Bea­te Bah­ner in der Psych­ia­trie: Back in the USSR?

Der Miss­brauch der Psych­ia­trie zur Ent­sor­gung von Dis­si­den­ten hat eine extrem ungu­te Geschich­te in der Sowjet­uni­on, und man kann sich im Fall Bah­ner des Ver­dachts, dass wir in die­se Rich­tung abglei­ten, schlecht erwehren

Laut der Rhein-Neckar-Zei­tung soll Rechts­an­wäl­tin Bea­te Bah­ner, die ja mit einem weit­rei­chen­den Antrag auf eine einst­wei­li­ge Ver­fü­gung gegen die „Coro­na-Ver­ord­nun­gen“ der Län­der vor dem Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt geschei­tert ist, in einer psych­ia­tri­schen Kli­nik unter­ge­bracht wor­den sein. Sie sol­le „einen sehr ver­wirr­ten Ein­druck“ gemacht haben.

Frau Bah­ners Kern­an­lie­gen ist nicht offen­sicht­lich falsch oder unsinnig

Es kann natür­lich sein, dass tat­säch­lich eine offen­sicht­li­che Eigen- oder Fremd­ge­fähr­dung bestand, wel­che eine Ein­wei­sung recht­fer­tigt. Frau Bah­ners jüngs­te Aus­füh­run­gen auf ihrer Web­site wir­ken in der Tat etwas inko­hä­rent. Soll­te eine sol­che Gefähr­dung aber nicht über jeden Zwei­fel erha­ben sein, dann haben sich die für die Ein­wei­sung Ver­ant­wort­li­chen auf ganz dün­nes Eis bege­ben und set­zen sich dem Risi­ko aus, dass die Bür­ger in ihrem Vor­ge­hen tota­li­tä­re Metho­den wie­der­erken­nen, für die sonst eigent­lich die Sowjet­uni­on bekannt war.

Frau Bah­ners Kern­an­lie­gen, dass zumin­dest ein Teil der aus­ge­spro­che­nen Ver­bo­te den ver­fas­sungs­recht­li­chen Rah­men spren­ge, ist jeden­falls nicht offen­sicht­lich falsch oder unsin­nig; vie­le wür­den sagen, es sei zumin­dest für klei­ne Tei­le der Ver­ord­nun­gen offen­sicht­lich rich­tig. Dass ihr Eil­an­trag zu breit und an das fal­sche Gericht gerich­tet war, ändert dar­an zunächst ein­mal nichts.

Resul­tiert die Zustän­dig­keit des Staats­schut­zes gar nicht aus einer befürch­te­ten Anste­ckungs­ge­fahr, son­dern aus dem Dis­si­den­ten­tum Frau Bahners?

Nach der – wenn auch in ihrer Form nicht ganz ziel­füh­ren­den – öffent­lich­keits­wirk­sa­men Ver­fol­gung die­ses Anlie­gens wider­fuh­ren Frau Bah­ner Schi­ka­nen, die man eigent­lich nicht erwar­ten wür­de. Erst wur­de auf Anwei­sung der Kri­mi­nal­po­li­zei­di­rek­ti­on Hei­del­berg ihre Web­site abge­schal­tet, dann aber wie­der akti­viert. Grund sei eine „öffentlich[e] Auf­for­de­rung zu Straf­ta­ten (bun­des­wei­te Ver­samm­lun­gen am Oster­sams­tag um 15 Uhr, trotz Verbotes)“.

Ver­bot hin oder her, dass ein Auf­ruf zur Aus­übung des Grund­rechts auf Demons­tra­ti­ons­frei­heit, das gera­de im Hin­blick auf die deut­sche Geschich­te wirk­lich essen­ti­ell ist, vor­beu­gend gelöscht wird, ist doch ein bemer­kens­wer­ter Vor­gang. Bei allen Anste­ckungs­ge­fah­ren, die von Men­schen­men­gen ohne Fra­ge aus­ge­hen, gegen die aber auch ein teil­wei­ser Schutz durch groß­zü­gi­gen Abstand und Mas­ken (deren Zweck ja nicht die Ver­mum­mung wäre) mög­lich wäre: Wer sich noch an die Mon­tags­de­mons­tra­tio­nen in der End­pha­se der ehe­ma­li­gen DDR erin­nert, kann sich dabei eines ungu­ten Gefühls nicht erwehren.

Als Nach­spiel die­ser Geschich­te wur­de Frau Bah­ner von der Poli­zei vor­ge­la­den, und zwar vom Staats­schutz­de­zer­nat der Kri­mi­nal­po­li­zei­di­rek­ti­on Hei­del­berg! Die­se Zustän­dig­keit über­rascht mehr als die Vor­la­dung an sich. Wer­den Ansamm­lun­gen um den Grill im Park oder Trin­ker­par­ties in trost­lo­sen Sozi­al­woh­nun­gen jetzt auch vom Staats­schutz ver­folgt? Oder resul­tiert die Zustän­dig­keit des Staats­schut­zes gar nicht aus einer befürch­te­ten Anste­ckungs­ge­fahr, son­dern aus dem Dis­si­den­ten­tum Frau Bahners?

Extrem ungu­te Geschich­te in der Sowjetunion

Ich kann den geis­ti­gen Zustand Frau Bah­ners logi­scher­wei­se nicht beur­tei­len. Aber wer erst eine Ver­öf­fent­li­chung abschal­tet, deren Rechts­wid­rig­keit jeden­falls nicht voll­kom­men offen­sicht­lich ist, und die auf die Aus­übung von zen­tra­len Grund­rech­ten abzielt; wer dann den Staats­schutz auf die­se Per­son ansetzt; und wer dann die­se Per­son in der Klaps­müh­le ablie­fert: der erzeugt kei­nen guten Ein­druck. Der Miss­brauch der Psych­ia­trie zur Ent­sor­gung von Dis­si­den­ten hat eine extrem ungu­te Geschich­te in der Sowjet­uni­on, und man kann sich bei die­ser Vor­ge­schich­te des Ver­dachts, dass wir in die­se Rich­tung abglei­ten, schlecht erwehren.

Die Ver­ant­wort­li­chen, die über die wei­te­re Unter­brin­gung Frau Bah­ners ent­schei­den müs­sen, benei­de ich nicht. Soll­te sie tat­säch­lich in einem Zustand sein, der eine Unter­brin­gung zu ihrem eige­nen Schutz not­wen­dig machen wür­de, dann kön­nen die damit befass­ten Ärz­te und Rich­ter logi­scher­wei­se nichts für die vor­her­ge­hen­den Umstän­de, die der Sache so einen üblen Bei­geschmack geben. Aber übel ist der Bei­geschmack in der Tat.