Der Bun­des­rat zwi­schen Spie­ßer­tum und Klimapanik

Der Bun­des­rat will Fahr­ver­bo­te für Motor­rä­der mit Ver­bren­ner­mo­tor an Sonn- und Fei­er­ta­gen. Es scheint dabei mehr um die Spaß­brem­se an sich zu gehen als um rück­sichts­lo­se Fahrer.

Der Corona-„Lockdown“ ent­spricht eigent­lich genau den For­de­run­gen, in dem sich bei alt­ge­wor­de­nen Links­al­ter­na­ti­ven bie­der­mei­er­li­ches Spie­ßer­tum und Kli­ma­pa­nik tref­fen: Zuhau­se blei­ben, Klap­pe hal­ten, Spaß im Frei­en ist ver­bo­ten. Die Bedro­hung durch Covid-19 wird sich aber nicht dau­er­haft als Argu­ment hal­ten las­sen, und so berei­tet der Bun­des­rat schon ein­mal den Nach­schlag vor, dies­mal mit Bezug auf Motor­rad­fah­rer in einer der Bun­des­re­gie­rung zuge­lei­te­ten (aber ansons­ten unver­bind­li­chen) Ent­schlie­ßung.

Eine par­ti­el­le Enteignung

Einer der zehn Punk­te lautet:

Der Bun­des­rat sieht drin­gen­den Hand­lungs­be­darf, für beson­de­re Kon­flikt­fäl­le Geschwin­dig­keits­be­schrän­kun­gen und zeit­lich beschränk­te Ver­kehrs­ver­bo­te an Sonn- und Fei­er­ta­gen aus Grün­den des Lärm­schut­zes zu ermög­li­chen. Der Bun­des­rat bit­tet die Bun­des­re­gie­rung, die hier­zu ein­schlä­gi­gen Rege­lun­gen anzu­pas­sen. Motor­rä­der mit alter­na­ti­ven Antriebs­tech­ni­ken wie bei­spiels­wei­se Elek­tro­an­trieb soll­ten von mög­li­chen Ver­kehrs­ver­bo­ten aus­ge­nom­men werden.

Ent­schlie­ßung des Bun­des­ra­tes zur wirk­sa­men Min­de­rung und Kon­trol­le von Motor­rad­lärm, Druck­sa­che 125/20

Es wird nicht gesagt, wie umfang­reich die­se Ver­bo­te für Motor­rä­der an Sonn- und Fei­er­ta­gen sein sol­len. Sol­len es nur ein­zel­ne, land­schaft­lich beson­ders attrak­ti­ve Stre­cken sein, oder gan­ze Gegen­den? So oder so, die meis­ten Motor­rad­fah­rer müs­sen sich ihr Hob­by durch eine gere­gel­te Arbeit finan­zie­ren, und da bleibt eben vor­ran­gig das Wochen­en­de für den Spaß. Ein den Lärm­schutz­vor­schrif­ten zum Zulas­sungs­zeit­punkt ent­spre­chen­des Motor­rad für die Zei­ten und Orte zu ver­bie­ten, an denen ger­ne Motor­rad gefah­ren wird, ver­bun­den mit dem Hin­weis, man kön­ne sich ja ein moder­ne­res, elek­tri­sches kau­fen, ist eine par­ti­el­le Ent­eig­nung, nicht anders als ört­li­che Fahr­ver­bo­te für Pkw, die vor­her vom Staat als beson­ders umwelt­freund­lich geför­dert wurden.

„Das Schall­zei­chen soll­te mit dem Geräusch eines mit Ver­bren­nungs­mo­tor aus­ge­stat­te­ten Fahr­zeugs der glei­chen Klas­se ver­gleich­bar sein“

Nun haben elek­tri­sche Motor­rä­der auch Vor­tei­le. Eine Sache, die die Elek­tro­trak­ti­on wirk­lich kann, ist die bru­ta­le Beschleu­ni­gung aus dem Stand. Ob man die jetzt aus­fährt oder nicht, eine irgend­wie gear­te­te akus­ti­sche Warn­funk­ti­on braucht so ein Gerät dann auch. Beim Ver­bren­ner erle­digt das der Motor schon von selbst. Bei elek­tri­schen Motor­rä­dern gibt es einen Getrie­be­lärm, wel­cher wahl­wei­se als „star­ten­der Düsen­jet“ (als sprach­li­cher Nach­fol­ger des ‚wei­ßen Schim­mels‘ als Trans­port­mit­tel) oder als „Hoch­dreh­zahl-Staub­sauger“ beschrie­ben wird, zwei Geräu­sche, die eigent­lich auch all­ge­mein als stö­rend wahr­ge­nom­men werden.

Wo das Fahr­ge­räusch nicht aus­reicht, um ande­re Ver­kehrs­teil­neh­mer zu war­nen, gibt es schon heu­te eine Ver­ord­nung 540/2014 der EU, wel­che für lei­se Elek­tro­fahr­zeu­ge einen zusätz­li­chen Geräusch­ge­ne­ra­tor vor­schreibt. Von dem heißt es, dass er „den unge­fäh­ren Geräusch­pe­gel eines ähn­li­chen Fahr­zeugs […], das mit einem Ver­bren­nungs­mo­tor aus­ge­stat­tet ist und unter den glei­chen Bedin­gun­gen betrie­ben wird, nicht über­schrei­ten“ darf. Eine Min­dest­laut­stär­ke wird kurio­ser­wei­se für die­ses Warn­sys­tem offen­bar nicht spe­zi­fi­ziert, aber auch kei­ne Regel, wie lieb­lich oder schrill das Geräusch sein soll. Es heißt aber immer­hin: „Das Schall­zei­chen soll­te ein­deu­tig auf das Fahr­zeug­ver­hal­ten hin­wei­sen und mit dem Geräusch eines mit Ver­bren­nungs­mo­tor aus­ge­stat­te­ten Fahr­zeugs der glei­chen Klas­se ver­gleich­bar sein.“ So viel lei­ser darf es also wohl nicht werden.

Ob der Umstieg auf Elek­tro­mo­to­ren wirk­lich den gewünsch­ten Effekt hät­te, wenn doch gleich­zei­tig das Anzei­gen einer Beschleu­ni­gung durch ein künst­lich erzeug­tes Warn­ge­räusch für not­wen­dig erach­tet wird: ich bin mir da nicht so sicher. Jeder, der schon ein­mal län­ger in Ame­ri­ka in einer Stadt gewohnt hat, kann bezeu­gen, dass die unab­läs­sig und laut pie­pen­den Rück­fahr­warn­hu­pen der Lkw zwar gut für die Sicher­heit, aber gar nicht gut für das Ner­ven­kos­tüm der Anwoh­ner sind.

Schall­dämp­fer mal vor­ge­schrie­ben, mal unter stren­ger Stra­fe verboten

So oder so wird es mit dem aggres­siv vor­ge­tra­ge­nen Anlie­gen des Lärm­schut­zes sein Bewen­den nicht haben. Die all­ge­mei­ne Luft­fahrt zeich­net sich auch durch eine gewis­se Geräusch­ent­wick­lung aus, und ein Motor, der 100 Oktan ver­bleit trinkt, hat bei den Per­so­nen­krei­sen, die sich von Motor­ge­räu­schen beson­ders beläs­tigt füh­len, wohl kei­nen gro­ßen Sym­pa­thie­bo­nus. Aber selbst die Segel­flie­ger star­ten wenn nicht an einem Flug­zeug dann an einer moto­ri­sier­ten Win­de, die beim Start zwar nur recht kurz, aber doch ganz ordent­lich brüllt. Das Sport­schie­ßen auf lan­ge Stre­cken im Frei­en ist logi­scher­wei­se genau­so mit einer bestimm­ten Geräusch­ent­wick­lung durch schnell in einem Zylin­der expan­die­ren­de Gase ver­bun­den, und dabei ist im Gegen­satz zum Motor­rad ein Schall­dämp­fer nicht nur nicht vor­ge­schrie­ben son­dern unter stren­ger Stra­fe verboten.

(Der Schall­dämp­fer, der an Moto­ren und an Feu­er­waf­fen gleich wirkt, wur­de bezeich­nen­der­wei­se von Hiram Maxim Jr. erfun­den, auch schon für bei­de Zwe­cke. Sein Vater, Hiram Maxim Sr. war der Erfin­der des moder­nen Maschi­nen­ge­wehrs, was erklärt, wie sein Sohn auf die Idee kam. Juni­or hat sei­ne Kind­heit mit dem Erfin­der des Maschi­nen­ge­wehrs, wäh­rend vie­le ande­re noch Vor­der­la­der hat­ten, in einem unter­halt­sa­men Buch ‚A Geni­us in the Fami­ly‘ erzählt.)

Klar, es gibt akus­tisch wie fah­re­risch rück­sichts­lo­se Motor­rad­fah­rer. Gegen die gibt es auch ein Instru­men­ta­ri­um, bis hin zu Straf­tat­be­stän­den wie Nöti­gung im Stra­ßen­ver­kehr. Bei der Initia­ti­ve des Bun­des­rats scheint es mir aber eher so, dass die Spaß­brem­se an sich das Ziel sein soll, ver­bun­den mit Vor­stel­lun­gen, dass sich Pro­ble­me schon lösen wer­den, wenn man allen die allein­se­lig­ma­chen­den Elek­tro­fahr­zeu­ge auf­drückt – so lan­ge, bis sie den Weg des Die­sels vom Umwelt­engel zum Umwelt­sün­der­lein gehen.