Die FAZ schreibt in einem Artikel über das furchterregende Szenario, dass „Rechte“ Immobilien, in diesem Falle eine Gaststätte und ein Hotel in Burg im Spreewald, kauften oder pachteten. Die Aufregung ist groß, obwohl es offenbar keinerlei Probleme gibt. Derweil bekennt sich die Regierung ganz offen zur Zerstörung der wirtschaftlichen Existenz ideologisch Verdächtiger, gegen die strafrechtlich nichts vorliegt.
Eher eine Absteige für grünwählende Berliner mit Flugscham als für Rechtsrockkonzerte
Lustig bei der ganzen Sache ist nun, dass nach eigener Darstellung des Artikels von der Gaststätte keinerlei Probleme ausgehen. Es gibt keine Versammlungen von Neonazis, das Essen soll gut schmecken. Das Hotel ist noch weniger ein plausibler Magnet für Probleme, denn es handelt sich um ein „Bio-Hotel“, das sich mit vier Sternen schmückt, wohl doch eher eine Absteige für grünwählende Berliner mit Flugscham als für Rechtsrockkonzerte.
Der Betreiber hat den Erwerb der Gaststätte offenbar zu 100% mit einem Kredit finanziert, wird also zwischen der Bedienung des Kredites und der Pacht für das Hotel wohl eher Interesse an zahlungskräftiger Kundschaft haben, als daran, dass ihm Kunden wegbleiben, die kein Interesse an Kameradschaftsabenden haben. Laut des Artikels haben in den Objekten keine politischen Veranstaltungen stattgefunden noch seien welche geplant.
Auf dem Wege der erfolgreichen Resozialisierung
Über den Pächter, heißt es, sei „wenig bekannt“. Er ist offenbar tätowiert und trägt Bart und hat ein T‑Shirt mit dem Aufdruck „Defend Cottbus.“ (Im Rahmen der vollen Transparenz sei es zugegeben: Ich besitze einen Hoodie von Grunt Style mit dem Aufdruck „This we’ll defend“. Glücklicherweise hat Grunt Style laut des Berliner Innenstaatssekretärs aber „keine Bezüge […] zur rechtsextremen Szene“ – nochmal Glück gehabt!) Der Pächter sei „fest verwurzelt in der rechtsextremen Szene im Süden Brandenburgs“, aber über den genauen Grad dieser Verwurzelung ist dann doch „wenig bekannt.“
Ich weiß nicht, ob der Pächter Rechtsextremist ist oder war, und wenn er es ist oder war, dann weiß ich nicht, ob das eher in Richtung Neonazi oder eher in die Richtung Barry Goldwater geht. Es ist eigentlich auch egal. Sollte das der Fall sein, dann wäre er schon seines finanziellen Engagements wegen, in Verbindung mit seinem Alter in den späten Dreißigern und vielleicht Vaterpflichten, offenbar auf dem Wege der erfolgreichen Resozialisierung zum Unternehmer, der mit seinem Hipsterbart im Biohotel grünwählende Berliner bedient. Das wäre doch eine positive Entwicklung. Ärger geht von ihm, auch laut des Artikels selbst, offenbar keiner aus.
Erpressung und Korruption Tür und Tor geöffnet
Von Seiten der Politik wird diese Resozialisierung, sollte sie denn überhaupt nötig gewesen sein, aber offenbar mit Unmut wahrgenommen:
Im Brandenburger Innenministerium wird die angebliche oder tatsächliche Unwissenheit der Verkäufer von Burg mit Unmut zur Kenntnis genommen. „Die Sicherheitsbehörden versuchten, Immobilienkäufe durch Rechtsextremisten zu verhindern, indem sie die Kommunen warnen“, sagt Innenminister Stübgen. Leider gelinge es nicht immer, rechtzeitig die Informationen über geplante Käufe zu bekommen. „Es ist aber auch Aufgabe der Gesellschaft, der Wirtschaftsverbände und der Kreditinstitute, einen genauen Blick auf die Käufer von Immobilien zu haben. Es darf da nicht länger weggeschaut werden“, sagt der Minister.
Mona Jaeger & Markus Wehner, ‚Wenn Rechtsextreme Immobilien kaufen‘, FAZ, 29.07.2020
Das ist erstaunlich: Der brandenburgische Staatsapparat versucht also, ganz offen ausgesprochen, die unternehmerische Existenz von Menschen zu hintertreiben, gegen die offenbar nichts vorliegt, jedenfalls nichts von strafrechtlicher Relevanz. Da könnte man eigentlich schon einmal zu einer gerichtlichen Überprüfung raten. Klar ist jedenfalls, dass eine solche Praxis, bei der eine freihändige staatliche Entscheidung über die wohlgeformte Persönlichkeit eines Unternehmers über seinen Erfolg und sein Scheitern entscheiden soll, Erpressung und Korruption Tür und Tor öffnet.
Aufruf einer direkten Konkurrentin
Auch mit dem bürgerschaftlichen Engagement gegen Rechts, wenn man das so nennen darf, ist es so eine Sache. Ein von Gemeinderat und Tourismusverein verabschiedeter Aufruf gegen „Diskriminierung, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und jede Art von Terror“ soll laut des Artikels von einer Betreiberin eines „führenden Wellness-Luxushotels Deutschlands“ im Ort verfasst worden sei, sprich von einer direkten Konkurrentin zu dem Biohotel des angeblich bösen Pächters. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Ich kann die Motivation der Konkurrentin nicht beurteilen, aber der Interessenkonflikt ist so offensichtlich, dass ich mich an ihrer Stelle nicht zur Speerspitze des Protests gemacht hätte, schon der Glaubwürdigkeit wegen.
Es wird dann, möglicherweise vollkommen ohne ihre Beteiligung, auch noch die sorbische Minderheit in der Gegend als Argument bemüht, warum „Rechte“ da keinen Platz hätten. Gleichzeitig wird eine Verbindung des Gaststättenpächters zur ‚Identitären Bewegung‘ suggeriert, deren Ethnopluralismus eigentlich keineswegs etwas gegen die vollkommen unproblematischen und alteingesessenen Sorben haben muss, eher im Gegenteil.
Der Betrieb eines Biohotels muss Maskerade sein
Weil es mit dem Pächter offenbar keine Probleme gibt, kommt dann auch noch das Totschlagargument: Wenn er brav sei, dann könne das nur daran liegen, dass er sich verstelle. Laut des brandenburgischen Innenministers Michael Stübgen „gehen [Rechtsextreme] gezielt in die Dörfer, wollen angeblich was für die Heimat tun. So versuchen sie, Akzeptanz und Einfluss zu gewinnen.“ Der Betrieb eines Biohotels mit vermutlich eher linksorientierter Kundschaft muss also Maskerade sein.
Noch nicht einmal die bevorzugte Fußballmannschaft nimmt man dem Pächter ab, soll er doch einer Gruppe von Ultras angehört haben, „die sich als Anhänger des FC Energie Cottbus gerierten.“ In Wahrheit waren sie dann also wohl für Bayern München.
Seltsamer Kontrast mit der Toleranz linksextremer „Projekte“
Der Versuch, einem sich wohl verhaltenden Rechten, angeblichen Rechten oder ex-Rechten die unternehmerische Existenz zu zerstören, ihm den Erwerb von Gewerbeimmobilien zu versagen, steht auch in einem seltsamen Kontrast mit der ganz offiziellen Toleranz linksextreme „Projekte“, die offen als Kriminalitätsschwerpunkte betrieben werden.
Im nahen Berlin gibt es ganz offen einen „Entscheidungsvorbehalt der Behördenleitung zum gewaltsamen Eindringen in linke Szeneobjekte“, also faktisch ein Betretungsverbot und eine Anerkennung als teilsouveränes Territorium. Nun unterscheiden sich diese ‚Szeneobjekte‘ von der angeblich ‚rechten‘ Gaststätte in Burg in mehrfacher Weise: Sie sind „besetzt“, nicht gepachtet oder gekauft. In ihnen sollen systematisch Straftaten begangen werden, vom gewerbsmäßigen Betrug zur Finanzierung bis zu brutalen Angriffen auf Polizeibeamte. Aber ein linkes Kriminalitätszentrum und ein von einem angeblich Rechten völlig legal und unauffällig betriebenes biederes Hotel, das sind in der Tat zwei ganz unterschiedliche Sachverhalte.
Auch interessant: Das Hotel heißt und hieß schon vor der Übernahme „Kolonieschänke“. Hat man da eigentlich schon mal überprüft, ob sich dieser Name nicht aus der Kolonialzeit gehalten hat, mithin rassistisch und tabu ist?