Parteipolitische Kontroversen kann man mit politischen Argumenten austragen oder auf andere Weise. Ausgerechnet der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums für die Geheimdienste, Roderich Kiesewetter von der CDU, ließ es sich nicht nehmen, recht unverhohlen die zweite Methode auszuprobieren. Ein halbes Jahr vor der Bundestagswahl hat er die Mitglieder der AfD, welche immerhin die größte Oppositionsfraktion im Bundestag stellt, anlässlich der Einstufung ihrer Partei zum Verdachtsfall zum Parteiaustritt aufgefordert. Aus dem Munde eines Mannes, der eigentlich die Geheimdienste gegen politische Inanspruchnahme oder Verselbständigung überwachen soll, wirkt das wie ein Angebot des Paten, welches der Empfänger nicht ablehnen kann. Dazu kommentieren Staatsrechtsprofessoren schon, dass sich Beamte und insbesondere solche, die es werden wollen, eine Mitgliedschaft gut überlegen sollten. Für Piloten, Waffenbesitzer usw. dürfte ähnliches gelten.
Wie man zur AfD steht, ist für die Bewertung dieses Vorgangs zunächst einmal völlig irrelevant. Viel wesentlicher scheint mir, dass eine Wahl ansteht; dass, ob es einem gefällt oder nicht, die AfD die größte Oppositionsfraktion im Bundestag stellt; dass die AfD als Ganzes vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall eingestuft wurde, nachdem ein vorheriger Verfassungsschutzpräsident, der das für nicht angemessen hielt, geschasst wurde, was dem neuen Präsidenten Haldenwang eine gewisse Entscheidungsrichtung vorgegeben haben mag; dass das Zwischenhoch der CDU in den Umfrageergebnissen wegbröckelt; dass andere Behauptungen des Verfassungsschutzes bezüglich der AfD gerade vom Hessischen Verwaltungsgerichtshof kassiert wurden, der den Gleichbehandlungsgrundsatz und das Recht auf Mitwirkung an der politischen Willensbildung verletzt sah; und dass ausgerechnet in dieser Situation ein Politiker, der für die Überwachung der Geheimdienste zuständig ist, den Mitgliedern dieser Oppositionspartei zum Parteiaustritt rät, wozu man sich ohne viel Phantasie denken kann: „damit ihnen nichts Schlimmes passiert, beispielsweise bezüglich Karriere und sozialer Absicherung“.
Die Vermischung von geheimpolizeilichem Vorgehen und Wahlkampf würde an eine Bananenrepublik erinnern, wäre diese Assoziation in Deutschland nicht von Erinnerungen an die übelsten Zeiten unserer Geschichte überlagert. Wir kennen die Entfernung von Berufsbeamten wegen politischer Missliebigkeit. Selbst wenn es soweit nicht kommen wird, dann dürfte schon die Drohung damit eine Motivation zum Austritt und zum Verzicht auf Engagement insbesondere im anstehenden Wahlkampf sein. Wir kennen den Einsatz von Geheimdiensten als Schild und Schwert der Partei. Auch nur der Eindruck, dass es wieder in eine ähnliche Richtung gehe, muss zwangsläufig der freiheitlich-demokratischen Grundordnung schwereren Schaden zufügen als es die AfD je könnte, selbst wenn man nur das Schlechteste über sie annehmen wollte.
Ein luzider und zustimmungswürdiger Kommentar zum pol. Geschehen. Man fragt sich, weshalb er, obwohl plausibel, scheinbar eine Minderheitenperspektive einnimmt.