Nancy Pelosi, Sprecherin der amerikanischen Repräsentantenhauses, hat in einer erstaunlichen Ansprache den absurden Heldenkult um George Floyd auf eine neue Stufe gehoben:
„Danke, George Floyd, dass Sie Ihr Leben für die Gerechtigkeit geopfert haben“, sagte sie. Alles an diesem Satz ist absurd. George Floyd hat sich nicht im Sinne eines willentlichen Einsatzes „geopfert“ und schon gar nicht für die Gerechtigkeit.
Floyd wollte kein Märtyrer sein
Derek Chauvin, einer der Polizisten bei George Floyds verhängnisvoller Festnahme, wurde gestern wegen gleich dreier von ihm bei dieser Festnahme begangener Tötungsdelikte verurteilt. Wie das im nahezu sicher anschließenden Revisionsprozess weitergehen wird muss man abwarten, aber es ist doch bemerkenswert, dass die drei Schuldsprüche wegen derselben Tat sich in gewissem Maße widersprechen. So oder so, George Floyd wurde demnach zum Opfer mindestens einer übermäßigen Brutalität Chauvins. Dass Floyd dagegen „sich geopfert“ hätte, würde ja voraussetzen, dass er die Situation und seinen Tod absichtlich herbeigeführt hätte. Absolut nichts in dem berühmten Video der Festnahme und in dem folgenden Prozess deutet darauf hin. Floyd hat zuerst Krawall gesucht und dann um Luft und nach seiner Mama gewinselt, aber zu keinem Zeitpunkt hat er irgendetwas gesagt oder getan, das darauf hindeuten würde, dass er zum Märtyrer für eine neue soziale Bewegung werden wollte.
‚Sacrifice‘ und ‚victim‘
Floyd hat sich aber nicht nur nicht geopfert, es wirkt auch absurd, dass „Gerechtigkeit“ irgendwie ein besondere Motivation in seinem Leben gewesen sein soll. George Floyd war ein Gewohnheitskrimineller, und die mit Abstand hervorstechendste Handlung in seinem Leben war ein außergewöhnlich brutaler Überfall, bei dem sich seine Bande durch einen Hinterhalt Zugang zu einer Wohnung, in der auch ein Kleinkind anwesend war, verschafft hat, und bei dem Floyd selber mit seiner Pistole nicht nur gedroht, sondern sie einer Mutter in den Leib gedrückt hat. Insofern solche Gestalten nicht eben die Finger flach an der Waffe zu halten pflegen, haben da nur Millimeter gefehlt, dass Floyd zum Raubmörder geworden wäre.
Die Vorstellung des ‚Opfers‘ im Sinne von ’sacrifice‘ scheint mir bei den Amerikanern schon bei Soldaten überstrapaziert, deren Tod im Dienst oft als ‚das ultimative Opfer‘ verklärt wird. Es gibt natürlich Fälle, in denen sich jemand beispielsweise auf eine Handgranate wirft, um so seine Kameraden zu retten, aber solche Fälle eines bewussten und willentlichen, im Wissen um den sicheren Tod, Selbstopfers sind doch selten. Der Kamikaze weht bei den amerikanischen Streitkräften glücklicherweise nicht.
Die meisten Gefallenen haben sich zwar freiwillig gemeldet, aber sicher nicht mit der Absicht, den Tod für ein bestimmtes Ziel zu suchen, und schon die Schwammigkeit der Ziele viele militärischer Einsätze wirft die Frage auf, ob die Rede vom ‚Opfer‘ nicht eine Überhöhung eines Sachverhalts ist, der sich ehrlicher als ‚durch unklare Ziele und zweifelhafte Planung zu Tode gekommen‘ beschreiben ließe. Letztere Formulierung eignet sich natürlich schlechter für inspirierende Reden, die das Opfer der Soldaten irgendwie in die Nähe des Opfers Jesu Christi rücken. (Joseph de Maistre hat diese Verbindung in seinen St. Petersburger Dialogen explizit gemacht, was natürlich dem orthodoxen Verständnis, dass Christi Opfer für alle Menschen und alle Zeiten genüge, widerspricht.)
Die Überhöhung von George Floyds Tod als ein solches Selbstopfer für die Gerechtigkeit hat, unterstellt man Sprecherin Pelosi noch irgendeinen Realitätsbezug, etwas Höhnisches. Wenn Floyd sich „geopfert“ haben sollte, dann nicht für die Gerechtigkeit, sondern für Krawall, Geld, Machtgefühl und Drogen. Er mag ein ‚Opfer‘ im Sinne von ‚victim‘ gewesen sein, aber geopfert im Sinne von ’sacrifice‘ hat er sicher nichts. Eher schon könnte man sich fragen, ob nicht die Geschworenen geopfert haben, nämlich Derek Chauvin in der Hoffnung, dass so ihre Stadt nicht abgebrannt würde, aber auch das wäre alles andere als ein nobles Selbstopfer für die Gerechtigkeit.