­se Horo­sko­pe abdrucken?

Tun Sie sich einen Gefal­len und lesen die Mose­rei­en oder ein gutes Buch, aber kei­ne Bör­sen­tips, jeden­falls mit nicht mehr Auf­wand an Zeit und Geld als sie auch auf das Lesen eines Horo­skops ver­wen­den wür­den. (Und wenn sie nen­nens­wer­te Men­gen von Zeit und Geld auf Horo­sko­pe ver­wen­den, dann kann ich Ihnen lei­der nicht hel­fen, aber ich den­ke, dass das unter den Lesern mei­nes Blogs eher sel­ten vor­kom­men dürfte.)

Fra­gen Sie sich auch ein­mal, war­um Sie Zei­tun­gen oder Fern­seh­sen­der erns­ter neh­men, die Ihnen sinn­ent­leer­te Bör­sen­tips geben, als sol­che, die sei­ten­wei­se Horo­sko­pe abdru­cken – die Zuver­läs­sig­keit ist näm­lich erfah­rungs­ge­mäß und aus sys­te­ma­ti­schen Grün­den, die kei­ne Sorg­falt der ‚Ana­ly­se‘ oder der Horo­skop­s­tel­lung behe­ben könn­te, die glei­che. In zukünf­ti­gen Arti­keln wer­de ich mich gele­gent­lich damit beschäf­ti­gen, wie man sein Geld sinn­voll anle­gen kann, wenn man nicht Bör­sen­tips glaubt.

2 Gedanken zu „Qua­li­täts­pres­se, Quatsch­pres­se und der Goldpreis“

  1. Ich mag ihren zuge­spitz­ten Schreib­stil. Am Ende ist es wohl sema­ti­sche Haar­spal­te­rei was man einen „Bör­sen­tipp“ nennt. Sie stel­len ja selbst „Bör­sen­tipps“ wie man sein Geld „sinn­voll anle­gen kann“ in Aus­sicht, nur nen­nen Sie die­se nicht so. 

    Ich den­ke zum The­ma Anla­ge gibt es schon „Wis­sen“, dass zwar nicht die Zukunft vor­her­sagt, aber trotz­dem einen höhe­ren Erwar­tungs­wert des eige­nen Ver­mö­gens in der Zukunft bedingt. 

    Wenn wir schon bein The­ma Geld sind: Ich kann nur jeden risi­ko-tole­ran­ten Anle­ger dazu ermun­tern sich mit „DeFi“ und Cryp­to­wäh­run­gen aus­eind­a­ner­zu­set­zen. Mei­ner Mei­nung nach eines der span­nends­ten Assets unse­rer Zeit. Das ist natür­lich nur eine Mei­nung und kein „Bör­sen­tipp“.

    1. Gut, da hät­te ich prä­zi­ser sein kön­nen. Defi­nie­ren wir einen „Bör­sen­tip“ als eine Anla­ge­emp­feh­lung, deren gewünsch­ter Erfolg vor­ran­gig von einer für das all­ge­mei­ne Publi­kum prak­ti­ka­bel aus­zu­nut­zen­den Ver­let­zung der Markt­ef­fi­zi­enz­hy­po­the­se abhängt, und die gleich­zei­tig nicht vor­ran­gig auf die Ver­mei­dung leicht zu ver­ste­hen­der Trans­fer­zah­lun­gen (Steu­ern, Gebüh­ren etc.), die man nicht (legal) umkeh­ren kann, gerich­tet ist. Etwas weni­ger tech­nisch aus­ge­drückt wäre es ein Tip, mit­tels des­sen man angeb­lich „den Markt schla­gen“ könne.

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