Nixon und Biden

Der 15. August hat das Zeug zu einem Schlüs­sel­tag der ame­ri­ka­ni­schen Geschich­te. Vor fünf­zig Jah­ren ver­kün­de­te Richard Nixon die Schlie­ßung des Gold­fens­ters und damit das Ende des Bret­ton-Woods-Sys­tems. Mit des­sen Abwick­lung und der des Viet­nam­kriegs über­wand er die alte Ord­nung, und sein Gang nach Chi­na schuf die Grund­la­de einer neu­en. Joe Bidens Pres­se­kon­fe­renz zum Abzug aus Afgha­ni­stan dage­gen mar­kiert ihn zunächst als begrenzt kom­pe­ten­ten Epi­go­nen. Er hat aber noch Zeit.

Manch­mal fal­len his­to­ri­sche Jah­res­ta­ge zufäl­lig und doch nicht ganz zufäl­lig auf den glei­chen Kalen­der­tag. Als ich in Ame­ri­ka deut­sche Geschich­te unter­rich­tet habe, habe ich den Stu­den­ten die Bedeu­tung des 9. Novem­ber mit­ge­ge­ben. Der 15. August hat das Zeug, zwei gro­ße ame­ri­ka­ni­sche Nie­der­la­gen und Neu­an­fän­ge im Abstand von genau einem hal­ben Jahr­hun­dert zu mar­kie­ren. Bei­de nah­men ihren Aus­gang vom Som­mer­sitz des ame­ri­ka­ni­schen Prä­si­den­ten, Camp David, und bei­de wur­den dem ame­ri­ka­ni­schen Volk durch Fern­seh­an­spra­chen ihres Prä­si­den­ten erklärt.

Das alte Sys­tem war nicht mehr zu halten

Am 15. August 1971 hat sich Richard Nixon aus dem Som­mer­ur­laub gemel­det und im Fern­se­hen die Auf­he­bung der Gold­kon­ver­ti­bi­li­tät des Dol­lars ver­kün­det, auch bekannt als ‚die Schlie­ßung des Gold­fens­ters‘ oder auch als der ‚Nixon-Schock‘. Der Prä­si­dent gab sich füh­rungs­stark und ver­kün­de­te: „Nixon und Biden“ weiterlesen

Kabul und Saigon

Der ame­ri­ka­ni­sche Bot­schaf­ter in Kabul floh mit einem Hub­schrau­ber des­sel­ben Typs, mit dem auch schon der Bot­schaf­ter aus Sai­gon aus­ge­flo­gen wur­de. Sogar die Num­mern sind fast iden­tisch. Sai­gon hat­te aller­dings Ver­tei­di­ger, wäh­rend die Tali­ban in Kabul kei­ner­lei Wider­stand vorfanden.

Der ame­ri­ka­ni­sche Außen­mi­nis­ter Ant­o­ny Blin­ken hat­te am Sonn­tag einen schlech­ten Tag. In meh­re­ren Inter­views hat er das aus dem Fern­se­hen Offen­sicht­li­che, einen has­ti­gen Abzug der Ame­ri­ka­ner, der einen völ­li­gen Ver­lust des Krie­ges in Afgha­ni­stan mar­kiert und in an die Kata­stro­phe von Viet­nam erin­nern­de Bil­der ver­dich­tet, bestrit­ten und gera­de dadurch doch bestätigt.

Biden ver­sprach: Unter kei­nen Umstän­den wer­den Men­schen vom Dach abgeholt

Das iko­nischs­te Bild des Falls von Sai­gon, dann sogar für das zuge­hö­ri­ge Musi­cal auf der Büh­ne auf­wen­dig repro­du­ziert, ist der letz­te Hub­schrau­ber aus Sai­gon, eine UH‑1 der Air Ame­ri­ca, einer zivi­len Flug­ge­sell­schaft der CIA, in den sich eine viel zu lan­ge Schlan­ge drän­gen will. Der ame­ri­ka­ni­sche Bot­schaf­ter Gra­ham Mar­tin und die meis­ten ame­ri­ka­ni­schen Bot­schafts­an­ge­hö­ri­gen wur­den aller­dings schon vor­her mit den mar­kan­ten Hub­schrau­bern des Typs CH-46 aus­ge­flo­gen, im Fall des Bot­schaf­ters mit Anwei­sun­gen, ihn zur Not mit Zwang mit­zu­neh­men. Bei einem vor­he­ri­gen Flug hat­te er sich näm­lich gewei­gert, ein­zu­stei­gen, und sei­nen Platz ande­ren über­las­sen. Die­sem Anstand steht aller­dings gegen­über, dass Mar­tin die Dring­lich­keit der Situa­ti­on vor­her voll­kom­men unter­schätzt hat­te. „Kabul und Sai­gon“ weiterlesen

„Natio­nal­deut­scher Sozialstaat“

Die FAZ schreibt, Tino Chrup­al­las Anhän­ger woll­ten den „natio­nal­deut­schen Sozi­al­staat“. Eine beson­ders fei­ne Form der Ver­leum­dung, die Nazi sug­ge­riert und doch nur den Kon­sens des Grund­ge­set­zes benennt.

Die FAZ leis­tet sich eine Ver­leum­dung der beson­ders ver­fei­ner­ten Art. Im Arti­kel „Ein Maler­meis­ter fällt aus der Rol­le“ behaup­tet Jus­tus Ben­der, dass Tino Chrup­al­las Anhän­ger einen „natio­nal­deut­schen Sozi­al­staat“ woll­ten. Nun ist dem Wort­klang nach voll­kom­men klar, wel­che Asso­zia­ti­on gewünscht ist: vom „natio­nal­deut­schen Sozi­al­staat“ zum „Natio­nal­so­zia­lis­ten“ ist es nicht weit.

Inhalt­lich ist der „natio­nal­deut­sche Sozi­al­staat“ natür­lich vom Grund­ge­setz vor­ge­se­hen. In der Prä­am­bel ist es „das Deut­sche Volk“, das sich „die­ses Grund­ge­setz gege­ben“ hat, und eben nicht ein ande­res Volk, auch nicht kein Volk. „„Natio­nal­deut­scher Sozi­al­staat““ weiterlesen

Baer­bocks N‑Wort: Wel­ches hat sie gesagt?

Anna­le­na Baer­bock hat sich für die Ver­wen­dung des ‚N‑Worts‘ ent­schul­digt und es aus­pie­pen las­sen. Nun gibt es min­des­tens zwei Mög­lich­kei­ten, wel­ches Wort es denn gewe­sen sein könn­te, und Auf­klä­rung wäre inter­es­sant. Vor zwan­zig Jah­ren wur­de der Unter­schied in der Bedeu­tung die­ser Wör­ter noch im öffent­lich-recht­li­chen Vor­abend­pro­gramm abge­han­delt. Heu­te führt sich das Tabu durch sei­nen ein­ge­bau­ten Rat­schen­me­cha­nis­mus selbst ad absurdum.

Die Kanz­ler­kan­di­da­tin der Grü­nen, Anna­le­na Baer­bock, hat letz­te Woche mit einer Rei­he von Tweets Wel­len geschla­gen, in denen sie sich vor­aus­ei­lend dafür ent­schul­digt hat, in einem Inter­view ‚das ‚N‑Wort‘“ ver­wen­det zu haben. Bei der erheb­li­chen Abhand­lung der Geschich­te in der Pres­se ist es eigent­lich ganz erstaun­lich, und illus­triert die Pro­ble­me der Sprach­ta­bui­sie­rung aufs Treff­lichs­te, dass weder Frau Baer­bock noch sonst jemand berich­tet hat, wel­ches Wort sie eigent­lich ver­wen­det hat.

 Es gibt da ja offen­sicht­lich min­des­tens zwei Mög­lich­kei­ten. Zu den Zei­ten als das öffent­lich-recht­li­che Fern­se­hen sich noch nicht völ­lig vom Bil­dungs- auf den Umer­zie­hungs­auf­trag umge­stellt hat­te, wur­den die­se bei­den Wör­ter und ihr Bedeu­tungs­un­ter­schied im in der belieb­ten Serie ‚Unser Leh­rer Dr. Specht‘ im Vor­abend­pro­gramm vom ZDF nicht nur durch­ge­ar­bei­tet, son­dern das wur­de mit offen­sicht­li­chem Genuss getan:

Man muss also kon­sta­tie­ren, dass bei­de Wör­ter vor zwan­zig Jah­ren noch einer sym­pa­thi­schen und kind­ge­rech­ten Hel­den­fi­gur in den Mund gelegt wer­den konn­ten. Das war eine Zeit, zu der Frau Baer­bock neun­zehn Jah­re alt war, also durch­aus bei­de Wör­ter in ihren Sprach­ge­brauch auf­ge­schnappt haben könn­te, viel­leicht sogar von Dr. Spechts Erläu­te­run­gen. „Baer­bocks N‑Wort: Wel­ches hat sie gesagt?“ weiterlesen