Donald Trump hat bekanntermaßen ein Talent dafür, sich im öffentlichen Streit von Mitarbeitern zu trennen. Nun ist der ehemalige General und ehemalige Verteidigungsminister James Mattis dran, der im Magazin The Atlantic (das sich früher mit Literatur beschäftige, heute mit linksgerichteter Nabelschau) einen gegen Donald Trump gerichteten Brief veröffentlicht hat.
Mattis, Spitzname Mad Dog, wirft Trump vor, der erste Präsident seiner Lebensspanne, also seit 1950, zu sein, „der nicht versucht, die Amerikaner zu versöhnen – der nicht einmal so tut, als ob er es versuche.“ Er stellt sich hinter die Proteste und meint, „wir dürfen uns nicht von einer kleinen Zahl von Gesetzesbrechern ablenken lassen.“ Manche derjenigen, deren Familienmitglieder ermordet wurden, deren Geschäfte, die ihr Lebenswerk und ‑unterhalt sind, geplündert und abgebrannt wurden, dürften das anders sehen, aber gut, Mattis wohnt vermutlich in einer sicheren Gegend.
Er schreibt, dass Militäreinsätze im Inneren nur auf Anforderung der Gouverneure in seltenen Fällen möglich sein sollten, geht aber nicht auf das offensichtlichste Gegenbeispiel ein, Präsident Eisenhowers Entscheidung von 1957, mit der 101 Airborne die gerichtlich angeordnete Rassenintegration der Schulen in Little Rock, Arkansas gegen den Willen der dortigen Bevölkerung und Regierung durchzusetzen:
Bei Mattis‘ neuer Einordnung als Kronzeuge gegen Donald Trump, deren Ausschlachtung auch in der deutschen Medienlandschaft nicht lange auf sich warten lassen wird, sollte man aber nicht vergessen, wie er sich während seiner eigenen Dienstzeit geäußert hat:
Man geht nach Afghanistan, man hat da Typen, die fünf Jahre lang Frauen verprügeln, weil sie keinen Schleier getragen haben. Wissen Sie, Jungs wie die ham‘ eh keine Männlichkeit [alternative Übersetzung: keinen Penis] mehr. Es ist also ein saumäßiger Spaß, sie zu erschießen. Ja, in Wirklichkeit macht es ziemlich viel Spaß, zu kämpfen. Wissen Sie, es ist eine Riesengaudi. Es macht Spaß, bestimmte Leute zu erschießen. Ich sage es Ihnen ehrlich: Ich prügle mich gerne.
James Mattis, 2005, Politico
Das hat Mattis nicht als Präsident mit vorhergehender Karriere im Reality TV gesagt, sondern als Generalleutnant der Marineinfanterie, der sich höhere Ansprüche an sein Verhalten und seine Wortwahl gefallen lassen muss, und der viel eher Gefahr läuft, dass seine Worte von jungen Soldaten ernstgenommen werden. Diese Äußerungen wurde von anderen hochrangigen Soldaten eher konsterniert aufgenommen.
Die Antwort des Präsidenten auf Mattis‘ jüngste Ausführungen ließ erwartbar nicht lange auf sich warten und kam ebenso erwartbar auf Twitter, nicht in der Zeitung:
In diesem Kontext nicht besonders relevant, aber doch interessant wurde Mattis dann 2013 in den Aufsichtsrat des betrügerischen Medizinprodukte-Startups Theranos berufen, und hat für ein nicht existierendes Produkt, von dem er nichts verstand, noch nicht einmal seine Nichtexistenz, fleißig bei Militär und Investoren die Werbetrommel gerührt, eine Geschichte, die in dem exzellenten Buch Bad Blood erzählt wird.
General Mattis Vorwurf an Präsident Trump, er sei der erste seiner Lebenszeit, der nicht einmal versuche, das Volk zu versöhnen, scheint jedenfalls mehr als zweifelhaft. Barry Goldwater, als intellektueller jüdischer Konservativer aus Arizona ganz anders als der New Yorker Trump und doch im Wahlkampf mit ähnlichen Vorwürfen konfrontiert, wurde von der Wahlkampf-Kampagne Johnsons in einem der berühmtesten Wahlkampfspots aller Zeiten unterstellt, seine Wahl werde zu einem Atomkrieg führen:
Johnson selber hatte dann natürlich eine recht unglückliche Präsidentschaft, gekennzeichnet nicht nur von dem Krieg in Vietnam, sondern auch von massiven Ausschreitungen in der Vereinigten Staaten, an die sich viele bei den Szenen des vergangenen Wochenendes erinnert fühlten:
Von der daraus erwachsenden Stimmung ließ sich dann Präsident Nixon ins Amt heben, der versprach, in Vietnam einen Frieden zu erreichen, und den Linken von seinem Vizepräsidenten Spiro Agnew in allgemein amüsanten Alliterationen lauthals die Leviten lesen ließ. Nixon behauptete dabei, für die schweigende Mehrheit zu sprechen, und das Wahlergebnis wie auch Umfragen legten nahe, dass er mit dieser Interpretation nicht unrecht hatte.
Geschichte wiederholt sich nicht, aber es könnte durchaus sein, dass Präsident Trump diesen Herbst von einer ähnlichen Stimmung profitieren wird, dass die Menschen, die eben nicht schreiend und schon gar nicht plündernd und sengend durch die Straßen ziehen, in der Wahlkabine ihre Meinung zum Ausdruck bringen werden. Wie auch Nixon, und im Gegensatz zu Goldwater, ist Trump nicht eigentlich konservativ, im Grunde sogar eher unpolitisch, und schon deswegen kein politischer Spalter. Seine Lust an Auseinandersetzungen ist offenbar eher persönlicher Natur, und er scheint unfähig, sich von Mitarbeitern anders als im Streit zu trennen. Die Spaltungen, von denen er profitiert, waren aber schon vor fünfzig Jahren angelegt, eine Zeit, an die General Mattis sich eigentlich gut erinnern müsste.