Tru­deaus Amoklauf

Jus­tin Tru­deaus Regie­rung in Kan­da hat ein weit­rei­chen­des Waf­fen­ver­bot als Ver­ord­nung mit sofor­ti­ger Wir­kung ver­kün­det. Es wirkt so, als ob es schon vor den als Recht­fer­ti­gung ver­wen­de­ten Anschlä­gen geplant wur­de und die Regie­rung auf einen pas­sen­den Anlass gewar­tet hät­te. Der Beschluss als Ver­ord­nung ohne Berück­sich­ti­gung von Par­la­ment oder Öffent­lich­keit ent­spricht dem Inhalt.

Der kana­di­sche Pre­mier­mi­nis­ter Jus­tin Tru­deau woll­te ja bekann­ter­ma­ßen schon die „Leu­te­heit“ („peo­p­le­kind“) beglü­cken, weil das „inklu­si­ver“ sei als die „Mensch­heit“ („man­kind“). Er fiel ziem­lich unver­schämt einer jun­gen Frau ins Wort, die sich erdreis­te­te noch, von der „Mensch­heit“ zu reden. Danach soll es ein „dum­mer Witz“ gewe­sen sein, den er dann aller­dings ohne jedes Anzei­chen von Humor vor­ge­tra­gen hät­te. Wie dem auch sei, heu­te hat sei­ne Regie­rung zum Kahl­schlag gegen den pri­va­ten Waf­fen­be­sitz aus­ge­holt – fünf­zehn­hun­dert Typen von Waf­fen sol­len ver­bo­ten wer­den, durch Ver­ord­nung mit sofor­ti­gem Ver­bot des Schie­ßens damit und einer Ent­eig­nung der recht­mä­ßi­gen Besit­zer inner­halb von zwei Jah­ren. Als Recht­fer­ti­gung die­nen die Mor­de vom 18. und 19. April in Nova Sco­tia.

Die Regie­rung Tru­deau hat eine Lis­te von nicht weni­ger als 1500 Waf­fen­ty­pen nach Her­stel­lern und Model­len vor­ge­legt, deren Benut­zung und Erwerb ab sofort ver­bo­ten sein sol­len. Da stellt sich zunächst ein­mal die Fra­ge, wann die­se Lis­te ver­fer­tigt wur­de. Wer die Arbeits­ge­schwin­dig­keit von Behör­den kennt, der dürf­te arge Zwei­fel dar­an haben, dass sie in nur neun Arbeits­ta­gen wäh­rend der Coro­na-Vor­keh­run­gen erstellt wur­de. Es drängt sich also der Ver­dacht auf, dass die­se Lis­te samt Vor­be­rei­tun­gen des Ver­bots schon vor­her exis­tier­te, aber die Regie­rung wuss­te, dass sie poli­tisch nicht umzu­set­zen war, denn zuletzt ging der poli­ti­sche Wind in Kana­da eigent­lich schon ein­mal in die umge­kehr­te Rich­tung, bei­spiels­wei­se mit der Abschaf­fung des natio­na­len Lang­waf­fen­re­gis­ters 2012.

Geplan­te Aus­nut­zung einer auf spek­ta­ku­lä­re Aus­füh­rung ange­leg­ten Straftat

Wenn also die Regie­rung Tru­deau im vor­aus eine sol­che Ver­ord­nung ent­wor­fen oder for­mu­liert hät­te, im Wis­sen um die Unmög­lich­keit ihrer Umset­zung unter den gege­be­nen poli­ti­schen Ver­hält­nis­sen, dann hät­te sie auf eine spek­ta­ku­lä­re Straf­tat mit Lang­waf­fen als Anlass zur Umset­zung gewar­tet. Es wäre ihr um die geplan­te Aus­nut­zung einer auf spek­ta­ku­lä­re Aus­füh­rung ange­leg­ten Straf­tat gegan­gen, um die Mobi­li­sie­rung des Schre­ckens, auf Latei­nisch: Ter­ror, zur Aus­übung poli­ti­scher Macht, die der demo­kra­ti­sche Pro­zess ihr nicht hergab.

Soll­te die Regie­rung Tru­deau Plä­ne für eine mas­si­ve Waf­fen­rechts­ver­schär­fung gehabt haben, im Wis­sen, dass die­se nur durch den Schock einer spek­ta­ku­lä­ren Straf­tat umge­setzt wer­den könn­ten, dann wäre sie auch unter einem erheb­li­chen Inter­es­sen­kon­flikt gestan­den. Ihre Auf­ga­be als Regie­rung ist eigent­lich die Ver­hin­de­rung von Anschlä­gen, aber zur Umset­zung ihrer poli­ti­schen Zie­le hät­te sie einen Anschlag gebraucht.

Die­ser Inter­es­sen­kon­flikt ist beim bes­ten Wil­len kein Beweis oder auch nur hin­rei­chen­der Ver­dacht, dass der Anschlag absicht­lich regie­rungs­amt­lich geför­dert wur­de. Aber soweit muss es gar nicht gehen. Es kann sich bei­spiels­wei­se auch die Poli­zei in einer Situa­ti­on befin­den, in der sie sich ent­schei­den muss, einen Psy­cho­pa­then ledig­lich wegen ver­bo­te­nen Waf­fen­be­sit­zes ver­ur­tei­len und viel­leicht in eine psych­ia­tri­sche Kli­nik ste­cken las­sen zu kön­nen, oder aber zuzu­war­ten, bis sich etwas Spek­ta­ku­lä­re­res ergibt, zumal wenn man für sofor­ti­ges Ein­grei­fen bei­spiels­wei­se einen V‑Mann abschal­ten müss­te. Die Wün­sche der Poli­tik könn­ten bei sol­chen Ent­schei­dun­gen schon eine Rol­le spie­len, selbst ohne dass sie expli­zit aus­ge­spro­chen zu wer­den brauchen.

Für jeman­den, der den Schre­cken, also Ter­ror, als Instru­ment der Macht­aus­übung ver­wen­det, gibt es ein bekann­tes Wort

Eine Ver­bin­dung zwi­schen Anschlä­gen und staat­li­chen Orga­nen, die den Ver­dacht erweckt, dass zumin­dest nicht frü­hest­mög­lich ein­ge­grif­fen wur­de, fin­det sich ja auch bei spek­ta­ku­lä­ren Anschlä­gen der deut­schen Geschich­te. Zwei Bei­spie­le sol­len genannt sein: Beim Anschlag der Tupa­ma­ros West-Ber­lin auf das Jüdi­sche Gemein­de­haus, dazu noch zum Jah­res­tag der ‚Reichs­kris­tall­nacht‘, hat offen­bar Peter Urbach, ein V‑Mann des Ber­li­ner Ver­fas­sungs­schut­zes, die Bom­be gelie­fert. Bei den Anschlä­gen des ‚NSU‘ haben meh­re­re V‑Leute Kon­takt zu dem Trio gehabt, was ver­mut­lich eine Fest­nah­me ermög­licht hät­te, auch ohne das gan­ze Aus­maß der Mord­se­rie zu ken­nen. Auch in die­sem Fall kommt man nicht ganz über den Ver­dacht hin­weg, dass etwas Gro­ßes – und das muss ja gar kein geglück­ter Anschlag sein, son­dern ein ver­hin­der­ter tut es auch – den Betei­lig­ten aus Grün­den der Wir­kung auf Vor­ge­setz­te und die Öffent­lich­keit lie­ber gewe­sen sein könn­te als eine sofor­ti­ge Fest­nah­me wegen klei­ne­rer Straf­ta­ten und damit die Unter­bin­dung der großen.

Man kann sich also des Ver­dachts nicht erweh­ren, dass Jus­tin Tru­deaus Waf­fen­ver­bot ein schon län­ger aus­ge­heck­ter Plan war, der nur auf den rich­ti­gen Anlass war­ten muss­te. Dar­aus ergibt sich ein Inter­es­sen­kon­flikt bezüg­lich des Umge­hens mit sol­chen Anläs­sen, der schon skan­da­lös ist, wenn es beim Kon­flikt bleibt und kein kon­kre­tes Han­deln oder Unter­las­sen nach­zu­wei­sen ist. Und für jeman­den, der den Schre­cken, also Ter­ror, als Instru­ment der Macht­aus­übung ver­wen­det, gibt es eigent­lich ein bekann­tes Wort.

Vom Thro­ne her­un­ter­ge­don­nert, und das Par­la­ment wird genau­so wenig gefragt wie der Bürger

Zu die­sem Ein­druck passt auch, dass das Total­ver­bot samt Ent­eig­nung offen­bar durch eine Ver­ord­nung mit sofor­ti­ger Gel­tung, nicht durch ein par­la­men­ta­risch beschlos­se­nes und vor­her in der Öffent­lich­keit dis­ku­tier­tes Gesetz, erfol­gen soll. Ich weiß nicht, was die Rechts­grund­la­ge in Kana­da für sol­che Ver­ord­nun­gen her­gibt, aber selbst wenn der Regie­rung das Recht ein­ge­räumt wor­den sein soll­te, ein­zel­ne Waf­fen zu ver­bie­ten, dann wäre ein Ver­bot gan­zer Kate­go­rien, samt zuge­hö­ri­ger finan­zi­el­ler Kon­se­quen­zen für die zuge­sag­ten Ent­schä­di­gun­gen, eigent­lich doch ein vom Par­la­ment und der Öffent­lich­keit zu behan­deln­der Gegen­stand. In kras­sem Gegen­satz zu sol­chen Prin­zi­pen deli­be­ra­ti­ver Demo­kra­tie fängt Tru­deaus Ver­ord­nung an:

Weil die Gou­ver­neu­rin-im-Rat [Stell­ver­tre­te­rin der Köni­gin, in deren Namen Geset­ze und Ver­ord­nun­gen ver­kün­det wer­den] nicht der Mei­nung ist, dass irgend­wel­che [der neu ver­bo­te­nen Waf­fen] ver­nünf­tig zum Gebrauch in Kana­da für Jagd- oder Sport­zwe­cke sind…

SOR/2020–96 May 1, 2020

Die Ansicht der Gou­ver­neu­rin, die wegen der sym­bo­li­schen Rol­le die­ser Posi­ti­on tat­säch­lich die des Pre­mier­mi­nis­ters ist, wird vom Thro­ne her­un­ter­ge­don­nert, und das Par­la­ment wird genau­so wenig gefragt wie der Bür­ger. Er schlägt den Takt mit dem Ham­mer und beglückt die ‚Leu­te­heit‘. Der Stil des Beschlus­ses ent­spricht den Moda­li­tä­ten sei­nes Zustan­de­kom­mens wie auch dem Inhalt. Ob das juris­tisch hält, wird man noch sehen.

Neben­bei bemerkt hat­te die Mord­se­rie in Nova Sco­tia auch nichts mit den Tat­waf­fen oder deren Gefähr­lich­keit zu tun. Der Täter hat über einen Zeit­raum von vier­zehn Stun­den 22 Men­schen ermor­det. Das wesent­li­che und unge­wöhn­lichs­te Tat­mit­tel waren ein Poli­zei­au­to und eine Poli­zei­uni­form, mit denen sich der Täter das Ver­trau­en der Opfer erschlich. Um jeman­den, der bei einer vor­ge­täusch­ten Ver­kehrs­kon­trol­le mit einem Poli­zei­au­to brav anhält und die Hän­de auf das Lenk­rad legt, zu töten, braucht man kei­ne beson­ders leis­tungs­fä­hi­ge Waf­fe – das täten auch ein Mes­ser oder ein Beil oder eine Vor­der­la­der­pis­to­le von anno Tobak. Im Übri­gen besaß der Täter sei­ne Waf­fen ohne­hin schon ille­gal, hät­te sich also wohl kaum an ein Ver­bot gehal­ten, und hat­te auch die finan­zi­el­len Mit­tel für einen Ein­kauf zu Schwarz­markt­prei­sen. Es war auch wohl nur eine sei­ner vier Waf­fen, die über­haupt unter das Ver­bot fal­len wür­de. Der Anlass ist der Anlass, aber noch nicht ein­mal als Ein­zel­fall eine Begründung.