„Die Beatmung der Covid-19-Pati­en­ten ist häu­fig medi­zi­nisch nicht gerechtfertigt“

Die Sinn­haf­tig­keit von Intu­ba­ti­on und Beatmung vie­ler Covid-19-Pati­en­ten wird von Exper­ten ange­zwei­felt. Wäre es sinn­voll, eine viel leich­ter zu rea­li­sie­ren­de erheb­li­che Auf­wuchs­fä­hig­keit der Kapa­zi­tät für Sau­er­stoff­the­ra­pie mit frei­er Atmung aufzubauen?

Die FAZ hat einen Arti­kel, in dem der Pneu­mo­lo­ge Tho­mas Vos­haar sich gegen das vor­schnel­le Beatmen von COVID-19 Pati­en­ten aus­spricht, sogar den Ver­dacht äußert, dass der Tod in man­chen Fäl­len nicht trotz son­dern wegen der Intu­ba­ti­on ein­tre­te. Ich ver­ste­he von der Pneu­mo­lo­gie nichts, aber es scheint jeden­falls unbe­strit­ten so zu sein, dass ein erheb­li­cher Teil der behand­lungs­pflich­ti­gen Pati­en­ten mit frei­em Atmen von Sau­er­stoff behan­delt wer­den kann, und wenn Vos­haar rich­tig liegt, dann könn­te der Anteil, bei dem Intu­ba­ti­on nötig oder auch nur hilf­reich ist, gerin­ger sein als gedacht. Dar­aus ergibt sich die Fra­ge, ob man Auf­wuchs­fä­hig­keit nicht eher bei der Ver­sor­gung mit frei geat­me­tem Sau­er­stoff als bei der inten­si­ven Beatmung schaf­fen sollte.

In mei­ner Bespre­chung des COVID-Stra­te­gie­pa­piers des Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­ums habe ich mein Befrem­den dar­über aus­ge­drückt, dass dem The­ma „Bet­ten und Sau­er­stoff­ka­pa­zi­tät hoch­fah­ren“ nur ein ein­zi­ger dür­rer Absatz gewid­met wur­de, wäh­rend der meis­te Gehirn­schmalz auf das rich­ti­ge Framing ver­wen­det wur­de. Die­se Exper­ten­grup­pe scheint also die Bereit­stel­lung von Auf­wuchs­fä­hig­keit in der Sau­er­stoff­ver­sor­gung von Pati­en­ten nicht für einen der vor­dring­lichs­ten Gegen­stän­de des Nach­den­kens gehal­ten zu haben.

Der Pri­vat­sek­tor zeigt sich da inno­va­ti­ver und küm­mert sich um die Bereit­stel­lung neu­er und auch impro­vi­sier­ter Beatmungs­ge­rä­te. Der Staub­saug­er­kö­nig James Dys­on hat eine jeden­falls dem Design nach pro­fes­sio­nell wir­ken­de Beatmungs­ma­schi­ne gebaut und stellt jetzt zehn­tau­send Stück davon her. Ande­re erfin­den mini­ma­lis­ti­sche Beatmungs­ge­rä­te aus dem 3D-Dru­cker. Die­se Anstren­gun­gen sind löb­lich und wich­tig, aber es könn­te sein, dass sie am Pro­blem vor­bei­ge­hen. Die Beatmung von Pati­en­ten hat Gren­zen nicht nur in der Anzahl der Beatmungs­ge­rä­te, son­dern ein beatme­ter Pati­ent braucht auch eine inten­si­ve qua­li­fi­zier­te Betreu­ung, deren Auf­wuchs­fä­hig­keit natür­li­che Gren­zen hat. Wenn dann noch Fra­gen bestehen, ob selbst eine pro­fes­sio­nel­le Beatmung COVID-Pati­en­ten wirk­lich hilft, dann ist ein impro­vi­sier­tes Beatmungs­ge­rät viel­leicht nicht die Lösung.

Könn­te es nicht sein, dass die bes­te Ver­si­che­rung, um im Fall eines Durch­ge­hens der Epi­de­mie nicht ersti­cken­de Pati­en­ten nach Alter und Vor­er­kran­kun­gen an der Kran­ken­haus­tür abwei­sen zu müs­sen, nicht in Beatmungs­ge­rä­ten, son­dern in der Sau­er­stoff­the­ra­pie liegt? Sau­er­stoff stel­len wir genug her, und die Betreu­ung eines Pati­en­ten, der Sau­er­stoff atmet, ist um ein Viel­fa­ches ein­fa­cher als die eines beatme­ten Inten­siv­pa­ti­en­ten. Sau­er­stoff­the­ra­pie ist sogar häus­lich mög­lich. Damit wird das Pro­blem zu einem logis­ti­schen, das im Prin­zip zu bewäl­ti­gen wäre: Man müss­te sich um den Trans­port des Sau­er­stoffs und der lee­ren Fla­schen küm­mern und dann die tech­nisch eigent­lich sehr simp­le Aus­stat­tung, um ihn kon­trol­liert aus­strö­men zu las­sen, in hin­rei­chen­der Anzahl für einen Mas­sen­an­fall von Sau­er­stoff­be­dürf­ti­gen bereit­stel­len. Wenn man im Not­fall auf die Zer­ti­fi­zie­rung als medi­zi­ni­sches Pro­dukt ver­zich­tet, dann soll­te sich der Auf­bau einer ent­spre­chen­den Reser­ve­ka­pa­zi­tät eigent­lich machen las­sen. Jeden­falls sind der Bau von Druck­min­der­ven­ti­len und Wasch­fla­schen zum Befeuch­ten, die Kon­fek­tio­nie­rung von Schläu­chen und ein Shut­tle­ser­vice für die Fla­schen weit­aus plau­si­ble­re Pro­jek­te für nicht auf Medi­zin spe­zia­li­sie­re Fir­men als die Her­stel­lung von Beatmungs­ge­rä­ten, die dann immer noch spe­zia­li­sier­tes Per­so­nal brauchen.

Es kann sein, dass die­se Idee aus irgend­wel­chen Grün­den nicht prak­ti­ka­bel ist. Der his­to­ri­sche Moser war kein Pneu­mo­lo­ge und der hie­si­ge Blog­ger ist es auch nicht. Aber auch ohne Pneu­mo­lo­ge zu sein kann es einen befrem­den, dass die eigent­lich zustän­di­gen Stel­len nicht öffent­lich erkenn­bar über eine rea­lis­ti­sche Stra­te­gie nach­den­ken, wie man im schlimms­ten Fall einer sehr gro­ßen Anzahl von Pati­en­ten eini­ger­ma­ßen wirk­sam hel­fen könn­te. Es soll­te uns nicht noch ein­mal so gehen, wie jetzt mit den Mas­ken. Wer kei­ne Rück­ver­si­che­rung in der Form ent­spre­chen­der Kapa­zi­tä­ten hat, kann sich gezwun­gen sehen, zu tria­gie­ren, und die Kon­se­quen­zen davon wären nicht nur für die Abge­wie­se­nen son­dern auch für den Zusam­men­halt in unse­rer Gesell­schaft fatal.