Sol­da­tin­nen, Pries­ter­kin­der und Meg­han Markle

Es fällt mir schwer, aus­ge­rech­net mit Her­zo­gin Meg­han beson­de­res Mit­leid zu haben. Den­ken wir doch lie­ber ein­mal an unse­re Sol­da­ten und ihre Fami­li­en, an Pries­ter­kin­der, auch an die Fami­li­en, von denen ein Mit­glied im Gefäng­nis oder der Psych­ia­trie sitzt.

Die Schau­spie­le­rin und Her­zo­gin Meg­han Mark­le und ihr Mann Prinz Har­ry haben mit einem Inter­view über Mar­kles unglück­li­ches Lebens als Mit­glied des bri­ti­schen Königs­hau­ses hohe Wel­len geschla­gen. Bei aller Sym­pa­thie für die Schwie­rig­kei­ten, die das Ein­hei­ra­ten in eine sol­che Insti­tu­ti­on macht, möch­te ich Ihre Auf­merk­sam­keit lie­ber auf die Mil­lio­nen von Men­schen len­ken, die ähn­li­che Schwie­rig­kei­ten erfah­ren, aber nicht im Ent­fern­tes­ten die Res­sour­cen und Mög­lich­kei­ten des Ehe­paa­res Sus­sex haben.

Gie­ri­ge Institutionen

Von dem deutsch-ame­ri­ka­ni­schen Sozio­lo­gen Lewis A. Coser (wie so vie­le Intel­lek­tu­el­le ein Ver­lust Deutsch­lands an Ame­ri­ka durch die Nazis) gibt es ein lesens­wer­tes Buch Gree­dy Insti­tu­ti­ons: Pat­terns of Undi­vi­ded Com­mit­ment, das, wie der Titel besagt, gie­ri­ge Insti­tu­tio­nen behan­delt, die einen prin­zi­pi­ell voll­stän­di­gen Anspruch auf die Zeit und Selbst­be­stim­mung ihrer Mit­glie­der erhe­ben. Die­se gie­ri­gen Insti­tu­tio­nen unter­schie­den sich von dem bekann­te­ren Modell der tota­len Insti­tu­tio­nen des Sozio­lo­gen Erving Goff­man, exem­pla­risch Gefäng­nis­se und psych­ia­tri­sche Kli­ni­ken, wesent­lich dadurch, dass die Mit­glied­schaft frei­wil­lig ist und von den Mit­glie­dern oft­mals als gro­ße Ehre emp­fun­den wird. Auch wenn man die Insti­tu­ti­on ver­las­sen dürf­te, man will es nicht.

Eine sol­che gie­ri­ge Insti­tu­ti­on ver­langt von ihren Mit­glie­dern, dass sie ande­re sozia­le Sphä­ren wie Fami­lie, Freun­de, Frei­zeit und auch ande­re Gedan­ken­sphä­ren wie eige­ne Wert­vor­stel­lun­gen der Insti­tu­ti­on unter­ord­nen. Sie kom­men dadurch zwangs­läu­fig in Kon­flikt mit der Fami­lie und spe­zi­ell der Kin­der­auf­zucht als einer eben­falls der Ten­denz nach gie­ri­gen Insti­tu­ti­on, und sie füh­ren nahe­zu zwangs­läu­fig zu Ehe­kon­flik­ten wenn sich kein Ehe­part­ner fin­det, der bereit ist, sich den Ansprü­chen der Insti­tu­ti­on an den Part­ner nahe­zu bedin­gungs­los unterzuordnen.

Im Gol­de­nen Käfig

Das bri­ti­sche Königs­haus ist ohne Zwei­fel eine sol­che gie­ri­ge Insti­tu­ti­on. Wer ein ‚working roy­al‘ ist, der kann sich nicht aus­su­chen, wo er wohnt, was er arbei­tet, er soll sich nicht öffent­lich oder über­haupt zu strit­ti­gen Fra­gen äußern, sein Fami­li­en­le­ben und sei­ne Part­ner­wahl sind Gegen­stän­de öffent­li­chen Dis­kur­ses, sei­ne Ehe bedarf der Zustim­mung des Sou­ve­räns, und im Fall von Frau­en ist Fremd­ge­hen wegen des Ein­griffs in die Thron­fol­ge in gewis­sen Fäl­len tech­nisch gese­hen immer noch Hoch­ver­rat. Dem Mit­glied der Königs­fa­mi­lie ist damit die nor­ma­le Selbst­be­stim­mung der bür­ger­li­chen Gesell­schaft in wei­ten Tei­len genommen.

Es ist im Grun­de gar nicht erstaun­lich, dass eine Schau­spie­le­rin, die sich eine gro­ße Platt­form für ihre Selbst­dar­stel­lung und die Dar­stel­lung ihr wich­ti­ger gesell­schaft­li­cher Anlie­gen erhofft hat, in die­ser Situa­ti­on tod­un­glück­lich war. Wer sich dar­über auf­regt, dass angeb­lich die bür­ger­li­che Gesell­schaft Frau­en zum Schwei­gen ver­dam­me, der soll­te ver­mut­lich nicht in eine Insti­tu­ti­on ein­hei­ra­ten, die alle ihre Mit­glie­der, Män­ner und Frau­en, dazu ver­don­nert. Gleich­zei­tig hät­te dem Paar die­se Pro­ble­ma­tik natür­lich auch klar sein kön­nen, der könig­li­che Käfig ist groß­zü­gig bemes­sen und ordent­lich ver­gol­det, und nach dem Aus­stieg kann sich das Paar eine eben­so gol­de­ne Nase ver­die­nen, muss es aber nicht weil sie eh schon genug haben. Soll­te unser Nach­den­ken nicht eher denen gel­ten, deren gie­ri­ge Insti­tu­tio­nen weit­aus weni­ger groß­zü­gig für die ihren sorgen?

Die Bezie­hung zer­bricht am Soldatenberuf

Ein zah­len­mä­ßig bedeu­ten­des Bei­spiel einer sol­chen gie­ri­gen Insti­tu­ti­on mit weit­aus weni­ger groß­zü­gi­gen Lebens­be­din­gun­gen sind Sol­da­ten. Schon im nor­ma­len Dienst zie­hen sie rund alle zwei Jah­re um, haben also kei­ner­lei Ver­fü­gung über ihren gewöhn­li­chen Auf­ent­halt, und oft­mals auch kei­ne gere­gel­ten Arbeits­zei­ten. Auch wenn der Ehe­part­ner natür­lich recht­lich nicht gezwun­gen ist, mit­zu­kom­men, ist das die unaus­ge­spro­che­ne Erwar­tung, mit der Alter­na­ti­ve der räum­li­chen Tren­nung des Paa­res. Bei Aus­lands­ein­sät­zen stellt sich die Fra­ge des Mit­kom­mens gar nicht, und vom Part­ner wird erwar­tet, dass er auf nicht ganz bestimm­te Zeit die Kin­der allei­ne über­nimmt (oder das über Groß­el­tern etc. orga­ni­siert). Was das für die Kar­rie­re­mög­lich­kei­ten der Part­ner bedeu­tet, ist offen­sicht­lich. Wer stellt schon jeman­den in einer qua­li­fi­zier­ten Posi­ti­on ein, der zwei Jah­re spä­ter garan­tiert weg ist und sich mög­li­cher­wei­se jeder­zeit vor­her ver­ab­schie­den muss? Eine Sol­da­tin resü­miert des­we­gen rea­li­täts­nah: „Das Risi­ko, dass die eige­ne Bezie­hung am Sol­da­ten­be­ruf zer­bricht, ist für uns alle viel prä­sen­ter als das Risi­ko im Ein­satz“, wobei nicht nur die durch den Ein­satz abge­lenk­ten Sol­da­ten son­dern erst recht noch die daheim­ge­blie­be­nen Ange­hö­ri­gen dabei natür­lich trotz­dem auch die Sor­gen vor den Gefah­ren tragen.

Noch schwie­ri­ger als für den typi­schen männ­li­chen Sol­da­ten wird es für Sol­da­tin­nen. Das dem Sol­da­ten­be­ruf immer noch unaus­ge­spro­chen zugrun­de­lie­gen­de Fami­li­en­bild der Haus­frau und Mut­ter, die mit dem Sol­da­ten und den Kin­dern umzieht und sich wäh­rend sei­ner Ein­sät­ze um die Hei­mat­front küm­mert, ist schon für männ­li­che Sol­da­ten immer schwe­rer zu rea­li­sie­ren. Für Sol­da­tin­nen, ins­be­son­de­re Offi­zie­re mit einer Ver­pflich­tungs­zeit, die einen Groß­teil der repro­duk­ti­ven Lebens­pha­se umfasst, wird es extrem schwie­rig. Män­ner mit ver­gleich­ba­rer Füh­rungs­ver­ant­wor­tung im Beruf und Bil­dung sind in der Regel nicht geneigt, Beruf und Ein­kom­men für die Mili­tär­kar­rie­re ihrer Frau auf­zu­ge­ben. Män­ner ohne ver­gleich­ba­re Ver­ant­wor­tung und Bil­dung wer­den einer­seits von stu­dier­ten Frau­en oft­mals als unat­trak­tiv wahr­ge­nom­men und ande­rer­seits dürf­ten gera­de Män­ner ohne Selbst­si­cher­heit aus dem Beruf oft Schwie­rig­kei­ten haben, ihre gan­ze Lebens­ge­stal­tung einer Frau und ihrer Trup­pe unterzuordnen.

Für Deutsch­land habe ich kei­ne Sta­tis­ti­ken gefun­den, aber in Ame­ri­ka führt das dann dazu, dass bei­spiels­wei­se bei der Mari­ne­infan­te­rie im Jahr 2.5% der Ehen der männ­li­chen Sol­da­ten, aber 7% im Jahr der Ehen der Sol­da­tin­nen geschie­den wer­den. Auf eine zwan­zig­jäh­ri­ge Dienst­zeit gerech­net sind die Kon­se­quen­zen die­ser Schei­dungs­ra­te offen­sicht­lich: die Schei­dung ist nahe­zu vor­pro­gram­miert. Auch ist es den Sol­da­ten­fa­mi­li­en oft­mals nicht mög­lich, Belas­tun­gen mit Geld abzu­fe­dern. Ein Major geht mit Besol­dungs­stu­fe A13 heim, bes­ten­falls als Ober­stabs­arzt mit A14, also ver­gleich­bar mit einem Leh­rer, auch wenn sich die För­de­rung des Stu­di­ums und das Ruhe­stands­al­ter unter­schei­den, und die Kar­rie­re des Part­ners lan­det aus den genann­ten Grün­den oft­mals im Schred­der, wäh­rend sich Leh­rer gut zusam­men­tun kön­nen. Von den Mann­schafts­gra­den, sagen wir einem Stabs­ge­frei­ten auf A5, wol­len wir gar nicht anfangen.

Vor die­sem Hin­ter­grund mutet es fast schon wie Hohn gegen­über den Sol­da­tin­nen und ihren Fami­li­en an, wenn die Bun­des­re­gie­rung beim Schüt­zen­pan­zer Puma ver­langt hat, dass die Luft­qua­li­tät im Kampf­raum nach der Arbeits­stät­ten­ver­ord­nung für Hoch­schwan­ge­re geeig­net sein muss, was offen­bar zu einer Lie­fer­ver­zö­ge­rung und Kos­ten­stei­ge­rung führ­te. Das sind schlicht­weg nicht die Pro­ble­me, die Sol­da­tin­nen wirk­lich haben. Ein­mal abge­se­hen von den Schwie­rig­kei­ten schon mit dem Ein­stei­gen wer­den Schwan­ge­re eh nicht in Kampf­ein­sät­ze geschickt, und auch das Üben dürf­te sich in Gren­zen hal­ten wenn zwar die Luft drin­nen schön gefil­tert ist, man aber dann doch nicht abge­ses­sen kämp­fen darf all­die­weil die Hand­waf­fe kei­nen sol­chen Abgas­fil­ter hat. Wesent­lich wert­vol­ler, aber in einer abge­ma­ger­ten Trup­pe schwe­rer dar­zu­stel­len, wäre eine ver­bes­ser­te Plan­bar­keit von Umzü­gen und Ein­sät­zen, auch eine ver­rin­ger­te Häu­fig­keit von Umzü­gen. Bei den Ame­ri­ka­nern macht man sich dar­über immer­hin noch Gedan­ken, wenn auch ohne wirk­li­che Lösun­gen, wäh­rend in Deutsch­land eben der Schüt­zen­pan­zer schwan­geren­ge­rech­te Luft bekommt.

Pries­ter­kin­der und Spitzenmanager

Ähn­li­che Pro­ble­me wie beim Mili­tär gibt es selbst­ver­ständ­lich auch in ande­ren gie­ri­gen Insti­tu­tio­nen. Ein beson­ders tra­gi­sches Bei­spiel sind die Kin­der römisch-katho­li­scher Pries­ter, denn die darf es gar nicht geben. Dem Pries­ter, der Mut­ter und dem Kind bleibt so nur die Wahl zwi­schen dem Kar­rie­re­en­de des Pries­ters, das je nach Krea­ti­vi­tät auch die mate­ri­el­le Ver­sor­gung der Kin­der gefähr­den wür­de, und der öffent­li­chen Ver­leug­nung der Kin­der, die in einer Lebens­lü­ge oder zum Still­schwei­gen ver­don­nert auf­wach­sen und leben müs­sen. Noch­mals eine ande­re Vari­an­te wären Spit­zen­ma­na­ger und ‑poli­ti­ker und deren Fami­li­en, ins­be­son­de­re wenn die Tätig­keit auch noch mit einer beson­de­ren Gefähr­dung der Fami­lie und dar­aus fol­gen­den Ein­schrän­kun­gen ver­bun­den ist.

Vor die­sem Hin­ter­grund fällt es mir schwer, aus­ge­rech­net mit Her­zo­gin Meg­han beson­de­res Mit­leid zu haben. Sie wuss­te, so soll­te man anneh­men, was sie tat, hat­te ver­mut­lich auch Rat, was auf sie zukom­men wür­de. Es fällt schwer, so ganz dar­an zu glau­ben, dass ein Prinz eines regie­ren­den Hau­ses wirk­lich rein zufäl­lig der Ort war, an den ihre Lie­be hin­ge­fal­len ist. Den­ken wir doch lie­ber ein­mal an unse­re Sol­da­ten und ihre Fami­li­en, an Pries­ter­kin­der, auch an die Fami­li­en, von denen ein Mit­glied in einer tota­len Insti­tu­ti­on wie Gefäng­nis oder Psych­ia­trie sitzt. Die bekom­men näm­lich kei­ne Inter­views bei Oprah Win­frey und sit­zen nicht auf genug Geld, um ein­fach aus­stei­gen und finan­zi­ell unab­hän­gig sein zu können.