New York City hat am 24. April eine am 31. März erlassene Vorschrift aufgehoben, Patienten mit Herzstillstand, die nicht im Feld wiederbelebt werden konnten, nicht in Notaufnahmen zu transportieren.
Man muss dazu wissen, dass in Amerika die Notfallversorgung etwas anders organisiert ist als in Deutschland. Anstelle einer Versorgung durch Notärzte vor Ort setzen die Amerikaner mehr darauf, die Patienten so schnell wie möglich einzuladen und in eine Notaufnahme zu verfrachten, insbesondere natürlich in Großstädten, wo der Weg zur Notaufnahme ohnehin kurz ist. Dabei sind oftmals Feuerwehr und medizinische Rettung zusammengelegt.
Die Anordnung war bei den Rettungskräften extrem unpopulär. Wohl kann man sich fragen, auch außerhalb von Epidemiezeiten, ob man mit Wiederbelebungsversuchen um jeden Preis dem Patienten, den Angehörigen und den Rettungskräften einen Gefallen tut. In manchen Konstellationen sind die Chancen so gering, dass man diese Frage wohl verneinen kann und es nicht sinnvoll ist, einem sterbenden Menschen noch die Rippen zu brechen. Aber darum ging es nicht. Die Anordnung galt für ein zwanzigjähriges Unfallopfer genauso wie für einen neunzigjährigen Patienten mit einer Litanei von Vorerkrankungen.
Amerikanische Rettungskräfte sind stolze Männer
Interessant zu erfahren wäre, wie weit diese Anordnung überhaupt umgesetzt wurde. Amerikanische Rettungskräfte sind stolze Männer (ja, meistens Männer). Viele haben ihr Leben schon als Soldaten für ihr Land eingesetzt, kämpfend oder als Sani. Gerade in New York City ist die Erinnerung an die Anschläge vom 11. September bei den Rettungskräften stark, und es gibt ein Berufsethos, das stolz darauf ist, dann hineinzugehen, um Menschen zu retten, wenn alle anderen herausrennen. Man kann vielleicht darauf hoffen, dass dieses Ethos die Anordnung in Fällen, wo Aussicht auf Rettung bestand, schlichtweg ignoriert hat. Ich jedenfalls wollte mir die Reaktion dieser Männer nicht ausmalen, würde ich ihnen erklären, sie dürften nicht mehr retten.
Sollte die Anordnung tatsächlich in Fällen mit begründeter Aussicht auf Rettung umgesetzt worden sein, dann dürfte man in der Welthauptstadt der Schadenersatzklagen auch ein juristisches Nachspiel erwarten.
Der tatsächliche Schaden dieser Anordnung könnte sich im Rahmen halten. Aber allein schon die Idee, dass ein Bürokrat vorschreiben will, dass Menschen, die man retten könnte, nicht zu retten seien, nicht wegen akuten Kapazitätsmangels hier und jetzt, sondern als präventive Anordnung, sollte einem das Blut in den Adern gefrieren lassen. Ich würde niemals einem Arzt oder Sanitäter Vorwürfe machen, der sich bei einem Massenanfall entscheiden muss, um wen er sich kümmert und um wen nicht. Aber für einen Bürokraten, der das im Voraus, ohne konkrete Not und ohne den Menschen in die Augen schauen zu müssen, vom Schreibtisch aus macht, ist mein Verständnis gleich null.