Schüt­ze uns , Du böser Mann!

Wir sehen einen poli­ti­schen Betrieb mit einer durch und durch ambi­va­len­ten Gefühls­la­ge in Bezug auf Ame­ri­ka. Der Schutz durch Ame­ri­ka und ins­be­son­de­re durch die ame­ri­ka­ni­schen Atom­waf­fen wird als alter­na­tiv­los gewünscht und gleich­zei­tig von Her­zen abge­lehnt. Die Ame­ri­ka­ner sol­len blei­ben, aber ihre Waf­fen heim­schi­cken, und gleich­zei­tig will man weder Waf­fen von ihnen kau­fen noch ihnen wel­che lie­fern. Da bleibt als Sicher­heits­kon­zept nur noch, Deutsch­land so ver­rückt zu machen, dass kein rus­si­scher Prä­si­dent es haben oder erpres­sen wollte.

In der Psy­cho­lo­gie gibt es den Begriff der Ambi­va­lenz, der einen Zustand der Zer­ris­sen­heit zwi­schen zwei gegen­tei­li­gen Emo­tio­nen in Bezug auf eine Sache bezeich­net. Damit ist die Ambi­va­lenz gera­de kei­ne Gleich­gül­tig­keit, son­dern führt zu einem eher unpro­duk­ti­ven dau­ern­den Abar­bei­ten an einer Sache. Im Extrem­fall kann das patho­lo­gisch wer­den, bei­spiels­wei­se wenn ein abge­wie­se­ner Lieb­ha­ber eine Per­son gleich­zei­tig liebt und hasst und dar­über gar noch gewalt­tä­tig wird.

Nicht anders kann man sich den Umgang des deut­schen Poli­tik­be­triebs mit der Ankün­di­gung der Ver­rin­ge­rung der ame­ri­ka­ni­schen Trup­pen­prä­senz erklä­ren. Jahr­zehn­te­lang war „Ami go home!“ die For­de­rung der Geg­ner des trans­at­lan­ti­schen Bünd­nis­ses. Jetzt, wo der Ami genau das tun will, ist das auch nicht recht, aber mit ihm und sei­nen Waf­fen etwas zu tun haben will man auch nicht.

Die Fra­ge der deut­schen Sicher­heit vor mili­tä­ri­schen Angrif­fen ist eine Fra­ge der Macht­ba­lan­ce gegen Russland

Von Kat­rin Göring-Eckardt kam der Spruch: „Es wäre bes­ser, die Ame­ri­ka­ner wür­den ihre Atom­waf­fen aus Deutsch­land und Euro­pa abzie­hen als ihre Sol­da­ten.“ Nun ist die nuklea­re Teil­ha­be, bei der Waf­fen­sys­te­me der Part­ner die nuklea­re Muni­ti­on der Ame­ri­ka­ner ins Ziel brin­gen wür­den, zwar ein teu­res Sym­bol­pro­jekt, aber Euro­pa und ins­be­son­de­re Deutsch­land ist doch abhän­gig von dem nuklea­ren Schild der Amerikaner.

Das wesent­li­che Pro­blem mili­tä­ri­scher Pla­nung in Deutsch­land ist Russ­land. Ein Krieg mit Frank­reich ist eine absur­de Vor­stel­lung, einer mit Polen auch, und Preu­ßen und Öster­rei­cher wer­den sich auch nicht mehr bei König­grätz tref­fen. Russ­land ist dage­gen das Land mit dem größ­ten Vor­rat an Atom­waf­fen in der Welt, einer Mil­li­on akti­ver Sol­da­ten und einem mas­si­ven Min­der­wer­tig­keits­kom­plex, von einer ideo­lo­gie­ba­sier­ten Super­macht zu einer roh­stoff­ba­sier­ten Regio­nal­macht abge­sun­ken zu sein. Es hat sich, eigent­lich eher in die Zeit der Reuni­ons­krie­ge als in unse­re pas­send, Ter­ri­to­ri­en eines Nach­bar­lan­des ein­ver­leibt, die es kurz zuvor noch garan­tiert hatte.

Die Fra­ge der deut­schen Sicher­heit vor mili­tä­ri­schen Angrif­fen ist eine Fra­ge der Macht­ba­lan­ce gegen Russ­land, ins­be­son­de­re eine, wie man einen kom­bi­nier­ten Angriff aus dem Ein­si­ckern der berühm­ten klei­nen grü­nen Männ­chen oder sonst begrenz­ter kon­ven­tio­nel­ler Trup­pen ver­bun­den mit der Dro­hung mit den Atom­waf­fen als Abschre­ckung von Gegen­maß­nah­men beant­wor­ten kann. Die nuklea­re Abschre­ckung durch die Part­ner­schaft mit Ame­ri­ka ist kei­ne sehr befrie­di­gen­de Ant­wort auf die­ses Pro­blem, aber die ein­zi­ge bekann­te Ant­wort. Hält man das Pro­blem der rus­si­schen Streit­kräf­te mit ihrer Kom­bi­na­ti­on aus Boden­trup­pen und Atom­waf­fen für ent­we­der nicht pro­ble­ma­tisch oder nicht lös­bar, dann braucht Deutsch­land eigent­lich kei­ne Armee zur Lan­des­ver­tei­di­gung. Die­se Ein­schät­zung ändert sich auch nicht, wenn man über die Euro­päi­sche Uni­on statt über Deutsch­land nach­denkt, denn die Atom­waf­fen der Fran­zo­sen tau­gen man­gels Mas­se und man­gels Unter­le­gung mit kon­ven­tio­nel­len Trup­pen nicht als Gegen­ge­wicht zu Russland.

Das Gefühl der eigent­li­chen, der geis­ti­gen und mora­li­schen Überlegenheit

Der Schutz Euro­pas durch die Ame­ri­ka­ner war seit Ende des zwei­ten Welt­kriegs Grund­la­ge euro­päi­scher Sicher­heits­po­li­tik. In die­sem Schutz genoss der freie Teil Euro­pas eine Ent­wick­lung in Frie­den und Frei­heit, wäh­rend gleich­zei­tig am eige­nen Bei­trag zur Ver­tei­di­gung ger­ne gespart wur­de. Aber es wur­de nicht nur ger­ne gespart, son­dern im ange­neh­men Schat­ten des ame­ri­ka­ni­schen Schutz­schil­des wur­de und wird belei­digt und pro­tes­tiert, oder in der fei­ne­ren Gesell­schaft mit dem Gefühl der eigent­li­chen, der geis­ti­gen und mora­li­schen Über­le­gen­heit verachtet.

Nach­dem Euro­pa und ins­be­son­de­re Deutsch­land regel­mä­ßig nur ein gerin­ges Inter­es­se zeigt, sich um sei­ne Ver­tei­di­gung zu küm­mern, und die ame­ri­ka­ni­schen Trup­pen und ihre Waf­fen nicht beson­ders mag, soll­te man eigent­lich den­ken, dass die Reduk­ti­on der ame­ri­ka­ni­schen Trup­pen­stär­ke im bei­der­sei­ti­gen Inter­es­se und Ein­ver­neh­men sein soll­te. Aber nichts der­glei­chen: Bis auf die in die­ser Hin­sicht kon­se­quen­te Links­par­tei wird Prä­si­dent Trump durch das Par­tei­en­spek­trum hin­durch für den Trup­pen­ab­zug beschimpft.

„Rüs­tungs­ko­ope­ra­tio­nen in einem neu­en Licht bewerten“

In die­ser Lage kommt nun der SPD-Frak­ti­ons­chef Rolf Müt­zenich, und erklärt, „Prä­si­dent Donald Trump betrei­be eine Poli­tik aus ‚Will­kür und Druck‘, dies kön­ne ’nicht die Grund­la­ge für eine part­ner­schaft­li­che Zusam­men­ar­beit‘ sein […]. ‚Vor die­sem Hin­ter­grund wer­den auch die Rüs­tungs­ko­ope­ra­tio­nen in einem neu­en Licht bewer­tet wer­den müs­sen.‘ “ Müt­zenich mein­te damit wohl, dass er anste­hen­de Beschaf­fungs­pro­jek­te auf den Prüf­stand stel­len will, ohne aber ange­ben zu kön­nen, wie die euro­päi­sche Ver­tei­di­gungs­in­dus­trie Ähn­li­ches lie­fern soll. Eine gewis­se Aut­ar­kie in der Wehr­in­dus­trie, wie bei­spiels­wei­se das klei­ne Schwe­den sie betreibt, mag kein Feh­ler sein, aber sie kommt nicht über Nacht, und sie beant­wor­tet nicht die viel wesent­li­che­re Fra­ge nach deut­scher Sicher­heits­po­li­tik ohne die ame­ri­ka­ni­sche Alli­anz als ihren Grund­pfei­ler. Mit einer Boy­kott­kam­pa­gne wird man die Ame­ri­ka­ner schwer bewe­gen kön­nen, aus der Güte ihres Her­zens mehr Trup­pen gra­tis nach Deutsch­land zu schicken.

Die Lin­ken set­zen der­weil noch einen drauf und wol­len den Export selbst von Klein­waf­fen nach Ame­ri­ka ver­bie­ten, weil, so Sevim Dağ­de­len, „mitt­ler­wei­le bekannt gewor­den ist, dass durch ras­sis­ti­sche Gewalt in Kri­tik gera­te­ne US-Poli­zei­be­hör­den mit Waf­fen deut­scher Rüs­tungs­fir­men aus­ge­rüs­tet sind.“ Nun ist Sig Sau­er im Grun­de ohne­hin schon von einem deut­schen zu einem ame­ri­ka­ni­schen Waf­fen­her­stel­ler mit ame­ri­ka­ni­scher Pro­duk­ti­on gewor­den – Frau Dağ­de­len wird es des­we­gen kaum gelin­gen, den Ame­ri­ka­nern die vom Mili­tär ange­schaff­te und bei Poli­zei­be­hör­den belieb­te Pis­to­le P320 zu neh­men. Blie­ben Heck­ler & Koch und Walt­her, deren Ver­kauf an ame­ri­ka­ni­sche Poli­zei­en wohl kaum ent­schei­dend sein dürf­te. Man kann auch den Ver­kauf an den pri­va­ten Markt und den an Poli­zei­en gar nicht tren­nen, weil die Ame­ri­ka­ner kom­mu­nal orga­ni­sier­te Poli­zei­en haben, die eher bei einem Händ­ler ein­kau­fen als beim Hersteller. 

Der Vor­schlag von Frau Dağ­de­len dürf­te des­halb kaum geeig­net sein, irgend­wel­che Pro­ble­me mit der Poli­zei in Ame­ri­ka zu lösen, son­dern eher dafür sor­gen, dass die letz­ten deut­schen Her­stel­ler von Klein­waf­fen dicht machen oder aus­wan­dern. Ob das beab­sich­tigt oder nicht durch­dacht ist, weiß ich nicht. Zur Unab­hän­gig­keit der deut­schen Lan­des­ver­tei­di­gung trü­ge es jeden­falls nicht bei.

Die Fra­ge nach der nuklea­ren Kom­po­nen­te bleibt voll­kom­men unbeantwortet

Die Ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­rin AKK erklärt der­weil: „Zur Wahr­heit gehört, dass gutes Leben in Deutsch­land und Euro­pa immer mehr auch davon abhängt, wie wir selbst für unse­re Sicher­heit sor­gen.“ Sie legt dabei aber kein wirk­li­ches Kon­zept vor, wie das von­stat­ten gehen soll. Die Ame­ri­ka­ner sind ja sau­er, weil Deutsch­land noch nicht ein­mal den ver­ein­bar­ten Bei­trag in der Alli­anz leis­ten will. Wie soll da jetzt eine noch grö­ße­re Anstren­gung ohne Abhän­gig­keit von den Ame­ri­ka­nern funktionieren?

Selbst wenn Deutsch­land wie­der eine mas­siv ver­grö­ßer­te eige­ne Armee auf­stel­len woll­te, blei­be die Fra­ge nach der nuklea­ren Kom­po­nen­te voll­kom­men unbe­ant­wor­tet. Mit einer mas­siv nach links ver­scho­be­nen CDU und einem in Aus­sicht ste­hen­den grü­nen Koali­ti­ons­part­ner dürf­te sich das Pro­jekt der deut­schen Atom­waf­fen, an dem schon der wil­lens­star­ke Strauß geschei­tert ist, kaum umset­zen las­sen, auch nicht, wenn es als euro­päi­sches Pro­jekt betrie­ben wür­de. Und auch ganz prak­tisch: Der EU-Kom­mis­si­ons­prä­si­dent mit dem Atom­kof­fer und der Ver­ant­wor­tung für des­sen Kon­se­quen­zen? Das klappt nicht. Muss es aber auch nicht, denn mit dem schlep­pen­den Ersatz für das Schön­wet­ter­ge­wehr G36 hakt es auch schon.

Wir sehen also einen poli­ti­schen Betrieb mit einer durch und durch ambi­va­len­ten Gefühls­la­ge in Bezug auf Ame­ri­ka. Der Schutz durch Ame­ri­ka und ins­be­son­de­re durch die ame­ri­ka­ni­schen Atom­waf­fen wird als alter­na­tiv­los gewünscht und gleich­zei­tig von Her­zen abge­lehnt. Die Ame­ri­ka­ner sol­len blei­ben, aber ihre Waf­fen heim­schi­cken, und gleich­zei­tig will man weder Waf­fen von ihnen kau­fen noch ihnen wel­che lie­fern. Da bleibt als Sicher­heits­kon­zept nur noch, Deutsch­land so ver­rückt zu machen, dass kein rus­si­scher Prä­si­dent es haben oder erpres­sen woll­te. Dazu frei­lich sind wir viel­leicht auf einem guten Weg.

(Titel­bild: Bun­ker in der Mut­lan­ger Hei­de, dea­ler­ofsal­va­ti­on)

Ein Gedanke zu „Schüt­ze uns , Du böser Mann!“

  1. >Die nuklea­re Abschre­ckung durch die Part­ner­schaft mit Ame­ri­ka ist kei­ne sehr befrie­di­gen­de Ant­wort auf die­ses Pro­blem, aber die ein­zi­ge bekann­te Antwort.<
    Offen­bar ist bis­her noch nie­man­dem eine bes­se­re ein­ge­fal­len. Geschwei­ge dann, dass man an einer wirk­li­chen Alter­na­ti­ve zu dem real exis­tie­ren­den Pro­pa­gan­da­po­panz auf bei­den Sei­ten ernst­haft gear­bei­tet hät­te. Man könn­te ihn auch „real exis­tie­ren­den Schwach­sinn“ nennen.
    Die­ses Pro­blem, wel­ches seit dem Kal­ten Krieg über­dau­ert hat, heißt „Bedro­hung durch Russ­land“, der ehe­ma­li­gen Sowjet­uni­on, wel­cher Zar Wla­di­mir immer noch hin­ter­her­trau­ert. Dabei hat er es doch jetzt viel ein­fa­cher, sei­ne Satra­pen und Olig­ar­chen um sich her­um zu ver­sam­meln und ihnen die Mär von der „Umzin­ge­lung“ ein­zutrö­ten oder zu ‑flüs­tern.
    Aber so sind halt die Men­schen: die einen faseln seit den drei­ßi­ger Jah­ren von „Umzin­ge­lung“, die ande­ren von „Bedro­hung“.
    Und so ist kon­se­quen­ter­wei­se die Waf­fen­lob­by auf bei­den Sei­ten auf­mar­schiert und hat mit veri­ta­bler Auf­rüs­tung die Angst­ha­sen­see­len auf bei­den Sei­ten wirk­sam ein­ge­lullt, indem sie ihnen „Sicher­heit“ mit moderns­ten Waf­fen vor­gau­kelt – gegen saf­ti­ge Bezah­lung, ver­steht sich. Von nix ist halt nix.
    Im Klei­nen hat es ja mal funk­tio­niert, die­sen Schwach­sinn kon­se­quent zu besei­ti­gen – näm­lich zwi­schen Deutsch­land und Frank­reich, den ver­meint­lich „ewi­gen“ Erb­fein­den. Wie­so eigent­lich soll­te so etwas nicht auch zwi­schen der EU und Russ­land…? *knirsch* *grü­bel*
    Wenn wir es uns vor­stel­len kön­nen, wenn wir anschlie­ßend dar­an arbei­ten… dann schaf­fen wir das. Was mit Frank­reich ging, geht auch mit Russ­land. Doch Vor­sicht: das Bei­spiel könn­te Schu­le machen, und am Ende wird noch der Aus­bruch des 1. Welt­frie­dens bekannt­ge­ge­ben. Die arme Waf­fen­lob­by tut mir jetzt schon leid…
    Aber – der Mensch konn­te frü­her auch nicht flie­gen, und ein neun­mal­klu­ger Pro­fes­sor hat­te mes­ser­scharf bewie­sen, dass Flie­gen gar nicht geht, weil die Flug­ob­jek­te ja schwe­rer als Luft sind…

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